Ich gegen die eigene Organisation

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Es war die Zeit der großen Sommerstürme und auch wir bekamen einen Hurrikan zu spüren. Während dieser Zeit überlegte ich mir, wie ich bei den Dieben einbrechen konnte, denn ich wusste, wo das HQ lag. Es war kein Zufall gewesen, dass ich ausgerechnet nach hier gereist war, denn es lag nicht zu weit weg, aber auch nicht zu nah von meinem jetzigen "Zuhause" entfernt.
Der Hurrikan deckte das komplette Dach der Lagerhalle ab und war kurz davor, die Autos zu zerstören. Doch wir hatten Glück und wurden einigermaßen verschont. Schnell reparierten wir es wieder und konnten weiter unserem Handwerk nachgehen.
Ich hatte einen Entschluss gefasst und mir einen riskanten Plan überlegt, denn ich wollte nicht länger warten. Ich wollte jetzt bald an die Informationen über meine Vergangenheit kommen. Um Joos machte ich mir, solange ich in Amerika war, keine Sorgen. Nur sobald ich wieder zurück war, könnten sie versuchen, ihn als Druckmittel zu benutzen. Aber auch das hatte ich alles in meinem Plan mitberechnet, wie ein guter Schachspieler – der plante seinen nächsten Zug und mindestens 13 weitere voraus. So machte ich mich eines Morgens auf den Weg dorthin.
Ohne meinem Chef und Lukas etwas zu verraten verabschiedete ich mich von ihnen, mit dem Versprechen, in einer Woche wieder da zu sein. Ich joggte mit meiner mittlerweise sehr guten Kondition zum nächsten Bahnhof und stieg in die entsprechende Bahn. Es war eine langweilige Fahrt und ich überlegte mir mehrmals, ob ich wirklich in ein solches Gebäude einbrechen konnte. Von außen, dass wusste ich, sah das Haus normal aus. Aber der Großteil lag unterirdisch und war Kameraüberwacht. Dazu kam man ohne Kontrolle nicht da rein und sonst wussten die, dass ich da war. Ich hatte mir eine Taktik überlegt, wie ich da rein kommen konnte. Dabei setzte ich auf meine Hintergrundinfos und anderes Insiderwissen. Ich kannte den Gebäudeplan und wusste, wo ich meine Informationen herbekommen konnte. Sie waren in einem Raum, in dem ein Computer stand. Dort war von jedem Dieb ein persönliches Profil erstellt worden. Von mir auch. Leider war ich mir nicht sicher, ob auch verschwundene oder Tote da aufgelistet waren, aber wenn ich hier nichts fand, musste ich nach Frankreich zu Gill. Der wusste auf jeden Fall irgendetwas zu meinen Eltern. Mein Plan war, das Gebäude mindestens eine Woche lang zu beobachten und zu schauen, wer dort rein und raus ging. Danach würde ich den Ausweis von irgendjemandem klauen und mich bis in den Raum mogeln. Zwar würden die dann wissen, dass ich da gewesen war, aber ich hatte vielleicht meine Informationen, oder mehr Infos über Gill gefunden. Ich hatte eine leise Vorahnung, eigentlich glaub ich wusste ich zu diesem Zeitpunkt schon, was geschehen war, ich wollte mir aber sicher sein. Das Problem mit Wissen ist, dass es gefährlich ist. Wenn es so war, wie ich glaubte: meine Eltern wollten abtauchen, wurden erwicht und, weil sie nicht mehr für die Diebe arbeiten wollten und somit ein Sicherheitsrisiko darstellten, erschossen. Dann war es klar, dass niemand es je erwähnte hatte und es nicht vorgesehen war, dass ich es je erfuhr. Klar, Verla und ich hatten nie darüber geredet, dass es so eine Möglichkeit gab, aber es war schon komisch, dass wir beide kurz nachdem sie verschwanden irgendwo in einem Waldstück gefunden worden waren. Leider fehlte mir von diesem Zeitpunkt meine Erinnerung. Zu diesem Zeitpunkt waren wir beide schon von ihnen als vermisst gemeldet, die Polizei suchte daraufhin nach uns. Meine Eltern haben sie trotzdem nie gefunden. Nicht die kleinste Spur. Je länger ich bei den Dieben war, desto mehr dachte ich daran. Nicht die kleinste Spur. Gerade bei den Dieben war mir beigebracht worden, ohne Spuren zu arbeiten, ohne die noch so kleinste Spur.
Das brachte mich auf die Diebe, auf meine eigene Organisation! Mir kam es merkwürdig vor, außerdem wurden mein Bruder und ich häufig kontrolliert. Ich ließ es mir nie anmerken, wenn ich in mein Zimmer kam und genau merkte, dass etwas nicht genauso lag wie vorher. Dazu kam das Gespräch von Gill und Verla.
Der Zug hielt mit einem Ruck, wahrscheinlich ein Rotes Signal, denn es ging nach einigen Minuten weiter.
Die Frage war, was sollte ich machen, wenn ich es wusste, was damals passierte. Die Diebe würden meine Spur wiederhaben, wissen, dass ich es wusste und mich nicht wieder verlieren. Die andere Frage war, was sie mit mir machen wollten, wenn sie mich bekamen. Aber viel entscheidender war, was ich machen wollte. Ich war intelligent, bestimmt konnte ich es schaffen mich mindestens eine Zeitlang vor ihnen zu verstecken, aber wollte ich das wirklich? Eigentlich gefiel mir das Leben als Dieb, als kühler, unberechenbarer Verbrecher. Konnte ich mit dieser Information leben und trotzdem weiterhin ein Verbrecher sein? Ich meine, wenn ich die Informationen hatte, ginge es danach überhaupt noch? Ich spielte nicht gerne auf Risiko, aber in diesem Fall war es nicht anders möglich.

Nach zwei Stunden war ich endlich da. Der Zug hielt und ich stieg aus. Ein übersichtlicher Bahnhof. Offensichtlich war er neu gestaltet, denn er war modern und besaß noch keine Graffiti schmierereinen und war sauber. Es dauerte keine 15 Minuten, bis ich vor dem Gebäude stand.
Ich blieb ungefähr 100 Meter vor dem Haus stehen. Es war früher Abend und ich konnte mich gut an der Hauswand verstecken. Dank der Dämmerung fiel ich hier nicht auf, in den nächsten Tagen musste ich bleiben und den Ausgang beobachten.
Es waren lange Tage, es war heiß und ich musste mir immer wieder trinken stehlen, um meinen Durst zu löschen. Aber das Schlafen auf harten Untergründen und bei Regen draußen zu sein zahlte sich aus. Es kam immer wieder ein Mann aus dem Gebäude- Ich vermutete, dass er einen hohen Rang hatte, weil die anderen Personen, die auch dort waren, ihm schon mal aus dem Weg gingen oder Platz machten. Es gab auch hier junge Diebe und ich beobachtete, wie sie ihm, wenn sie ihm begegneten, die Tür aufhielten. Ein Mann mit Macht hatte bestimmt eine Karte, mit der man in viele Bereiche kam. Im Gegensatz zu unserem Quartier kam man hier nur mit einer Karte rein. Je höher der Rang, desto mehr Räume konnte man betreten. Außerdem war das eine Firma. Viel Firmen hatten eine Kartentechnik, da fiel es hier nicht weiter auf. In diesem Gebäude waren viele wichtige Daten über die Diebe, es war kein Wunder, das das Gebäude gut gesichert war.
Der Mann trug seine Karte immer in der Brusttasche. Es war nicht unbedingt einfach daran zu kommen, aber man konnte es schaffen. Ich gabelte mir mehrere Fußballspielende Kinder aus der Umgebung und gab ihnen Geld. „Davon bekommt ihr mehr, wenn ihr Morgen um diese Uhrzeit hier auftaucht" einer der Kinder fragte misstrauisch „Warum willst du uns Geld geben?" „ Ich erwarte eine kleine Dienstleistung, nichts Schwieriges oder gefährliches, okay?" Der Junge nickte und hielt mir seine Hand hin. Ich schlug ein. Dann verschwanden die Kinder wieder. Ich wollte diese Nummer durchziehen, mir war es egal, wie kompliziert es werden würde!
Am nächsten morgen waren die Kinder pünktlich da. „Unser Geld?" fragte der eine Junge, er schien der Anführer zu sein. „Das gebe ich euch, wenn ihr den Auftrag erledigt habt. Passt auf, ich erkläre euch jetzt, was ihr machen sollt" Sie hörten sich meine Erklärung an und schienen zufrieden. Bis zum Mittag warteten wir zusammen, dann fing alles an.

Der Mann kam aus dem Gebäude. Er wartete auf sein Auto, zwei der Kinder hatten es aufgehalten. Die anderen rannten spielend zu dem Mann und fragten irgendetwas. Der machte ein genervtes Gesicht. Ich ging zu ihm. „Entschuldigen Sie bitte" in diesem Moment wurde ich an ihn gerempelt, fischte die Karte aus seiner Tasche und ließ sie in meinen Ärmel gleiten. „Die Spielen nur. Kommt mit, es gibt sowieso gleich essen. Wir haben nämlich eine Geburtstagsparty müssen sie wissen." Der Mann nickte desinteressiert und strich sich seinen Anzug wieder glatt. Wir verschwanden und im gleichen Augenblick tauchte der Wagen auf. Der Mann stieg ein und der Wagen fuhr weg. Ich bezahlte die Kinder, die daraufhin abzogen. Der Mann war alleine gewesen, deshalb würde es keinem komisch vorkommen, wenn ich wieder auftauchte. Ich schritt über die Einfahrt und ging in das Gebäude. Niemand beachtete mich. Zielstrebig ging ich zum Aufzug. Als ich einstieg und die Kellertaste betätigt hatte, ging ich noch mal den Weg durch. Unten im Flur orientierte ich mich kurz und ging nach links. Meine Schritte hallten leicht in dem leeren Gang wieder. Er war in Grautönen gehalten und ungemütlich. Neonlichter erhellten mir den Weg, während ich zügig zu meinem Ziel schritt. Als ich ihn erreichte atmete ich durch. Hoffentlich konnte ich hier meine Antwort finden. Ich zog die Karte durch den Schlitz. Nichts passierte. Ich probierte es noch mal, es musste klappen und tatsächlich! Es leuchtete eine kleine grüne Lampe auf, dann sprang die Tür mit einem leisen Surren auf. Schnell betrat ich den Raum und verschloss die Tür. Vor mir stand ein einfacher Laptop auf einem schlichten Tisch. Der Raum wurde nur schwach von einer Lampe beleuchtet. Ich streifte mir Handschuhe über und schaltete den Computer an. Nachdem er kurz hochgefahren war setzte ich mich dran und wartete auf das Passwort. Ich hatte gelernt nie nervös zu werden und auch jetzt war ich es nicht, dennoch, war ich ein bisschen aufgeregt. Als das Feld erschied schob ich die geklaute Karte durch einen Schlitz an der Seite. Ich erreichte den Startbildschirm und öffnete den einzigen vorhandenen Ordner. Er war eine einfach aufgebaute Datei. Die Namen fingen bei A an und endeten irgendwo, wahrscheinlich bei Z. Ohne Zeit zu verlieren gab ich in einer Suchzeile meinen Namen ein. Es erschienen zwei Lukes. Ich klickte einen der Namen an, es war mein Profil. Schnell Scannte ich es. Ganz unten stand noch, dass ich verschwunden war und" Code 24", „Gut so" dachte ich, auch wenn nicht wusste, was Code 24 bedeutete" Ich klickte zurück. Dann gab ich den Namen meiner Eltern ein. Neben Geburtsdatum und Decknamen stand da nur noch „entsorgt" Schnell ging ich wieder zurück und schloss die Dateien. Im Verlauf löschte ich die Schritte wieder. Das würde es schwieriger machen zurückzuverfolgen, dass ich das gesucht hatte. Dass ich da war, würden die ziemlich schnell merken. Ich schaltete den Laptop aus und verließ den Raum. Tausende Gedanken schwirrten mir durch den Kopf als ich das Gebäude wieder verließ. Die Karte ließ ich an exakt der Stelle fallen, an der der Mann vorhin noch gestanden hatte. Zuerst ging ich langsam zu Bahnhof, doch dann fing ich an zu Joggen und schließlich zu rennen. Ich versuchte meinen Frust, meine Wut und meinen Schmerz loszuwerden.
Am Bahnhof war ich außer Atem und meine Hilflosigkeit immer noch nicht los. Niedergeschlagen stieg ich in den Zug zurück zur Werkstatt und setzte mich hin. „Entsorgt" das Wort hämmerte sich Tief in mich hinein. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte. Die Fahrt dauerte 30 Minuten, doch nach schon zehn hatte ich meinen Entschluss gefasst. Bei den Dieben wollte ich nicht bleiben! Auch ich war abgehauen, ich hatte wichtige Informationen und war wieder abgehauen. Außerdem wollte ich nicht mehr mit solchen Verbrechern zusammenarbeiten! Ich würde fliehen und musste es besser als meine Eltern machen, sonst würde ich auch einfach „Entsorgt" werden. Ich schüttelte das Wort aus meinem Kopf und anschließend aus meinem Wortschatz. Die ganze Fahrt über überlegte ich, was ich machen konnte und nach und nach entstand ein Plan, er ergänzte die Bruchstücke, die von meinem ersten Plan übrig geblieben waren, denn der hatte zwei Optionen gehabt, aber die andere gab es nicht mehr, ich hatte meinen Entschluss gefasst! Jetzt kam es nur noch darauf an, wie schnell die mich fanden.


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