10. Kapitel: Mein erstes Mädchen

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„Was ist hier los?" Frau Pätzold steht plötzlich vor uns und schaut von Uli zur verletzten Claudia.

„Dieser Vollhonk hat mich geschlagen", sagt Claudia und presst ein Papiertaschentuch unter ihre Nase.

„Was soll das, Ulrich? Wieso schlägst du deine Mitschülerin?"

„Sie hat mich Klößchen genannt", brummt Uli.

„Das ist doch kein Grund, gleich handgreiflich zu werden." Frau Pätzold wirft Uli einen giftigen Blick zu. „Mitkommen, alle beide."

„Aber ich habe doch nichts gemacht", schnieft Claudia.
„Dich bringe ich auf die Krankenstation und Ulrich zum Direktor."

Über Claudias Gesicht breitet sich sich ein schadenfrohes Grinsen aus, während Uli kreidebleich wird.

„Zum Direktor?", keucht er.

„Das ist nicht fair. Uli wurde provoziert", schaltet sich Sam ein.

„Das ist trotzdem kein Grund, zu schlagen. Los jetzt!", drängt Frau Pätzold und zieht Uli am Arm mit sich.

„Wenn er Pech hat, wird er suspendiert", bemerkt eine von Claudias Jüngerinnen.

Ich werfe ihr einen giftigen Blick zu. Noch ehe ich etwas sagen kann, schiebt Sam mich in Richtung Tanzfläche. „Komm", raunt sie. „Das müssen wir uns nicht länger geben."

Wir tanzen bis spät in die Nacht. Ich kann die Vorkommnisse aber nicht vergessen und meine Gedanken sind die ganze Zeit bei Uli. Hoffentlich wird er nicht wirklich von der Schule geschmissen. Ich hatte zwar nie viel von ihm gehalten, doch heute auf der Party ist er mir doch sympathisch geworden. Wir haben uns gut unterhalten und er scheint ein ganz netter Kerl zu sein. Und wie er Claudia zwischen die Augen geboxt hat, war eine Genugtuung, wie ich sie selten verspürt habe. Sie hat es sowas von verdient. Hoffentlich ist die Nase gebrochen.

Erst um ein Uhr morgens, als die Party offiziell endet, machen Sam und ich uns auf den Rückweg in unser Zimmer. Wir sind noch immer völlig zappelig und die Müdigkeit macht sich noch nicht bemerkbar, weshalb wir beschließen, im Zimmer noch eine DVD auf ihrem Laptop zu schauen. Doch als wir das Zimmer betreten, finden wir May und Lis bereits in ihren Betten. So leise wie wir können, ziehen wir uns unseren Pyjamas an, dann winkt Sam mich zu sich aufs Bett. Sie fährt ihren Laptop hoch und steckt ihre Ohrstöpsel in die Buchse für die Kopfhöhrer.

„Müssen wir uns die eben teilen", flüstert sie und reicht mir einen Ohrstöpsel. Ich stecke ihn mir ins rechte Ohr und sie sich ihren ins linke. Dann schauen wir „Aimee & Jaguar", den Lesbenfilm, den Sam mir empfohlen hat. Er ist wirklich nicht schlecht, aber am meisten genieße ich die Nähe zu Sam. Ihre Hand liegt direkt neben meiner. Wenn ich den kleinen Finger ausstrecken würde, würde ich sie berühren. Ich kann ihre Wärme spüren, kann ihr Parfum riechen. Sie duftet gut, wie eine Wiese im Frühling, vermischt mit einem leichten Schweißgeruch. Kein Wunder, wir hatten ja getanzt wie die Wilden.

Plötzlich sinkt ihr Kopf auf meine Schulter. Sie atmet tief und langsam. Ihre Augen sind geschlossen, die Lippen leicht geöffnet. Ich lege meinen Arm um ihre Schulter und drücke sie an mich. Es gefällt mir, wie sie halb auf mir liegt. Ihr Haar kitzelt meine Wange. Ich streiche ihr sanft über den Oberarm. Immer und immer wieder. Auf einmal zuckt sie zusammen und sieht mich erschrocken an.

„Tu-tut mir Leid", stottert sie. „Ich bin eingenickt."

„Ist doch kein Problem." Ich lächle so freundlich und verständnisvoll wie ich kann.

Ein schiefes Grinsen gleitet über ihre Züge. „Nicht, dass du denkst, ich wollte dich anmachen oder sowas." Sie kichert.

„Nein, das würde ich doch niemals denken", flüsterte ich zurück und kichere ebenfalls. Doch mir ist überhaupt nicht nach Lachen zumute. Was wäre denn so schlimm daran, wenn sie mich anmachen würde? Mir persönlich würde das sehr gelegen kommen.

Freche Mädchen küssen besser (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt