🎶11 ~ Diego🎶

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Ich wachte irgendwann am Nachmittag mit Clara im Arm auf. Sie könnte jeder Zeit sterben und ich könnte es nicht verhindern! Ich fühlte mich hilflos. Liebevoll strich ich über ihre Haut und erstarrte. Sie war kalt! Nein... Nein! "Clara! Wach auf! Clara, bitte!", jammerte ich verzweifelt und rüttelte an ihr. Sie reagierte nicht. "Lass mich nicht alleine! Bitte!", wimmerte ich und zog sie fest an meine Brust. Ich war noch nicht bereit sie herzugeben! Sie gehörte mir, nur mir! "Clara, wach auf!", schluchzte ich leise. Ein paar Minuten passierte gar nichts, dann rieb sie ihr Gesicht an meiner Brust und seufzte müde. Erleichtert drückte ich sie noch fester an mich. Sie lebte! Sie schmiegte sich etwas mehr an mich und schlief ruhig weiter. Leise weinte ich vor mich hin, zog ihre Decke etwas mehr um ihren Körper, hielt sie einfach nur im Arm. Ich konnte nun ihre Brüder verstehen, konnte nachvollziehen warum sie nicht arbeiten durfte... Ihr Brüder hassten mich, weil ich sie dazu brachte sich aufzuregen. Clara war gar nicht so stark wie ich dachte... Sie war schwach, hilflos. Sie wusste, dass sie jederzeit sterben konnte, fand sich aber damit ab. Dreiundzwanzig Jahre lebte sie schon mit der Angst. Aber sie wollte unbeschwert leben. Sie wollte sich Träume erfüllen, darum waren wir auch in Deutschland im Winter. Sie wollte mal eine Schneeballschlacht machen, vielleicht auch einen Schneemann bauen und Schlitten fahren. Sachen tun, die sie in Argentinien nicht konnte. Sie hatte mit mir geschlafen, weil sie wissen wollte, wie es sich an fühlte und das obwohl sie dabei ihr Leben riskiert hatte... Ich bewunderte sie für ihren Mut. "Hab keine Angst, Diego... Ich habe nicht vor so früh zu gehen", murmelte sie leise und hob den Kopf an. "Ich will dich nicht verlieren, Clara! Ich habe nur dich... Nur du weißt wie ich wirklich bin!" Verzweifelt und zitternd hielt ich sie an mich gedrückt. Sie strich mir über die Brust. "Lass uns zurückfliegen... Ich vermisse meine Familie und meine Familie vermisst mich... Jorge schläft nicht und denkt nur das schlechteste von dir. Als ich ihn heute Morgen angerufen habe wollte er direkt hierher fliegen. Er hat geweint als ich ihm gesagt habe, dass ich ihn vermisse und er meinte er würde mich lieben... Das hat er das letzte mal zu mir gesagt als ich... Als ich damals fast in seinen Armen starb... Das ist zehn Jahre her...", nuschelte sie und ich merkte, dass es ihr sehr schwer fiel das zu zugeben. "Lass uns morgen fliegen... Du brauchst noch etwas Ruhe", hauchte ich ruhig, doch sie legte ihre Hand auf meinen Arm. "Lass uns bitte den nächsten Flug nehmen. Es stimmt zuhause etwas nicht... Das spüre ich einfach!", murmelte sie leise. Lange sah ich sie an. "Okay, wenn aber etwas sein sollte, sag mir Bescheid!", verlangte ich von ihr. Sie nickte lächelnd und sah mich freundlich an. Behutsam küsste ich sie bevor ich auf stand. Sie sagte nichts als ich durch ihr Zimmer ging. "Diego?", hauchte sie als ich die Tür öffnete. "Ja, Clara?", antwortete ich ihr und drehte mich zu ihr. Sie lag da, sah mich mit ihren wunderschönen blauen Augen an und lächelte mich liebevoll an. "Danke... Für alles! Ich liebe dich!", sagte sie entspannt. Es klang dennoch wie ein Abschied. Ich kämpfte gegen das Verlangen an zu ihr zu gehen und sie in den Arm zu nehmen. Sie konnte gut mit ihrem Herzfehler umgehen, nur hatte ich fürchterliche Angst, dass sie wirklich irgendwann tot neben mir liegen würde oder sie einfach in meinen Armen zusammenbrach. Auch wenn ich sie Anfangs nicht leiden konnte, so ist sie noch immer meine Frau. Wir hatten keine Zeit uns kennenzulernen, daher kamen auch unsere Auseinandersetzungen. Bei jedem Streit hätte ihr Herz versagen können... Niemand hatte etwas dagegen unternommen. "Ich liebe dich auch, Clara. Für dich tue ich alles!", meinte ich sanft, erwiderte ihr lächeln und ging dann. Ich packte meinen Koffer und buchte unseren Rückflug. Als ich wieder in Claras Zimmer ging, lag sie zitternd und verkrampft auf dem Boden. Sie versuchte umständlich an ihre Tabletten zu kommen. Ich eilte sofort zu ihr. "Hey, Clara... Was brauchst du? Sag mir welche Tabletten du brauchst!", fuhr ich sie nervös an und hielt ihr die neun unterschiedlichen Paletten hin. Sie hätte mir besser eine Einweisung geben sollen, was für Tablette sie wann bräuchte, dann müsste ich jetzt nicht zu sehen wie sie litt. Sie tippte auf eine Palette mit gelben Pillen. Ich nahm das Wasser, das ich ihr letzten Abend neben das Bett gestellt hatte und setzte mich wieder zu ihr. "Eine davon?" Sie nickte umständlich. Ich drückte eine der Pillen raus und gab sie ihr. Mir fiel auf, dass es ihr immer schwerer fiel bei Bewusstsein zu bleiben und dass es ihr Kraft kostete. Nachdem sie sie ihre Tablette geschluckt hatte, zog ich ihren Körper an meinen und bettete ihren Kopf auf meinen Schoß, dann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sprach die Worte aus, die mir so unendlich schwer fielen. "Hör bitte auf dagegen anzukämpfen. Ich bin hier und passe auf dich auf! Sobald die Tablette ihre Wirkung entfacht hat, wirst du wieder aufwachen. Ich werde dann hier sein und auf dich warten, Clara! Hab keine Angst. Du bist nicht alleine! Ich liebe dich!" Sie legte ihre Hand dankbar auf mein Bein, dann sank ihr Körper kraftlos ineinander. Liebevoll strich ich über ihren Körper, tastete immer wieder nach ihrem Puls, überprüfte ob sie noch atmete oder ob ihre Haut noch warm war. Zwei Stunden lang saß ich mit ihr auf dem Boden bis sie sich langsam wieder rührte. Ich atmete erleichtert auf. Sie hatte es überstanden. Langsam rappelte sie sich wieder auf und sah mich besorgt an. "Tut mir leid", krächzte sie leise. "Ich wollte dir nicht so einen Schrecken einjagen..." Ich lächelte sie aufmunternd an. "Du hast alles gut überstanden. Weißt du eigentlich, dass mir alles andere gerade scheißegal ist?", fragte ich sie und sie schloss mich in ihre Arme. Ein paar Minuten saßen wir dort schweigend, Arm in Arm. "Willst du heute immer noch fliegen?", fragte ich sie und sie nickte. "Klar, wenn das geht..." Ich lächelte sie sanft an, dann begann wir gemeinsam ihre Sachen zu packen.

Das Lied meines LebensWhere stories live. Discover now