Acht - Romy

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Naomi's Sicht
-Realität-

"Untertanen des Rudels meines Vaters, ihr dürft gehen. Diese Herausforderung muss ich, sehr zu meinem Leidwesen, alleine meistern. Danke für eure Hilfe.", rief Marius laut und alle Wölfe, glücklicherweise noch in Menschengestalt, verschwanden leise.
Was für ein Feigling.
All das hörte ich auch noch bestimmt zehn Kilometer aufgrund eines stark gestärkten Gehörs von ihm entfernt, alles von meinem „Mate" und auch das Gerede der anderen.

Mittlerweile hatte ich mich in eine "diebische" Elster verwandelt, deren Flügelschläge durch den kompletten Wald schallten. Durch das knacken von Knochen nahm ich an, dass sich mein Alpha dabei war, sich zu verwandeln. Doch falsch gelegen - stattdessen streifte unter mir ein fremder Wolf, der ganz sicher nicht aus meinem Rudel war, durch den Wald, blieb aber unweit von mir stehen und schnupperte in der Luft. Dann schaute er nach oben.
Versteck dich schnell! In den Bäumen! Und dort wirst du zu einer Ameise!, schrie mir Giulia zu und ich befolgte ihren Rat. Der Wolf durchkämmte die Baumkronen systematisch, hielt Ausschau nach einem Wolf im Baum, der gleich losheulte und seine Rudelmitglieder alarmierte. Als das nicht passierte, spazierte er - oder sie - weiter nach vorne, immer in Richtung Rudelhaus. Nein - Richtung Alpha. Da hatte ich eine leise Ahnung, wer das sein könnte. Auch als ich mir den Wolf näher ansah, verstärkte sich meine Vermutung. Das war nicht irgendein Wolf, das war Romy, meine älteste Schwester, die als erstes ihren Mate fand, in dem Alpha eines verfeindeten Rudels. Allerdings war sie immer noch in der Annahme, ausschließlich Marius' Gefährtin zu sein. Ein kleiner Eifersuchtsstich fuhr mir durch die Brust, als ich einen Plan erarbeitete, gemeinsam mit Giulia, dem wohl auf ewig nervigsten inneren Wolf.
Hey!
Ist doch so.
Also wir machen's so: In dich verwandeln, aufjaulen, wieder in eine Elster verwandeln und abhauen.
Gute Idee, mach wir es so.

Schneller getan als gesagt, Giulia übernahm das Kommando, verwandelte sich und jaulte. Romy drehte sich um, suchte nach dem Übeltäter, doch da war ich schon eine Elster. Romy's Augen wurden zu Schlitzen, als sie mich sah.
Also stimmen die Gerüchte tatsächlich... Meine kleine Schwester kann sich in jedes Wesen des Universums verwandeln., "grüßte" Romy mich, blieb aber wütend. Dies geschah über den familieneigenen Gedankenkanal.
Ja und - was dagegen?, hielt ich dagegen.
Sie nickte und antwortete seltsam, aber für sie normal. Wehe, du stiehlst mir meinen Mate. Marius ist mein, nicht dein, verstanden!
Sicher, das er dein Mate ist? Du hast doch deinen Alpha Luke!, provozierte ich sie, doch sie blieb ruhig.
Das ist doch nur ein Missverständnis, er hat seine eigentliche Gefährtin endlich gefunden und mich aus der Gefangenschaft in seinem Rudel endlich befreit!, verkündete sie hörbar erleichtert.
Ach ja? Und was ist mit der Markierung an deinem Hals?, lachte ich.
Seine Markierung ist noch da? Merde. Dabei hätte sie verschwinden sollen, wenn ich sein Gebiet verlasse., fragte Romy alarmiert.
Die Markierung geht nur weg, wenn du sein Gebiet verlässt und wenn er nicht dein Mate sein sollte, also ist er sehr wohl dein Mate. Bis zum Jüngsten Gericht bist du nun sein und kein anderer Wolf kann dein Gefährte je noch werden, egal was passiert., erklärte ich ihr und sie verwandelte sich zurück.
"Jetzt du!", forderte sie mich auf und ich tat es ihr gleich. Sie trug noch ihre Kleidung, so wie ich auch noch.
"Jetzt zufrieden?", wollte ich wissen, und sie nickte.
"Du bist wunderschön geworden, nach all den Jahren.", stellte sie fest. "Und du bist jetzt achtzehn, endlich alt genug, dass ich dich töten kann und dein Gefährte die Schmerzen erfährt wie ich sie erfuhr in all den Jahren. Obwohl du ja eigentlich zu schön zum sterben bist, und zu jung... Aber es muss sein, denn Marius ist mein! Bis in die Ewigkeit.", lachte sie gruselig, hatte den Spieß blitzschnell umgedreht. Sie zückte ein langes, spitzes Schwert, was mich sehr stark an eine Mischung aus Samuraischwert und Dolch erinnerte.
"Dafür musst du mich erstmal kriegen, Abtrünnige!", meinte ich, verwandelte mich in einen Wolf, jaulte noch mal auf, und rief in Gedanken nach Hilfe.
Romy stand noch immer kampfbereit vor mir, völlig auf mich fixiert, auf meinen schneeweißen Wolf. Sie hatte mein Gejaule scheinbar nicht mitbekommen, denn sie rührte sich nicht, als hinter ihr Mia auftauchte. Und hinter Mia kamen Greta, Mom und Marius. Das bemerkte sie dann aber doch, auch Mia und Mom erkannte sie.
"Wie schnell sich die Zeiten ändern können, Tochter.", begrüßte Mom Romy nicht wirklich freundlich.
"Müsstest du mich nicht deutlich besser behandeln, als Luna eures Rudels?", stellte sie spitz und völlig verrückt fest. Aus meiner Schwester war also tatsächlich eine völlig durchgedrehte Irre geworden, was im tiefsten Innern schon weh tat. Sie gehörte schließlich zur Familie. Doch wenn sie mich töten wollte, kannte ich kein Erbarmen.
Wütend knurrte ich auf. Meine Muskeln wurden bis zur Extreme angespannt.
"Naomi, hinter dir!", brüllte dann mein Alpha und gerade noch rechtzeitig drehte ich mich um. Vor mir stand derselbe Wolf, wie er auch vor drei Jahren auf unserem Gebiet stand. Romy's ebenso durchgeknallter Gefährte. Er wollte mich hinterhältig von hinten angreifen.
"Du Verräter!", schrie Romy Marius an, wen denn sonst. "Du bist eine Verräterin.", konterte er mit seiner samtweichen dunklen Stimme. Sie klang wundervoll in meinen Ohren. Da setzte der dunkle Wolf zum ersten Angriff an. Doch ich kam ihm zuvor - mein Gebiss "verfing" sich in seiner Kehle, zerfleischte sie, aber biss sie nicht raus. Das war brutal, aber nicht mordend. Ich konnte ihn wegen Romy nicht töten. Der Werwolf lag bewusstlos auf dem Boden, nun wandte ich mich Romy zu, die unterdessen mit Marius kämpfte. Kampflust spiegelte sich in beiden Augen, sie waren beide schon sehr verwundet, während ich nun auf einen Schlag Schmerzen am ganzen Körper verspürte. Es war grausam. Doch keine zehn Sekunden später lag Romy schon leblos - wirklich leblos - auf dem Boden und war tot.

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