Kapitel 9 | Der ultimative Kuss des Grauens

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MIT GROßEN AUGEN STAND ICH vor dem Schulgebäude und traute mich nicht rein. Seit gestern fühlte ich mich nicht mehr wie ich selbst. Dale Wilson, der letzte Mensch auf Erden, von dem ich je gedacht hatte, dass er mich küssen würde, hatte es getan. Auf einen Schlag war ich eins der Mädchen, über die ich mich andauernd lustig machte. Wie sollte ich nur mit dieser Sünde leben?

Das aller Schlimmste an der ganzen Sache war, dass es keinen Würgereiz in mir ausgelöst hatte. Im Gegenteil, er hatte sich sogar... nein, nein, nein. Daran wollte ich gar nicht denken.

»Branwyn, was ist passiert? Kannst du es mir endlich sagen?«, fragte mich Arian ungefähr zum hundertsten Mal.

Ich schüttelte energisch den Kopf und dachte nicht einmal daran. Wenn jemand das erfuhr, würde ich all meinen Stolz verlieren. Was redete ich da? Ich hatte ihn bereits verloren? Oh, Gott, wie konnte es nur soweit kommen?

Arian stöhnte auf. »Du kannst nicht für immer schweigen.«

Doch, das konnte ich. Wenn es sein musste, schwieg ich für immer.

Gemeinsam betraten wir das Schulgebäude. Als ich auf meinen Spind zusteuerte und Dale von Weitem erblickte, begann es in meinem Magen zu toben. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und verzichtete darauf, mein Mathebuch aus dem Schrank zu holen. Ich schaute einfach bei Arian rein. Wenn mir das ersparte, dem Bad Boy über den Weg zu laufen, dann tat ich es.

Mathe zog sich wie ein Kaugummi in die Länge. Bei den Worten fokussieren und Diskussion zuckte ich zusammen und hielt mir die Hand vor den Mund. Arian dachte sicherlich, ich würde jetzt vollkommen den Verstand verlieren. Ich war ja auch echt kurz davor.

»Branwyn?« Arian stieß mir den Ellbogen in die Seite.

Ich blickte in seine grünen Augen. »Mhh?«

Ich folgte seinem Blick nach vorne zur Tafel, wo unser Mathelehrer auf eine Antwort warten zu schien. Mir wich die Farbe aus dem Gesicht. Scheiße. »Äh«, machte ich und wusste keine Antwort auf die Aufgabe an der Tafel.

Arian tippte unauffällig auf seinem Block herum. 1123 stand dort geschrieben. Ach, auf ihn war echt immer Verlass.

Ich fuhr mir durch das Haar. »Ich bin mir nicht sicher«, dachte ich laut nach, »aber ist das Ergebnis 1123?«

Mr. Miller nickte und fuhr mit seinem Unterricht fort. Glück gehabt.

»Und dafür sagst du mir gleich, was los ist«, grinste Arian mich an.

Ich biss die Zähne zusammen. Das hätte ich mir auch denken können.

Nach dem Matheunterricht setzten wir uns in die Pausenhalle. Missmutig zog ich die Beine an mich und gruselte mich davor, Arian zu sagen, was passiert war. Mir war klar, dass ich nicht ewig schweigen konnte, aber ich schämte mich. Mein Plan war total nach hinten gegangen.

»Ich warte«, flötete Arian.

»Ich habe...« Die Worte wollten nicht aus meinem Mund kommen. Ich senkte den Blick und starrte zu Boden. »Dale hat...«, setzte ich erneut an. Mir wich die Farbe aus dem Gesicht. »Hast du eine Tüte dabei?«

Arian zog die Augenbraue hoch. »Nein, wieso?«

Super. Dann kotzte ich ihm eben vor die Füße.

Ich kniff die Augen zusammen. »Dale hat mich geküsst!«, platzte es aus mir heraus.

Im ersten Moment reagierte Arian nicht. Dann hob ich den Blick und sah ihn an. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Laut prustete er los. »Das hat er nicht!«, lachte er und kriegte sich nicht mehr ein. Einige Mitschüler drehten sich bereits in unsere Richtung.

Fooling the Bad BoyWhere stories live. Discover now