28th - Blau

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ERIN

Als mein Wecker klingelte, warf ich die Hose, die ich in der Hand hielt auf mein Bett und schaltete den nervigen Piep-Ton aus. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, war aber den Umständen entsprechend "gut" gelaunt und nicht so übermüdet, wie man es vielleicht erwartet hätte. Ich wollte gar nicht wissen wie Elliott reagieren würde, weil er nach der Aktion, die ich geplant hatte, heute sicher auch davon erfahren würde, schließlich wusste er so ziemlich alles was in der Schule vor sich ging. Wie beruhigend, mein großer Bruder würde herausfinden, dass seine kleine Schwester fremde Leute in Clubs vögelt. Das war - wenn auch sehr umstritten - das Schlimmste an der ganzen Sache. Wenn man ein paar Stunden zur Verfügung hat, in denen jeder halbwegs normale Mensch schlafen würde, hat man genügend Zeit, um jedes mögliche Szenario in seinem Kopf durch zu spielen. Letztendlich war das Einzige was ich damit bezwecken wollte, nur, dass ich auf alles vorbereitet war.

Ich zog mein übergroßes T-shirt aus und warf es zu den restlichen Klamotten, die ebenfalls meinen Zimmerboden bedeckten. Dann nahm ich die Jeans von meinem Bett und schlüpfte schnell hinein, ich musste mich beeilen, damit ich Lucia meinen Plan erzählen konnte. Bevor meine beste Freundin ihn für gut befand, war er sowieso unverwendbar. Mein Bruder klopfte an die Tür und rief mir "Bad ist besetzt", durch die Tür zu. Das hieß er und Nora hatten beschlossen sich ein bisschen in der Dusche zu amüsieren, genervt rollte ich mit den Augen.

"Das ist Wasserverschwendung, Elliott!", erwiderte ich abwesend. Elliott ignorierte mich, er hatte eindeutig Wichtigeres zu tun. Wahllos fischte ich einen BH vom Fußboden und suchte mit den Augen ein Oberteil aus meinem Schrank aus, während ich ihn hinter meinem Rücken zumachte. Ich war noch nie so schnell fertig gewesen. Als ich mein Zimmer verließ und das Wasser in der Dusche immer noch lief schüttelte ich den Kopf und ging wieder in mein Zimmer zurück. Ich nahm eine Wasserflasche von meinem Fensterbrett, in der noch ein bisschen Wasser war und suchte mein Reise-Zahnputzzeug aus einer der Taschen, die hinter meiner Tür hingen. Dann öffnete ich mein Fenster und schüttete etwas Wasser über die Zahnbürste, bevor ich Zahnpasta drauf machte und anfing mir die Zähne zu putzen. Misstrauisch beäugte ich meine Schultasche in der sich momentan noch die blaue Perücke befand. Das würde noch lustig werden. Als ich aus meinem Gedankengewirr wieder nach oben drang und merkte, dass ich schon seit sechs Minuten meine Schneidezähne schrubbte, spuckte ich den Schaum aus dem Fenster, nahm einen Schluck Wasser und spuckte den gleich hinterher. Im selben Moment klingelte mein Handy. Ich legte die Zahnbürste aufs Fensterbrett und sah aufs Display. Kaelin. Gerade als ich ran gehen wollte, hatte sie aufgelegt. Ich würde sie später zurück rufen, sie war gestern abgereist, als ich mit Hunter weg war und hatte mir nicht gesagt, dass sie nicht mehr da sein würde, wenn ich wieder kam. Meine Cousine hasste Abschiede über alles und beschloss deshalb immer, einfach abzuhauen, bevor es zu einem kommen konnte. Ich schob mein Handy in meine hintere Hosentasche und schnappte mir meine Schulsachen. Die Tasche wog Tonnen, als ich sie mir über die Schulter warf und tief Luft holte, bevor ich das Zimmer verließ.

*****

Ich holte tief Luft. Ein. Aus. Ein. Aus. Meine Hände zitterten ein wenig.

"Willst du das wirklich machen?", fragte Lucia vorsichtig. Ich fuhr einmal wieder mit den Fingern über die blaue Perücke, die auf meinem Schoß lag. Als ich im Kindergarten war, hatte meine Mutter beschlossen, dass ich schwimmen lernen sollte und meinen Vater mit dieser Aufgabe beauftragt. Laut meinem Dad war "learning by doing" das einzig wahre und deshalb wurde ich einfach in unsere Pool geschickt, während mein Vater am Rand stand und zusah, wie ich eine Panikattacke bekam und erst eingriff, als ich fast am Ertrinken war. So fühlte ich mich gerade. Nur das Lucia mir helfen würde, bevor es zu dem Teil mit dem Ertrinken kam.

PLAYING PRETENDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt