Der Geschichtenerzähler

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Grace:

Auf dem Bildschirm des Fernsehers vor mir hüpft Mario munter über die Feuerbälle in Bowsers Festung hinweg, während sich Luigi schon wieder in einer verdammten Luftblase befindet.

Missmutig drücke ich auf dem Controller von Tylers Wii herum, nur um festzustellen, dass mir auch das nicht dabei hilft meine Spielfigur aus der Nutzlosigkeit heraus zu befördern.

Tyler hat gewonnen. Schon wieder.

Ich seufze, während ich beobachte wie Mario seine eigene Flagge hisst, den Fahnenmast am Ende des Levels herunter rutscht, nur um dann anzuzeigen, dass ich erneut verloren habe. Tyler jubelt nicht einmal mehr, grinst mich jedoch so breit an, dass er fast schon Ähnlichkeit mit Dylan hat.

Wie gut, dass es lediglich sein kleiner Bruder ist, gegen den ich hier pausenlos verliere. Im Gegensatz zu Dylan ist Tyler nämlich in der Lage seine Kommentare für sich zu behalten.

„Du hast verloren", bemerkt Tyler trotzdem, als wäre das etwas Neues.

„Und du gewonnen." Ich bringe mich dazu beinahe aufmunternd zu lächeln. „Vielleicht solltest du dir einen besseren Gegner suchen."

Einen besseren Gegner, damit ich Dylan stattdessen mit Fragen löchern kann, wie das Gespräch mit seinem Vater gelaufen ist. - Denn wenn ich Eines weiß, dann ist es die Tatsache, dass sie endlich miteinander geredet haben.

Tyler hockt noch immer in seinem Ringelschlafanzug neben mir, die Beine zum Schneidersitz verdreht - denn anders, kann man das wohl kaum nennen - und starrt auf den Bildschirm, wobei seine Finger über den Controller in seiner Hand gleiten.

„Weißt du, was Dad und Dylan die ganze Zeit in der Küche getan haben?" Er sieht mich nicht an, aber da ich die einzige Person im Raum und ich mir sicher bin, dass er nicht mit dem Fernseher spricht, bin ich mehr oder weniger gezwungen ihm zu antworten.

„Ich weiß es nicht", antworte ich. „Jedenfalls nicht genau."

Es ist die Wahrheit, auch wenn ich am liebsten gelauscht hätte.

„Sie vertragen sich wieder", Tylers Worte klingen mehr wie eine Aussage, als wie eine Frage. „Dad und Dylan,vertragen sich wieder."

Ich schlucke, wobei ich nicht sagen kann, was ich davon halten soll. Er weiß es und das, obwohl Dylan vermutlich alles daran gesetzt hat, um Tyler und Allison daraus zu halten. Vielleicht ist er doch schon weiter, als ich anfangs gedacht habe. Schließlich...

„Tun sie." Ich zucke erschrocken zusammen, als ich Dylans Stimme plötzlich hinter mir höre. „Oder besser gesagt wir haben es bereits getan."

Er sieht ein wenig fertig aus. Fertig, aber glücklich, als wären alle Probleme der letzten Monate und Tage zumindest für diesen Abend verschwunden. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll und dennoch kann ich nicht anders, als mich ihm zumindest zuzuwenden, während er sich neben mich auf den Teppich hockt.

„Danke, Grace." Er lächelt.

„Gern geschehen", murmele ich fast schon zufrieden. „Da ist die Schulter, wo du drauf klopfen kannst."

Grinsend zeige ich auf meine Schulter, wissend, dass ich diejenige gewesen bin, die es geschafft hat wenigstens diesen Stress wieder gerade zu biegen. Vielleicht ist es doch ganz gut zumindest eine gute Tat als erfolgreich bezeichnen zu können, auch wenn das nicht bedeutet, dass ich in meiner letzten Woche noch zum Heiligen werde.

Dylan verdreht nur genervt die Augen, ehe er seinen Blick Richtung Bildschirm richtet.

„Hat er dich schon wieder abgezogen?" Er schmunzelt, als hätte er das bereits erwartet, was meine Vermutung, dass es besser war gegen Tyler zu zocken, bestätigt.

Auf das, was warWhere stories live. Discover now