08 - Schlag

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Mein Vater stand im Wohnzimmer.
Seine Hände aufgeschürft, sein Gesicht mit Kratzern übersät, seine Augen rot geädert und glasig.

Ich lief langsam die Treppen hinunter und blieb zwei Schritte vor ihm stehen.
Seine Alkoholfahne roch man selbst von dieser Entfernung aus. Er hatte Mühe aufrecht zu stehen.

,,Juli",trällerte er fröhlich.

,,Juli komm her"

Ich lief einen Schritt auf ihn zu.

,,Komm her" Er legte mir seinen Arm um die Schulter, er war ziemlich schwer, da mit dieser Geste sein gesamtes Gewicht auf mir lastete.

,,Jetzt sind nur noch du und ich übrig", nuschelte er.

,,Deine Mom hat uns verlassen." Bei dieser Bemerkung zuckte ich leicht zusammen.

,,Weißt du, deine Mom und ich hatten ein paar Schwierigkeiten, aber das sie uns im Stich lässt, hätte ich nicht von ihr gedacht. Es war ja schließlich ihre Schuld"

Ich konnte darauf nichts erwidern, ich starrte ihn nur an. Ich hatte Schwierigkeiten ihm zu folgen, denn er sprach so schnell, leise und undeutlich.

,,Weißt du, du warst schon immer mein Lieblingskind"

,,Ach wirklich?", fragte ich ironisch. Es war ja nicht schwer jemanden zu übertreffen, wenn man Einzelkind war.

,,Du bist so ein gutes Kind, dass hast du aufjedenfall nicht von deiner Mom geerbt"

Diese Aussage machte mich wütend, denn nur wegen ihm hatte Mom uns verlassen und das er jetzt so schlecht über sie sprach, ließ mich vergessen wer eigentlich vor mir stand.

,,Ach von dir etwa?", zischte ich ihn an.

,,Ich wusste immer das du nach mir kommst"

Ich ging nicht auf die Bemerkung ein, ich hatte keine Lust mit meinem betrunkenen Vater zu diskutieren. Ich packte ihn an der Hüfte und zog ihn neben mir her.

Er bewegte sich keinen Meter, sodass ich es nur mit aller Mühe schaffte ihn neben die Couch zu zerren.

,,Du siehst aus wie er", nuschelte er. Ich blieb stehen. ,,Was?"

,,Sie ist so eine schlechte Lügnerin. Ich sehe es doch, dein Gesicht, es ist dasselbe." Redete er von Mom? Wir hatten nämlich keinerlei Ähnlichkeiten.

,,Hmmmm"

,,Wieso hat sie uns nur verlassen? Wie konnte sie uns so etwas antun? Ich hätte sie verlassen sollen. Ich hätte es schon vor Jahren tun sollen, doch stattdessen tut sie es. "

,,Das fragst du jetzt nicht wirklich?" Ich fing hysterisch an zu lachen.

,,Sie hatte keinen Grund. Der einzige Grund ist sie gewesen. Ich hätte gehen sollen, nicht sie.", nuschelte er.

,,Sie hatte keinen Grund? Sie hatte mehr als 10 Gründe", schrie ich, dabei zuckte er zusammen.

,,Ich habe miterlebt wie du sie geschlagen hast. Du hast deine eigene Frau geschlagen und betrogen. Wäre ich sie gewesen, wäre ich schon viel früher abgehauen", schrie ich ihn an.

Er zuckte ein zweites Mal zusammen. Als er sich wieder im Griff hatte, schlug er mir mitten ins Gesicht. Der Schlag mit dieser Kraft kam so unerwartet und traf mich so hart, dass ich zwei Schritte zurück taumelte und gegen einen Schrank knallte.

Für einen Moment sah ich nur schwarz.
Alles drehte sich, mir blieb die Luft weg, und dann realisierte ich, dass er mich geschlagen hatte.

Between usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt