Telefonschock

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Entspannt sitze ich mit dem Laptop, einer Tüte Chips und einer Cola auf meinem Balkon und genieße die Aussicht. Es ist ein milder Spätsommerabend. Der Himmel färbt sich langsam rosa und ein paar vereinzelte Wolken schieben sich vor die untergehende Sonne. Die Berge, die in der Ferne aufragen, sind heute ganz klar zu erkennen. Ich schließe die Augen, schiebe mir eine Hand voll Chips in den Mund und kaue genussvoll, was diese laut knackend zerbrechen lässt. Das Geräusch erinnert mich an das Bersten von Knochen. Das gefällt mir. Es ist wie Musik in meinen Ohren.

Nachdem ich Larissas leblose Hülle im Schlafzimmer zurückgelassen, die Wohnung durchwühlt und ihre dämliche Katze in den Backofen gesperrt habe, bin ich noch kurz einkaufen gegangen und dann auch gleich nach Hause. So ein Seelenraub ist ganz schön anstrengend, muss ich gestehen. Aber auch unglaublich köstlich, was alles andere wieder wett macht. Es geht doch nichts über guten Sex und dazu eine leckere Seele. Auch wenn Larissas nicht gerade die Beste gewesen ist. Aber naja. Zumindest für kurze Zeit wird es meine Begierde nach dem Licht der Menschen stillen. Wenn auch nicht sehr lange.

Das Klingeln meines Handys reißt mich aus meinen Gedanken. Stirnrunzelnd schaue ich auf die unbekannte Nummer hinab, die auf dem Display erscheint und überlege, ob ich annehmen soll oder den Anruf lieber gleich wegdrücke. Eigentlich habe ich keine allzu große Lust auf irgendwelche Typen oder Tussen, die irgendwie an meine Handynummer gelangt sind. Weiß der Geier wie sie das hinbekommen, aber es kommt schon ab und zu vor.

Also drücke ich den Anrufer weg, nehme einen großen Schluck Cola und fördere eine Schachtel Zigaretten aus meiner Hosentasche ans Tageslicht, die ich bei Larissa habe mitgehen lassen. Breit grinsend ziehe ich eine davon hervor und zünde sie mir mit einem schwarzen Feuerzeug in Form eines Totenkopfes an. Lecker!

Genüsslich nehme ich einen tiefen Zug und freue mich über meinen kleinen Sieg. Der gestrige Abend ist ja doch noch ganz produktiv gewesen. Nur die letzten Worte dieser Tusse nagen etwas an mir. Sie hat ja keine Ahnung. Als ob mir das kleine Rumpelstilzchen irgendetwas bedeuten würde. Die hat sie ja nicht mehr alle! Zum Glück habe ich diese kranke Bitch mundtot gemacht. Die war ja eine Zumutung für die Allgemeinheit.

Gähnend lehne ich mich zurück und strecke mich. Der gräuliche Rauch meiner Zigarette steigt träge in die milde Nachtluft auf. Ich beobachte fasziniert, wie er dabei vor mir schöne Muster zeichnet, die wie weiße Narben eine Weile dort stehen bleiben und dann allmählich verblassen. Das ist Kunst, wie sie mir gefällt. Nicht so ein hirnloses Gekritzel auf einer Leinwand.

Überrascht zucke ich zusammen, als erneut mein Handy klingelt. Meine Güte! Wer wagt es mich um diese Uhrzeit zu stören? Wenn es wegen irgendetwas Unwichtigem ist, werde ich denjenigen auf der anderen Seite der Leitung finden und kalt machen. Das schwöre ich, so wahr ich hier sitze und mein Leben genieße.

Mürrisch drücke ich auf den grünen Hörer und melde mich:

"Thomas Crowen."

Schweigen. Auf der anderen Seite ist nur ein gleichmäßiges Atmen zu vernehmen. Sonst ist es still.

"Hallo? Soll das ein Telefonstreich sein oder was? Wenn ja, dann schwöre ich dir, dass dir das noch leid tun wird. Ich bringe dich eigenhändig um...", setze ich nach, werde jedoch von einer patzigen Stimme unterbrochen:

"Eigentlich wollte ich mich nur notgedrungen bei dir entschuldigen, da meine Schwester mir gedroht hat, dass sie mir sonst nachts ein Messer in den Rücken rammt. Aber wenn das so ist, dann kann ich das ja auch gleich sein lassen. Kommt auf dasselbe heraus. Und von ihr lasse ich mich eindeutig lieber ins Jenseits befördern, als von einem Schwachkopf, wie dir!"

Erstaunt halte ich inne und starre auf das Handy in meiner Hand hinab, als hätte es sich plötzlich in eine giftige Schlange verwandelt. Das kann doch jetzt wohl nicht wahr sein. Hier ruft doch nicht gerade tatsächlich das kleine Rumpelstilzchen an, um sich bei mir zu entschuldigen? Und ich habe nichts Besseres zu tun, als ihr zu drohen?

Faceless - Ewige Verdammnis Where stories live. Discover now