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Blue

Ich stand vor meinem Kleiderschrank und betrachtete pikiert die rosa Boxershorts, die ich in meiner Hand hielt.

Denn ich besaß keine rosa Boxershorts.

Außer die mit den Früchten. Und ein Paar von Diesel. Und eine mit Blumenprint. Und eine, die rosa-blau kariert war. Und eine mit grünen Punkten. Nicht zu vergessen die von Oma. Und die mit dem schwarzen Gummizug. Und-

"Blue! Frühstück!"

Auf jeden Fall besaß ich keine rosa Boxershorts mit weißen Streifen. Das wusste ich ganz genau.

"Komme!", rief ich und hielt das Handtuch fest, das ich mir um die Hüften gewickelt hatte.
Vielleicht sollte ich Ryan einen Snap schicken. Nur so aus Spaß. Vielleicht würde ich dann ein Bild von ihm oberkörperfrei zurückbekommen, das ich stundenlang anstarren konnte. Nur so aus Spaß.

Na ja, die Wahrscheinlichkeit, dass er mich sofort blockierte, war wohl größer.
(Ich hatte ihm noch nie einen Snap geschickt und ich wettete, dass er nicht einmal wusste, dass ich ihn geaddet hatte. Mein Nutzername gewährte mir äußerste Anonymität. So ganz wusste ich ihn auch nicht mehr, aber so etwas wie 'blue' oder 'green' kam garantiert nicht darin vor ... )

Unten in der Küche hielt ich anklagend die rosa-weiß gestreifte Unterhose hoch. Mittlerweile trug ich eine Jeans, die am Knie ziemlich in Fetzen hing, weil ich beim Anziehen immer in die Löcher trat, und ein schlichtes, schwarzes Shirt.
"Die gehört mir nicht!"

Mum und Matty starrten mich vier Sekunden lang an, als würde ich ihnen einen String aus synthetisch hergestellter Spitze vor die Nase halten.

Dann räusperte sich Matty verlegen. "Das ist ... meine."

Aha ... !

"Das ist so was von 2004", sagte ich schockiert, obwohl ich keine Ahnung hatte, seit wann rosa-weiß gestreifte Boxershorts nicht mehr in Mode waren. Auf jeden Fall waren sie potthässlich. Einfach grässlich.

Wie konnte man nur rosa-weiß gestreifte Boxershorts tragen!

"Iss deinen Toast", murmelte Mum und verdrehte die Augen.

Das tat ich dann auch. Mit Zartbitterschokoladenaufstrich. Der schmeckte nämlich besser als Nutella.






"Wir sind zu spät!", rief Noah panisch und joggte vor mir her durch den Schulflur.

"Beruhig dich! Es ist erst der zweite Schultag! Die erste Englischstunde! Und die Lehrer lieben mich!", antwortete ich tiefenentspannt und hielt ihn zurück. In der Pause hatten wir uns auf der Jungentoilette vor Elodie versteckt, uns über unser Sieh-mich-doch-an-wie-ich-dich-fast-mit-meiner-weißen-Fahne-erschlage-Problem ausgetauscht und irgendwie das Klingeln überhört.

Noah stöhnte genervt.

Irgendwie hatten wir uns wieder etwas vertragen, aber eher aus dem Grund, dass wir ansonsten einsam gewesen wären.

Außerdem war Noah ... überlebenswichtig für mich. Er war sowas wie mein Bruder. Auch wenn sein Name langweilig war. Und er eigentlich auch.
Aber er konnte gut Musik machen. Und zuhören.

Froh, dass ich ihn hatte, grinste ich ihn an, woraufhin er die Nase rümpfte. "Wir werden einen Eintrag bekommen."

"Ach was." Gutgelaunt lief ich weiter, irgendein Lied vor mich hinpfeifend.

"Blue."

"So tell me what you want, what you really, really want!", rief ich und gluckste laut. Er verdrehte die Augen.

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