19 - Plötzlich

2.4K 124 23
                                    

Mit mulmigen Gefühl stieg sie aus dem heruntergekommenen Zug aus. Obwohl es Tom nicht zugeben wollte, wusste sie, dass er nicht genug Geld besaß um sich besseres leisten zu können.

"Guck nicht so nutzlos in der Gegend herum und komme mit mir", herrschte Tom sie an worauf Hermine ihre Augen verdrehte.

Wie ein kleines Kind trottete die Braunhaarige hinter dem jungen Mann her. An beiden Gesichtern konnte man ablesen, dass sie ihre Zeit lieber in anderer Gesellschaft genossen hätten.

Die jungen Erwachsenen liefen durch eine enge, mit Backstein Häusern umgebene Gasse hindurch auf eine breite, gepflasterte Landstraße. Die Wälder schienen still zu liegen, während sanfte Schneeflocken zu Boden fielen. Um den Waldweg herum war eine Allee von Bäumen, doch alle unterschiedlicher als der andere.

Die Wolken am Himmel verdunkelten sich bedrohlich, ohne dass es Hermine oder Tom bemerkten.

Ohne es zu wollen begann Hermines Körper vor Kälte zu zittern. Die Blätter, der soeben friedlich ruhenden Bäume, bewegten sich nun stürmisch im Wind.

"Kommt es öfters zu solchen Wetterumschwüngen?"

Toms Laune war den ganzen Weg über nicht besser geworden. Er zeigte seine Abneigung Hermine offen und jegliche Höflichkeit schien aus seinem Gehirn gebrannt.

"Woher soll ich das wissen? Sehe ich aus wie Gott?"

Seine Stimme war getaucht in voller Spott, und das war es was Hermine mehr als alles andere kränkte. Mit Beleidigungen konnte sie umgehen, doch mit solch Tonfall wie Tom es an den Tag legte, nicht.

Minuten voller Schweigen vergingen, es hatte mittlerweile begonnen heftig zu regnen und die Kälte biss sich in Hermines viel zu dünne Jacke.

"Hier ist es, lass mich reden und spreche nur wenn er dich auffordert, okay?", sagte Tom streng worauf Hermine nickte.

Das Haus vor dem die beiden standen schien runtergekommen. Die Läden der Fenster fielen bald aus den Angeln, die Tür schien als wäre sie einige male gewaltsam aufgebrochen worden und die Pflanzen im Vorgarten des Grundstücks schossen wild in de Höhe.

Eine Sekunde zögernd, klopfte Tom schließlich an die alte Tür. Er, sowie Hermine hatten kein Wort über den Zustand des Hauses verloren.

Die Tür riss mit einem lauten Krachen auf und ein klein gewachsener Mann erschien.

Sein Haar war kraus, lang und schien, als hätte es lange Zeit keine Wäsche mehr abbekommen. Die Haltung war gekrümmt, trotz des niedrigen Alters von geschätzten vierzig.

"Tom? Tom, bist du es?", rief der Onkel lauter als nötig aus.

Ein Lächeln erreichte Toms Lippen, doch nicht seine Augen. Er nickte kurz und trat ein. Keiner der beiden hatte Hermine nur im Anschein bemerkt oder gar angesprochen, worauf sie hilflos in das düstere Haus eintrat.

"Tom", zischte sie ihm leise zu. Sie wollte sich seinem Onkel vorstellen, doch gleichzeitig Toms Worte beherzigen.

"Was hab ich dir vorhin zum Thema sprechen erklärt?"

"Schon gut."

Sauer trat Hermine hinter Toms Rücken. Morfin  Gaunt sprach schnell und kratzig. Seine Stimme war unangenehm und man mochte ihm nicht lange zuhören.

Nach einigen Minuten erkannte er Hermine hinter Tom. Erfreut zeigte er seine gelben Zähne, ohne sie dabei unauffällig von oben bis unten zu mustern.

"Wer ist denn dieses Prachtexemplar?", schrie er beinahe und angewidert schritt Hermine etwas zurück.

Tom schien die Situation völlig kalt zu lassen, selbst als sein Onkel bedrohlich nah an sie trat.

"Du bist gern in meinem Zimmer gesehen", seine Zunge schnalzte und sein Blick glitt ein letzes Mal über Hermines Körper.

Schon jetzt bereute sie es mitgekommen zu sein.

Ehe die Situation weiter ausarten und noch merkwürdiger kommen könnte, ergriff Tom nach gefühlten Stunden das Wort.

"Ich und Hermine haben noch einiges zu tun. Danke für deine Gastfreundschaft, doch wir sind ziemlich ermüdet und würden liebend gern etwas zur Ruhe kommen."

Ohne etwas zu sagen folgte sie, mit gesenktem Kopf, dem Slytherin. Die ganze Zeit über dachte sie angestrengt nach. Es gab zu viele Fragen, die ungeklärt waren.

Als die beiden Jugendlichen in dem heruntergekommenen Zimmer angekommen waren, blickte die Braunhaarige sich um. Zwei rostende Betten standen an den jeweiligen Wänden. Zwei Plastikstühle, sowie das Fenster waren mit einer dicken Schicht Staub bedeckt. Angewidert musste sie feststellen, wie eine Horde von Spinnen ihr Nest zwischen Fenster und-brett gebaut hatten. Ron hätte es hier keine Sekunde ausgehalten, dachte sie schmunzelnd.

Doch ehe sie in vergangenen Tagen schwelgen konnte, knallte die Tür zu und Tom blickte sie erbost an.

"Ich hätte dich nicht herbringen sollen. Du machst alles kaputt, zerstörst alles!"

Verwirrt sah sie ihn an. Er blickte hochnäsig, und zugleich wütend hinunter. Sein Atem ging schnell und die Stimme erklang laut. Es war, als wäre seine Maske unter der er sich verbarg, von ihm abgefallen.

"Habe ich dir nicht gesagt, du sollst unten deinen Mund halten? Woher weißt du überhaupt, wo mein Vater wohnt? Du weißt nichts, rein gar nichts über mich! Du-Du-", seine Worte überschlugen sich, er schien völlig außer Kontrolle,"du bist ein Schlammblut, richtig? Ein dreckiges, nutzloses Schlammblut, was sich als Reinblüter ausgibt. Wie bist du nach Slytherin gekommen? Hast du deinen geliebten Dumbledore bestochen? Ihr steckt beide unter einer Decke und ich werde herausfinden weshalb."

Sie verstand nicht, wie er plötzlich auf all das kam. Die ganze Zeit war die Brünette still gewesen, hatte seinen Anweisungen gefolgt. Hermine war mittlerweile mit dem Rücken an der Wand. Während seines Redeschwalls ist er ihr bedrohlich nahe gekommen, und nun ergriffen seine verkrampften Hände ihr Haar. Kräftig zog er sie nach vorn, ohne den Druck zu verringern.

"Tom! Hör auf! Bitte, hör auf! Es tut weh!", rief Hermine laut und kniff schmerzerfüllt ihre Augen zusammen.

Ihre Haare wurden losgelassen und der Kopf nach oben gedrückt. Tom blickte ihr gerade aus in die Augen, doch während in ihren Schmerz und Kummer lag, war in seinen keine Spur von Reue. Er genoss ihre Hilflosigkeit.

"Bitte", flüsterte Hermine schwach. Sie kam hier her und hatte sich vorgenommen, nicht mehr Tom Riddle auf's Wort zu gehorchen und ihre Meinung preisgab. Doch es gelang ihr nicht.

Der Jugendliche ließ von ihr ab. Seine Stimme versuchte sich zu beruhigen, doch noch immer war der plötzliche Zorn in ihr.

"Verschwinde von hier. Ich brauche dich nicht, um meinen Vater zu finden."

"Was?" Ungläubig sah sie ihn an. Auch wenn sein Gesicht von ihr weggedreht war, spürte sie die Kälte und Ehrlichkeit die von ihm ausging.

"Du hast mich schon verstanden."

"Nein, ich kann und werde nicht zurück nach Hogwarts gehen. Ich bin jetzt hier und dabei bleibt es." Immer wieder sprach sich Hermine zu. Wenigstens das musste doch klappen, hoffte sie.

Tom atmete tief durch. Im inneren schien er zu kämpfen.

Der Raum legte sich in merkwürdiges Schweigen. Hermine versuchte die Tränen zu unterdrücken und verbergen. Seine barschen Worte und Taten erschütterte sie immer zu. Schon in der Schulzeit hatte sie gehasst, auf ihren Blutstatus reduziert zu werden.

"Gut, du kannst hierbleiben", erleichtert atmete Hermine aus,"erstmal. Morgen zeigst du mir wo mein Vater wohnt. Dann sehen wir weiter."

Mit diesen Worten verließ er ihr Schlafgemach.

Bis tief in die Nacht weinte Hermine sich in den Schlaf.

Cold Hands  ~ Tom Riddle Where stories live. Discover now