Wendepunkte

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Dylan:

Die Tür hinter ihm schließt sich mit einem leisen Klicken, als würde er es geradezu darauf anlegen, dass dieses Gespräch unter vier Augen bleibt.

Ich versuche Dad nur halb so auffällig zu beobachten, während er sich zu mir an den Küchentisch setzt.

Mir fällt auf, dass Grace nicht hier ist, aber das habe ich auch ehrlich gesagt nicht erwartet. Sie ist diejenige, die mir dieses Gespräch eingebrockt hat und ich weiß noch immer nicht, ob ich ihr dafür dankbar sein soll. - Und dennoch stelle ich mir vor, dass sie hier ist. Dass sie zu allem und jedem ihre Kommentare abgibt, die die meiste Zeit zwischen Sarkasmus und Spott variieren.

Meine Gedanken schweifen zu den Geschehnissen in der Umkleidekabine ab. Grace, nur wenige Zentimeter von mir entfernt, ihr Lachen, das ihre Grübchen zeigt, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. - Und ihre geringelten Socken, die zwar überhaupt nicht zum Kleid, allerdings zu ihr gepasst haben.

Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn wir uns nicht inmitten der Umkleideräume eines Klamottengeschäfts befunden hätten, aber der Gedanke war da. Der Gedanke sie an mich zu ziehen und sie einfach zu küssen.

Vielleicht hätte ich genau das tun sollen als sie vor mir stand, wild gestikulierend und sich über Dinge aufregend, die sie mir einmal mehr zur Hälfte verschwiegen hat. Denn sie hat Recht: Ich versuche alles, um sie zum Lachen zu bringen.

Ich merke, wie Dads Blick auf mir ruht und bringe mich schließlich dazu ihn ebenfalls anzustarren. Irgendwo hinter mir tickt die Küchenuhr in regelmäßigen Abständen und aus dem Nebenzimmer sind die Geräusche von Tylers Wii zu hören.

„Also...", Dad räuspert sich, als wäre es ihm genauso unangenehm hier zu sitzen wie mir und also wüsste es gleichzeitig, dass es notwendig ist.

„Du hast mit Grace geredet." Meine Worte durchbrechen die Stille zwischen uns, während ich fast schon unruhig mit meinem Fuß auf tippe.

Eins, zwei, drei, vier. Eins, zwei, drei, vier...

Vielleicht ist es an der Zeit den Rhythmus zu variieren. Ginger hätte jedenfalls schon die Augen verdreht, aber sie ist auch der Grund, weshalb ich überhaupt hier sitze. Ich kann immer noch nicht fassen, dass sie wirklich mit Dad darüber diskutiert hat und dennoch weiß ich, dass es mich eigentlich nicht wundern sollte.

„Ehrlich gesagt hat Grace eher mit mir geredet."

Und da wäre dann auch schon die Bestätigung.

„Und?" Ich mustere Dad, warte auf seine Reaktion, denn ehrlich gesagt kenne ich bisher nur Graces Sichtweise von allem, was die beiden jemals besprochen haben.

„Warum hast du es damals getan?" Mein Fuß tippt ein letztes Mal auf den Fußboden, was wahrscheinlich auch an Dads scheinbar ernst gemeinten Frage liegt, die mich ihn jedoch nur ungläubig anstarren lässt.

„Du meinst, weshalb ich bei unserem Vermieter eingebrochen bin?", korrigieren ich Dad. Ich kann nicht fassen, dass er mich das gerade wirklich gefragt hat. „Ganz sicher nicht mit dem Hintergedanken seine Wohnung abzufackeln."

Dad lächelt, auch wenn ich nicht weiß, was ich davon halten soll. „Ich weiß."

Die Enttäuschung in seinen Augen ist kaum noch sichtbar und trotzdem spiele ich darauf an den Grund laut auszusprechen, der uns beide dazu gebracht hat in den letzten Monaten keine Möglichkeit auszulassen uns dem Weg zu gehen und nur die nötigsten Worte miteinander zu wechseln.

„Dann weißt du ja auch, dass ich eigentlich nur sein Geld stehlen und ein paar Rechnungen vernichten wollte, was vermutlich auch ausgereicht hat, um mich für den Rest meines Lebens für die größte Enttäuschung dieser Familie zu halten." Meine Worte klingen spöttischer als beabsichtigt und ich zwinge mich dazu Dads Blick standzuhalten.

Auf das, was warWhere stories live. Discover now