3. Kapitel: Der geheimnisvolle Brief

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„Hat sie dir denn noch nicht davon erzählt?" Claudia zieht eine Augenbraue hoch.

„Ich finde nicht, dass das jetzt interessiert", sagt Sam und knirscht mit den Zähnen.

„Ich schon", antwortet Claudia und nähert sich mir. „Deine Zimmergenossin ist andersherum. Ich finde, das solltest du wissen." Sie streckt mir die Hand hin. „Wenn du willst, sorge ich dafür, dass du das Zimmer wechseln kannst."

Ich weiche einen Schritt zurück. Dann nehme ich all meinen Mut zusammen, verschränke die Arme vor der Brust und sage: „Danke, aber ich verzichte. Ich bin mit meinem Zimmer sehr zufrieden."

Claudia schnaubt verächtlich. „Na, du wirst schon noch sehen, was du davon hast." Sie schiebt sich an uns vorbei. Die drei anderen Mädchen folgen ihr und eine davon wirft mir einen bissigen Blick zu. Als die Vier verschwunden sind, drehe ich mich zu Sam um und frage: „Wer war das denn?"

„Claudia Enzminger und ihre Jüngerinnen", sagt sie und verdreht die Augen. „Die Schulschlampe. Es gibt kaum einen Kerl hier, mit dem sie noch nichts am Laufen hatte. Von Uli mal abgesehen."

„Verstehe."

Wir setzen unseren Weg fort. Ich würde mich gerne weiter mit Sam unterhalten, doch mir fällt nur Mist ein. Es liegt mir auf der Zunge zu fragen, ob sie wirklich lesbisch ist. Aber eigentlich ist mir das auch egal. Ich finde Sam nett und einzig und allein das zählt für mich.

Die ersten Tage im Internat werden eine große Umstellung. Der Unterricht gestaltet sich ziemlich zäh, da ich immer noch neben Uli sitze, der kaum ein Wort mit mir wechselt und stehts von einer Schweißwolke umgeben ist. Lediglich in Mathe kommen wir kurz ins Gespräch, als ich die Aufgaben nicht kapiere und er sie mir erklärt. Er ist ziemlich gut in Mathe. Eigentlich, so habe ich den Eindruck, ist er in jedem Fach ein Ass – außer im Sportunterricht. Zu meinem Entsetzen haben wir gemeinsam mit den Jungen Sport. Mich vor den Augen der anderen zu bewegen, kommt mir vor, wie eine öffentliche Demütigung. Auch die zierliche May hat damit ihre Schwierigkeiten. Sam und Lis hingegen scheinen dabei ihren Spaß zu haben.

Wir spielen Fußball, Mädchen gegen Jungen. Es ist ein erbittertes Match und ich weiche geschickt dem Ball aus, weil ich mir sicher bin, dass ich sowieso daneben schießen würde. Sam hingegen schießt ein Tor nach dem anderen. Die Jungen kommen richtig ins Schwitzen. Ein großer Kerl namens Sven ist unsere größte Konkurrenz. Lis hat mir erzählt, dass er Fußball im Verein spielt. Er versucht ständig, Sam den Ball abzuluchsen. Ab und zu gelingt es ihm auch. Wir kassieren mehrere Tore, doch davon lässt Sam sich nicht aus dem Konzept bringen. Als der Schlusspfiff ertönt, fallen wir uns in die Arme. Wir Mädchen haben ganz knapp gewonnen, aber auch nur, weil Uli der schlechteste Torwart aller Zeiten ist.

Der Vokabeltest in Englisch stellt sich als einfacher heraus, als ich erwartet habe. Kein Wunder, ich hatte mich auch wirklich gut darauf vorbereitet. Gemeinsam mit Lis und May hatte ich jeden Nachmittag nach den Hausaufgaben eine extra Stunde fürs Lernen eingeplant. Für die nächste Woche ist eine Mathearbeit angekündigt, damit habe ich viel mehr meine Schwierigkeiten. Zum Glück kann May mir ein bisschen damit helfen. Sie ist sehr gut im Erklären und ich begreife die Logik hinter den ganzen Zahlen und Variablen besser, als ich es im Unterricht tue – was nicht gerade für den Mathelehrer spricht.

Nach dem Lernen gehe ich weiterhin joggen. Manchmal kommt Sam mit, dann macht es mehr Spaß.

„Ich frage mich, warum du den Sportunterricht so hasst", sagt sie eines Tages, als wir eine Runde durch den Wald laufen. „Du hast doch eigentlich ziemlich gute Kondition."

„Ich mag Ausdauersport", sage ich. „Aber weder Geräteturnen noch Ballspiele sind meine Welt. Ich gehe lieber in der Natur joggen oder eine Runde Radfahren oder Inline skaten."

Freche Mädchen küssen besser (GirlxGirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt