Amerika

214 9 0
                                    

Ich saß in der Bahn zum Flughafen. In Köln war ich umgestiegen und hatte nur noch 10 Minuten Fahrt vor mir. Die ersten Straßenlaternen gingen an als ich aus dem Fenster schaute. Klar, im Winter wurde es immer früher dunkel, aber es hatte etwas Einschläferndes und Erdrückendes an sich. Die Fahrt hatte mir auch nicht gut getan, ich hatte Schüttelfrost und leichtes Fieber. Immer wieder döste ich ein und ich musste mich zusammenreißen, um nicht in einen unruhigen Schlaf zu fallen
Am Flughafen stieg ich aus und ging direkt in die Tiefgarage, ich war diesen Weg schon so oft gegangen, er gehörte einfach immer dazu, wenn ich reiste. Diesmal wartete Leo schon auf mich. „Hi, haben uns ja lange nicht mehr gesehen" ohne Lust, auf seinen Smalltalk (ich hasste Smalltalk sowieso, da ich mich nie gerne mit belanglosen Sachen aufhielt) einzugehen, antwortete ich erschöpft „Mache auf gar keinen Fall mehr Geschäfte mit uns, zumindest nicht in nächster Zeit!" Er schaute mich erschrocken an „Warum?" „Als ich vorhin aus der Schule kam, wimmelte es vor unsrem HQ nur so von Polizei. Ich habe gesehen, wie Verla, Chris und Falk abgeführt wurden. Ich habe echt keinen Plan, was passiert ist. Um ehrlich zu sein, will ich es auch gar nicht wissen. Was glaubst du denn, warum ich so plötzlich ein Ticket brauche?" „Keine Ahnung, solche Überlegungen gehören nicht zu meinem Beruf. Warum bist du eigentlich entkommen?" misstrauisch beäugte er mich, doch ich zuckte nur mit den Schultern „Weil ich schlau bin, ne Spaß, ich schätze mal, ich hatte Glück. Aber wenn du mir nicht traust, prüf es selber nach, ich wollte dich nur gewarnt haben" Ich nahm das Ticket, kramte im meinem Rucksack nach dem Geld und gab es ihm. „Ich schätze, dann sind wir quitt, mach's gut" Ohne ein weiteres Wort drehte ich mich um und ging. Als ich schon ein gutes Stück weg war. rief er mir noch mal hinterher „Viel Glück, Luke" Ich hob die Hand zum Gruß und ging schnellstmöglich zum Schalter. Leo wusste ganz sicher, dass ich nicht vorhatte, wieder zu kommen. Aber Leo war nur ein Mittel zum Zweck gewesen – immer, warum sollte ich ihm hinterher trauern? Er war Vergangenheit.
Müde passierte ich die Sicherheitskontrolle. Mein Pass schien wie immer in Ordnung zu sein und ich ging zu meinem Terminal. Die Leute um mich herum ignorierte ich mit eisiger Miene. Lediglich die Notausgänge und evtl. Gefährliche Personen speicherte ich mir mit einer kleinen Notiz ab. Doch es passierte nichts und als mein Flug ausgerufen wurde, begab ich mich zur Schlange.
Im Flugzeug ließ ich mich auf meinen Sitz fallen und schloss erschöpft die Augen. Ich glaubte nicht, dass die direkt an einem Flughafen nach einem 15 Jährigen suchen würden, wahrscheinlicher wäre es, dass ich mich in der Nähe vom HQ versteckt hielt. Das hieß, dass ich bestimmt einen Monat oder noch mehr Vorsprung hatte. Genug Zeit, um unterzutauchen, oder die Diebe in Amerika zu finden. Das musste ich mir aber noch überlegen, denn es könnte sein, dass die Diebe den Ermittlern in den USA auch schon ins Visier gefallen waren. Mir fiel der Mann ein, der mir vor gut einem Jahr in unserer Einfahrt entgegengekommen war.
Das große Flugzeug rollte auf die Startbahn und beschleunigte.
Vielleicht hatte er uns verraten, vielleicht auch nicht...Es gab folgende Regel: Wenn du jemanden zum ersten Mal siehst, bedeutet das meistens nichts. Wenn du sie aber zum zweiten Mal siehst, ist nur noch vielleicht ein Zufall. Beim dritten Mal aber, kannst du dir sicher sein, dass etwas nicht stimmt. Zumindest in dem Kontext meiner Lebenssituation. Den Mann hatte ich nach dieser Situation nie wieder gesehen, warum ich das wusste...ich vergaß Personen nie, wenn ich sie einmal gesehen hatte!
Wir wurden immer schneller und der Flieger erhob sich in die Luft.
Ich würde selbstständig werden. Das Risiko erwischt zu werden war dadurch zwar größer, auf der anderen Seite konnte man aber nicht verraten werden. Ich hatte noch zehn Stunden Flug vor mir und mir ging es nicht gerade besser. Nachdem ich etwas geschlafen hatte, vielleicht.
Als das Flugzeug landete hatte ich stechende Kopfschmerzen. Zwar hatte ich kaum noch Fieber, aber mir ging es trotzdem dreckig. Ich ging die Treppe zur Landebahn runter. Es war früher morgen und die Sonne schien. Vor kaum einem Tag hatte ich mir noch Lilys nerviges Geplapper anhören müssen. Obwohl die Sonne schon anfing die Erde aufzuwärmen, zog mir ein scharfer Wind um die Ohren. Dank meines kleinen Handgepäcks musste ich nicht auf einen Koffer warten und ging direkt zum Ausgang. Mein Visum war in Ordnung und ich wurde nicht vom Zoll aufgehalten, ich denke, dass lag auch an meinem Alter. Ich zog meine Winterjacke enger um mich. Erst mal brauchte ich einen Ort, um mich auszuruhen. Der Flughafen lag am Rande einer Stadt, so musste ich nicht lange laufen, um ins Zentrum zu kommen. Auf dem Wochenmarkt gab es genug Stände mit Essen. An einigen ließ ich unauffällig etwas mitgehen. Doch die lauten Geräusche machten mich unruhig und ich blieb nur kurz dort. Ich war gut im Taschendiebstahl, denn das war das erste, was man bei den Dieben lernte. Ich zog mich in eine Seitenstraße zurück und begann zu essen. Als ich mich auf die Suche nach einen Schlafplatz machte, überlegte ich, was ich weiter machen sollte. Ich brauchte Geld und ein paar gute Kontakte. In jeder Stadt gab es verlassene Häuser und die musste ich jetzt finden. Ich lief bis mittags, dann stand ich vor einem alten Parkhaus. Das war zwar nicht das Beste, aber besser als nichts. Ich ging bis ganz oben, suchte mir eine Windgeschützte Ecke und schlief ein.
Als ich aufwachte waren die Kopfschmerzen weg. Es war schon später Abend. Ich blieb noch etwas liegen und guckte in den Himmel. Hoffentlich kam ich dank meines Geschicks über die Runden. Als ich der Stille lauschte vernahm ich unter mir leise Stimmen. Ich stand auf und sofort zog wieder ein scharfer Wind um mich. Ich stand ganz oben auf einem kleinen Dach des Parkhauses. Die dämmernde Stadt lag unter mir und ich sah, wie nach und nach die Lichter angingen. Auch den beleuchteten Flughafen konnte ich erkennen. Doch von dem Lärm der Straßen bekam man hier oben nichts mit. Eigentlich ein Romantischer Ort schoss es mir durch den Kopf. Ich schulterte meinen Rucksack und sprang vom Vordach runter. Dann folgte ich der Abfahrt, bis ich unten vor der Einfahrt stand. Jetzt wusste ich auch, woher die Stimmen kamen, die ich oben gehört hatte. In einer Ecke, links von mir saßen einige Obdachlose um ein Feuer herum, dass in einer Tonne entzündet wurden war. Leider verstand ich nicht viel, von dem was sie sagten, weil sie besoffen waren. Trotzdem ging ich zu ihnen, weil mir kalt war. Als ich in unmittelbarer Nähe neben ihnen stand bemerkten sie mich erst. „Hey-ye du Ju-Junge, was willst du denn H-hier? Grölte mich einer auf Amerikanisch an. „Ich will mich bei euch etwas am Feuer wärmen" sagte ich und setzte mich. Die Männer beachteten mich nicht mehr und redeten weiter. Ich wärmte mir meine Hände am Feuer und hörte zu, was sie sagten. Leider verstand ich nur Bruchstücke und hörte bald auf, ihnen zuzuhören. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als mich einer der Männer anrempelte und mir eine Whiskeyflasche reichte. Whiskey war ein scheußliches Zeug, es machte einen nur besoffen. Ich nahm die Flache und reichte sie weiter. Der neben mir nahm einen großen Schluck „ Du Ju- Junge" Lallte er mich an „Bist wohl von zuhause ausgerissen was? Habe ich in deinem Alter auch gemacht, man sieht ja, zu was das geführt hat" Der Mann beachtete mich nicht weiter und versank in so einer Art Selbstmitleid. Um sich zu trösten nahm er noch einen großen Schluck, dann reichte er den Whiskey weiter. Die Luft um mich herum begann nach diesem Zeug zu riechen und weil ich ohnehin aufgewärmt war, nahm ich meinen Rucksack und ging. An der Ausfahrt bemerkten die Männer dann, dass ich gegangen war und grölten mir noch hinterher „He du, wo willst du denn hin?" Es war nicht so, dass ich sie ignorierte, nein gar nicht, ich hatte sie schon längst vergessen. Wenn man in einem fremden Land ist, auf der Flucht, man sich nicht auskennt und einen warmen Schlafplatz sucht, ist das ziemlich... Scheiße. Ich wollte eigentlich nicht in ein Hotel oder so, aber weil ich immer noch ein bisschen angeschlagen war, entschied ich mich für ein billiges, schäbiges Motel. Eine Ziffer der Leuchtreklame funktionierte nicht mehr und vor dem Eingang steuerten Hunde herum. Als ich die Tür aufdrückte stoben sie davon.
Am schlecht beleuchteten Tresen saß eine Frau, Mitte dreißig „Sorry, kann ich auch mit Euro bezahlen?" sprach ich sie an „Klar Junge, aber wie kommst du an diese Währung?" Sie schaute mich interessiert an. Vermutlich hatte sie nicht viel Abwechslung „Das" erwiderte ich abfällig „Ist meine Sache. Kennen sie jemanden, der wechseln kann?" fügte ich noch hinzu „Geh doch zur Bank" erwiderte sie pampig. Vermutlich war sie beleidigt. Mich nervte sie jetzt schon. Sie gehörte zu der Sorte, die immer alles wissen wollten – wie Lily „Wie viel kostet eine Nacht?" kam ich auf das eigentliche Thema zurück „20 Dollar" verlangte sie knapp" Ich legte 27.20 Euro auf den Tisch. Die Frau tippte eilig Zahlen in ihr Smartphone ein und schaute mich überrascht an. „Natürlich ist das der richtige Betrag!" sagte ich „Und das hast du im Kopf gerechnet?" fragte sie erstaunt, während ich ihr das Geld rüberschob „Welches Zimmer habe ich?" überging ich sie. Natürlich hatte ich das im Kopf gerechnet, schließlich besaß ich kein Handy oder trug ständig einen Taschenrechner mit mir herum! „Zimmer fünf, hier ist dein Schlüssel. Ach ja, morgen um 11 Uhr ist das Zimmer geräumt." pampte sie mich an, doch ich warf ihr nur einen spöttischen Blick zu, als sie den Schlüssel auf die Theke knallte. Ich nahm den Schlüssel und ging die Treppe rauf, in einen Flur. Die Tür mit der Fünf drauf fand ich schnell. Mein Zimmer war sehr dürftig eingerichtet und als ich mich aufs Bett warf knarrte es bedrohlich. Für eine Nacht würde es schon reichen.
Ich hatte mir dieses Motel ausgesucht, weil es recht verarmt wirkte. Deswegen war ich mir sicher gewesen, dass sie einen allein reisenden 15 Jährigen, der mit Euro bezahlte, aufnehmen würden. Außerdem, wenn man nicht unbedingt so viel verdient, kann es auch schon mal passieren, dass man nicht in das Rechnungsbuch eingetragen wird und dass Geld so im Portmonee landet- kurz, Steuerhinterziehung. Wenn dann die Polizei kommen sollte, wird von einem 15 Jährigen Jungen, der mit Euro bezahlt nicht geredet. Ich zog mich nicht aus und schlief auch schnell ein als ich mich hinlegte.


DiebeWhere stories live. Discover now