17- Tagebucheintrag 2

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Ich wusste nicht wie lange ich einfach nur so da lag und schrie. Ich verstummte als kein einziger Ton mehr meine Lippen verlassen wollte. Ich fühlte mich ein kleines bisschen erleichtert. Zu schreien und alles rauszulassen tat gut,doch vom Schmerz nahm er nichts.
Ich griff nach meinem Handy,es war bereits spät am Abend. Ich schrieb Lu das es mir gut ging. Von Alexander hatte ich gleich mehrfache Nachrichten.

Von Alex
An Juli
Wo bist du?
Warum gehst du nicht ans Handy?
Ich mache mir sorgen
Julllliiiiiiii

Es machte mich glücklich zu sehen wie sich meine Freunde um mich sorgten. Sie waren immer für mich da,ich konnte ihnen alles erzählen,also wieso erzählte ich ihnen nicht von der jetzigen Situation? Ich wusste wenn ich es einem von beiden erzählen würde,dass sie sich schuldig fühlen würden und alles in ihrer Macht stehende versuchen würden mir zu helfen. Ich ging weiter meine Nachrichten durch und öffnete die von Zander.

Immernoch Kopfschmerzen?
Die Nachricht war schon über 3 std alt.

Nein,log ich.

Mein Kopf schmerzte noch mehr als zuvor. Es fühlte sich an,als wäre ich zehnmal gegen eine Mauer gerannt. Sofort erhielt ich eine Antwort von ihm.

Von Z:Wieso bist du noch wach?

Von J:Ich kann nicht schlafen und du?

Von Z: Ich auch nicht.

Von J: warum?

Ich wartete,doch erhielt keine Antwort.

Zander war eine verschlossene Person. Er ließ niemanden an sich heran. Egal wie oft ich versuchte seine Gefühle einzuordnen, es funktionierte nie. Seine Augen verrieten nie etwas,seine Worte ebenfalls nicht.

Das einzige was noch darauf hindeutete das er Gefühle hatte,war wenn er sauer war und seine Halsschlagader oder sein Kiefer wie wild pochte und zuckte. Wenn sein Kiefer sich verkrampfte und er rot anlief,dann wusste ich,dass er jeden Moment ausrasten würde.

Ich war immernoch aufgewühlt und wusste nicht wohin mit meiner Wut,also
kramte ich mein Tagebuch hervor und setzte mich aufrecht hin. Es war zwar mitten in der Nacht,doch schlafen konnte ich jetzt nicht. Ich war so durcheinander ohne das heute etwas passiert war. Würde es mir jetzt immer so gehen?

.. einige Tage sind vergangen als ich das letzte mal hier rein geschriebene habe. In diesen Tagen hat mein Vater mich weder angeschrien noch geschlagen. Ich habe versuchte ihm standhaft aus dem Weg zu gehen. Zwei Tage lang habe ich mich nicht bei ihm gemeldet und war stattdessen feiern. Ich habe mich beide Male voll laufen lassen, um dem allem hier zu entkommen,doch es hat mich jedes Mal eingeholt. Ich stand unter der Dusche und sofort kreisten meine Gedanken um meine Eltern. Ich saß auf einer Parkbank und sofort dachte ich an meinen Vater. Heute,nach zwei Tagen Funkstille die zwischen meinem Vater und mir geherrscht haben,kam ich nach Hause. Natürlich habe ich gehofft meinen Vater nicht anzutreffen,doch eingestellt hatte ich mich auf das Schlimmste. Um ehrlich zu sein,war das schlimmste eingetroffen. Ich kam nach Hause und sah meinen Vater. Er war nüchtern. Wirklich,er war nüchtern. Wunder.
Er sah mich mit den selben Augen an,die ich selbst hatte. Sie waren mit voller Schmerz und Traurigkeit gefüllt. Ich sah wie sein Herz mehrmals hintereinander zerbrach als er meine Antwort erhielt. Er wollte wissen ob sich Mom bei mir gemeldet hatte. Natürlich hatte sie es nicht und das sagte ich ihm auch und dann zerbrach ein weiterer Stück von ihm. Heute hatte er mich nicht angerührt und trotzdem könnte ich schreien und heulen. Trotzdem fühlte sich alles falsch an. Trotzdem tat mir alles weh. Ich wusste das heute nur ein Ausnahme Tag war und das morgen wieder alles anders sein würde. Ich wusste, dass er nicht auf einmal aufgehört hatte zu trinken und ich wusste, dass er nicht das letzte mal die Hand gegen mich erhob. Ich wusste nicht wie ich mit all dem umgehen sollte. Ich wusste nicht,wie ich mich vor meinen Freunden verhalten sollte. Ich wusste nicht,ob ich es ihnen sagen wollte ,oder einfach nur schweigen würde . Ich wollte und konnte nicht mehr mit meinem Vater hier leben,doch ich konnte auch nicht ohne ihn. Er war das einzige was mir noch geblieben war. Ich hatte immer noch die ganzen schönen Momente in meinem Kopf und immerhin überwogen sie die schlechten Taten von ihm. Doch ich wusste nicht wie lange noch. Denn die Grenze zwischen Trauer,Mitleid und Schmerz lagen gerade auf der Grenze von purem Hass und Respektlosigkeit. Man könnte meinen,dass ich ein depressives Mädchen bin,doch das war ich nicht. Ich war nur ein Mädchen welches in so kurzer Zeit soviel durchmachen musste. Ich bin die,die ihre Mutter und ihren Vater aufeinmal verloren hatte.Ich bin die,die jeden Tag verzweifelt,weinte und nachdachte. Vielleicht bin ich auch die,die alles unfair fand und sich fragte wieso ich? Vielleicht bin ich auch die, die wütend ist und das Haus anzünden wollte. Ich bin auch die,die wusste, dass sie immer tiefer ins Verderben sank. Ich fühlte förmlich wie die Dunkelheit mich versuchte hinunter zu ziehen. Wie sie versuchte mich einzuholen. Ich wusste nicht wie lange ich es noch überleben würde diesem Dunkeln zu entkommen. Ich hoffte nur,dass ich es würde.

Ich öffnete den Bezug meines Kissen und versteckte dort mein Tagebuch. Wir hatten jetzt nach 4 Uhr und morgen wäre Schule. Morgen würde ich nachsitzen müssen,genau wie die gesamte restliche Woche. Bestimmt mussten Zander und ich Kaugummis von den Tischen kratzen oder in der Abstellkammer sauber machen.

Ich war noch nie in dieser Situation gewesen. Ich musste noch nie nachsitzen,deshalb hatte ich keinerlei Vorstellungen wie lange wir dort bleiben mussten und was wir dann taten. Ich denke nicht das Zander erscheinen wird.

Er hielt sich grundsätzlich nie an etwas das ihm jemand sagte. Er war ein Alleingänger. Er tat das was ihm gefiel und das was er gerade wollte. Er war impulsiv und launisch. Er verkaufte sich als den typischen Schläger jungen der keinerlei Gefühle hatte,doch das kaufte ich ihm nicht ab.

Manchmal,sehr selten,erhaschte ich sein wahres ich. Wenn er lachte und seine Augen es widerspiegelten. Als ich bei ihm war und ich kotzen musste,da hatte er mir die Haare zurück gehalten und mir beruhigend seine Hand auf den Rücken gelegt.

Als wir beide Male nebeneinander geschlafen hatten und er mich an sich gezogen hat. Wie er auf der Party dafür sorgte,dass ich wohlbehaltend zu Hause ankam. Wie ich bei ihm schlafen durfte. Als ich den Brief meiner Mutter gelesen hatte und er mich weinen ließ und mich dabei tröstete. All dies bewies,dass er nicht so war wie er sich gab.

Er versteckte seine Gefühle vor jedem und ich wusste nicht wieso. Ich hatte mir bei unserer ersten Begegnung geschworen ihn zu ignorieren und das er mich keineswegs interessierte. Ich wollte ihn nicht verstehen,ich wollte nicht ihn sehen. Nicht sein wahres ich.

Es war mir egal was er tat und wie er war,doch jetzt wollte ich ihn sehen,ich wollte sehen wie er wirklich war und ich wollte wissen wieso er so war. Ich wollte für ihn da sein,so wie er für mich da war. Ich wollte für ihn eine Freundin sein. Zander schloss zwar keine Freundschaften mit Mädchen wie ich es erfahren hatte,doch vielleicht konnte eine zwischen uns erstehen. Doch erstmal musste er mit seinen Stimmungsschwankungen zurecht kommen.

Ich legte mich ins Bett und zog die Decke ganz fest an mich heran. Ich trug immer noch das Oberteil von Zander. Mein ganzes Zimmer roch nach ihm. Ich sah ihn vor mir. Ich spürte förmlich jeder seiner Berührungen. Wie er mich im Arm hielt,mich an sich zog und mit mir eng umschlungen tanzte. An ihn zu denken brachte meine Inneren schreie zum verstummen. Er beruhigte mich ohne da zu sein,sein Duft ließ mich vergessen. Ich schloss die Augen und versuchte alles auszublenden und nur den Duft wahrzunehmen.

Between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt