Gejagt

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Nach ein zwei Wochen war ich endlich draußen.
Angeblich hatten sie nichts, um mich noch weiter festhalten zu können und mussten mich gehen lassen.
Ein Mann vom Gefängnis stand mit mir vor dem Gefängnis und wartete mit mir irgendeinen Sozialarbeiter. Der sollte mich in ein Heim bringen und dort sollte ich bleiben, bis ich 18 Jahre alt war. (Das gehörte zu dem Plan, den die sich ausgedacht hatten, damit alles glaubhaft wirkte).
Ich weiß nicht, was die sich vorstellten, aber ich würde nicht warten, bis die Diebe mich fanden, Joost und mich auch noch klauten und vielleicht sogar umbrachten. Ich würde uns in Sicherheit bringen. Wenn ich die Polizei und die Diebe gegeneinander ausgespielt hatte.
Nur den Peilsender, den ich in meinem Handgelenk unter der Haut trug musste ich dann loswerden. Auch würde nicht als Zeuge, wie es abgemacht war, aussagen.

Vielleicht stimmte es, dass meine Eltern nicht schlau genug gewesen waren ihnen zu entkommen, aber das musste für mich nicht genauso sein.
Es kam ein Geländewagen vorgefahren und heraus stieg ein nett aussehender Mann. Er kam auf mich zu und schüttelte mir die Hand „Hallo, du musst Finn sein. Kommissar Maltens hat mir schon von dir erzählt."
„Na dann kennen sie mich ja schon bestens" antwortete ich trocken.
„Ich bin Martin und werde in Zukunft dein Betreuer sein. Schön dich kennenzulernen"
Ich riss mich zusammen und antwortete lächelnd „Ich bin Luke. Wissen Sie zwar schon, aber ich finde, wir sollten von vorne anfangen"
Sofort war ich dem Mann Sympathisch und er lächelte mir zu.
Martin zeigte kurz seine Personalien und ich konnte mit ihm mitgehen. Ich setzte mich neben ihn auf den Beifahrersitz und wir fuhren los.

Die Landschaft wurde mit der Zeit öder, die Straßen waren weniger belebt und einsamer. Er versuchte mehrmals ein Gespräch mit mir anzufangen, doch ich schwieg nur. Da ich sowieso nicht lange blieb, musste ich ihm ja nicht die Sachen über mich erzählen, die er schon aus meinen Akten kannte. Als er mich wieder ansprach lag etwas in seiner Stimme, was mich schon direkt beim ersten Ton aufhorchen ließ. „Ich find nicht, dass man dumm ist, wenn man sich von der Polizei fangen lässt" In Gedanken beendete ich den Satz anders „gerade, wenn man auf der Flucht ist und eine Sichere Unterkunft braucht"
Verdammt. Die hatten mich schneller gefunden, als ich gedacht hatte. Ich musste diesen Wagen sofort verlassen, die würden mich sonst Umbringen! Innerlich arbeitete min Kopf auf Hochtouren, während ich Körperlich ganz gemütlich im Sitz hing.
Unauffällig guckte ich auf die Tür - verriegelt! Ich hätte es merken müssen! Das Auto fuhr mit gut 80 Km/h über die Straße. Eine Scheibe einschlagen und rausspringen ging also nicht, außerdem hatte er bestimmt eine Waffe dabei und würde auf mich schießen. Ich musste ihn Ausschalten bevor er reagieren konnte.
Ohne Vorwarnung holte ich aus und rammte den Fahrer meine Faust ins Gesicht. Der schnappt nach Luft und ich schlug, bevor er sich wehren konnte noch mal zu. Martin, oder wie auch immer er hieß, verlor kurz das Bewusstsein und der Wagen fing gefährlich an zu schlenkern. Mit einer Hand hielt ich das Lenkrad fest, während ich mit der anderen sein Bein so drückte, dass es auf die Bremse betätigte.
Der Wagen hielt abrupt an und wir wurden in die Anschnallen geschleudert. Mit einem kurzen Blick auf den Mann trat ich die Scheibe ein und zwängte mich durch die Öffnung nach draußen. Er wachte stöhnend auf und blickte sich um als er mich auch schon entdeckte. Martin lachte heiser und befühlte seine Schläfe. Mit Schmerzverzehrtem Gesicht sagte er heiser „Jetzt kommt du vielleicht davon, aber wir werden" Er spuckte etwas Blut aus „dich kriegen, dich und deinen Bruder" Ich warf ihm einen abfälligen Blick zu. Seine Waffe würde ich trotzdem nicht an mich nehmen. Verla hatte mir beigebracht, nie die Waffe eines anderen anzunehmen. Ich fing an, in die Gegenrichtung zu joggen, wenn ein Auto kam, würde ich es anhalten.
Nachdem ich bestimmt fünf Minuten gejoggt war, näherte sich mit von hinter mir ein Auto. Ich blieb stehen und schaute es prüfend an. Wie lange es dauern würde, bis die merkten, was passiert war wusste ich nicht. In dem Auto saß eine junge Frau, Studentenalter. Ich stufte sie in nicht gefährlich ein. Als ich auf die Straße trat, um sie anzuhalten lief mir eine Gänsehaut den Rücken runter. Das hier war mein Element, meine Art zu leben. Bedauerlicherweise nun ohne die Diebe.
Das Auto hielt an und die junge Frau machte ein Fenster runter. „Sag mal bist du noch ganz richtig, dich mitten auf die Straße zu stellen!"
„Sorry, ich wollte sie nicht erschrecken, aber das macht man auf dem Land halt so" entschuldigend zuckte ich mit den Schultern. „Sagen sie, können sie mich ein Stück mitnehmen?" Ich wartete nicht auf die Antwort, öffnete die Türe und setzte mich auf den Beifahrersitz. „Na gut" erwiderte sie unnötigerweise. „Bis wohin denn?" „Bis zum nächsten Bahnhof"
Sie brachte mich dorthin und ich stieg in die nächste Bahn, die kam, ein. Mir war es egal, in welche Richtung, nur weg von hier! Ich hatte Glück und landete in der nächst größeren Stadt. Von dort aus stieg ich so um, dass ich nach Köln zurückkam. Dort kannte ich mich aus und tauchte in den Straßen unter.


Erschöpft ließ ich mich an der Wand hinuntergleiten. Eine Straßenlaterne erhellte den Hinterhof, in dem ich saß. Es war der eines Supermarktes. Aus der Mülltonne hatte ich mir Essen gefischt. Viele Leute wussten nicht, dass viele Supermärkte Nahrungsmittel mit winzigen Mängeln einfach wegwarfen. So hatte ich mir eine Banane genommen, die schon einige braune Stellen hatte. Innen war sie noch total in Ordnung und ich genoss sie, bevor ich mich schlafen legte. Der Boden war hart und unbequem, doch hier war ich erst mal sicher.

Irgendwie musste ich meinen Bruder finden und mit ihm abhauen. Am besten war es, wenn ich ihn in der Schule abfing.
Am nächsten Tag ging ich in die Stadtbibliothek und recherchierte nach umliegenden Schulen. Zum Glück gab es nur eine in der Nähe, auf die er gehen würde und ich machte mich sofort auf, um noch vor Schulschluss da zu sein.

Ich näherte mich dem Gebäude von hinten, im Schutz von einigen Büschen. Dort wartete ich, bis die Mittagspause beginnen würde. Als sich der Schulhof schließlich gut gefüllt hatte, verließ ich meine Deckung und schloss mich unauffällig einer Gruppe Jungen in meinem Alter an. „Hey, was willst du hier" sprach mich einer der fünf an. „Ich habe Scheiße gebaut und nun sucht mich einer der Lehrer. Wäre Cool, wenn ihr mir grad helft, unauffällig zum Schulgebäude zu kommen" ich wusste, dass die meisten Jungs in diesem Alter so etwas cool fanden und mir helfen würden. „Klar alter, komm einfach mit" ich folgte ihnen bis ins Gebäude, bedankte mich und ging weiter. Das hatte ich schon geschafft. Nun wartete ich, in der Hoffnung, Joos würde vorbeikommen. Geschillt lehnte ich mich an eine Wand. Diese Wand war sorgfältig ausgesucht. Niemand konnte von außen auf die Wand blicken und man konnte den Platz unauffällig verlassen. Mir half das Glück wieder. Nach schon einigen Minuten kam Joos vorbei. Es zog mit einer Gruppe anderer Kinder in seinem alter durch die Schule und unterhielt sich mit ihnen. „He Joos" er blickte sich erstaunt um, dann erblickte er mich. Erfreut kam er auf mich zu, die anderen folgten ihm zögernd. „Schön dich zu sehen kleiner" ich lächelte ihm zu „Dich auch" antwortete er freudestrahlend. „Ihr" ich blickte auf die anderen „Könnt gehen" schnell zogen sie ab „Was machst du denn hier? Seit du vor einem Jahr abgehauen bist, habe ich nichts mehr von dir gehört. Ich dachte, du seist für immer weg" „Joos, ich wäre niemals ohne dich weggegangen, niemals" nachdenklich blickte er mir an „Warum bist du gekommen? Ich möchte nicht mehr zu den Dieben" „Musst du auch nicht, hör zu" ich hockte mich ein bisschen, um auf seiner Augenhöhe zu sein „Wir haben ein Problem. Ich will ehrlich sein, aber bedenke, die Wahrheit tut manchmal ganz schön weh." Ich machte eine Pause und Joos nickte mir zu „Die Diebe haben unsere Eltern umgebracht, ich habe das herausgefunden und jetzt wollen die uns umbringen. Vermutlich beobachten die dich. Ich konnte ihnen gestern, als ich entlassen wurde, entkommen, naja, ich wurde nicht direkt entlassen. Ich helfe der Polizei, die Diebe zu finden, damit sie sie verhaften können Ich meine das ernst, okay. Du darfst nach der Schule das Gebäude nicht verlassen und musst die Polizei rufen. Ich komme dich dann irgendwann, wenn ich sicher bin holen. Hast du verstanden?" Joos guckte mich sprachlos an. Nach einer Weile sagte er „Stimmt das Luke, stimmt das wirklich?"
„ja Joos, das stimmt"
„Warum, Luke?"
„Wir haben keine Zeit, ich habe keine Zeit. Die werden mich finden. Du musst in Sicherheit sein." Ich machte wieder eine Pause „Ich weiß, dass hier und jetzt der falsche Zeitpunkt ist, aber was soll ich machen, ich will schließlich ehrlich zu dir sein."
„Ja. Was soll ich denn machen?" fragte er tonlos.
„Nach der Schule wirst du die Polizei anrufen, dann nennst du meinen Namen und sagst dass du verfolgt wirst. Ich werde mittlerweile sicherlich auch von der Polizei gesucht (das GPS erwähnte ich nicht), weil ich nicht in einem bescheuerten Heim angekommen bin (und der Betreuer verschwunden war und sehr wahrscheinlich gegen einen Dieb ausgetauscht worden war) Sag denen, wenn du da bist, dass du Kommissar Maltens sprechen möchtest. Sag ihm, dass du die Wahrheit kennst. Falls die Diebe mich kriegen und dich gegen mich eintauschen wollen, wollen sie natürlich nicht, dass du die Wahrheit kennst. Wenn sie Bescheid wissen, wollen die auch dich und nicht nur mich umbringen. So kannst du in gewisser Weise für meinen Schutz sorgen"
„Das verstehe ich nicht"
„Doch, denk drüber nach, dann wirst du es auch verstehen"
„Warum bleibst du nicht auch einfach?"
„Ich will helfen, dass die Diebe geschnappt werden. Nur so können wir in Sicherheit leben. Und das willst du doch"
„Ja, das will ich. Ich werde dich doch wiedersehen oder?" traurig guckte er mich an. Ich umarmte ihn und drückte meinen kleinen Bruder feste an mich. „Hoffentlich" Er löste sich aus der Umarmung und schaute mich an. Ich strich ihm tröstend durch die Haare „ Hey, nicht traurig sein. Du bist doch schlau oder? Setzte deinen Verstand ein."
„Ja, ich bin Klassenbester und muss noch nicht mal viel dafür lernen"
„Siehst du, außerdem habe ich einen Plan" Aufmunternd nickte ich ihm zu. Kurz wuschelte ich ihm durch die Haare dann wandte ich mich ab und ging. Joos blieb stehen und blickte mir nach. Ich konnte seine Blicke deutlich auf meinem Rücken spüren.
Vorsichtig schlich ich mich aus der Schule und ging zurück zum Bahnhof. Ich wusste, dass sie mich nicht in der Schule gesehen hatten, wohl aber am Bahnhof, wie ich jetzt merkte.
Es war die letzte Straße vor dem Bahnhof. Ich konnte ihn nicht kommen hören, weil er um eine Ecke kam. Dann war er schon neben mir. Die Scheibe des unauffällig silbernen Wagens wurde elektrisch runtergelassen und sofort schaute ich in den Lauf einer geladenen Pistole.


DiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt