55. Kapitel: Überraschung bei Regen

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Ich wippte meinen Fuß, der in spitzer schwarzer High Heel Sandalette steckte, hin und her, spielte mit meinen Fingern, dessen Nägel weinrot lackiert waren, und hörte meinen Freund träumend zu als er mir von dem Weihnachtsgeschenk für seine Mutter erzählte. Seine Lippen glänzten in einem natürlichen rosigen Ton, seine dunkelbraunen Haare lagen ihm über die Seite und einzelne Strähnen kitzelten den Kragen seines schwarzen Hemdes. Seine Gestikulation war wild als er mir die Größe des High Tech Gadgets Thermormix näherbringen wollte. Seine Augen leuchteten in einem lebendigen, smaragdgrünen Ton und verschlangen mich mit ihrer Schönheit. Ich brachte kein Wort mehr raus, so gefesselt war ich von Harrys Schönheit und den wunderschönsten Augen, in diese ich je gesehen hatten. Ich blendete alles um mich herum im Restaurant, welches wir am nächsten Tag besuchten, aus. Die Stimmen der Gäste. Den Geruch des in der Luft schwebenden Essens. Menschen, die um uns herumstreiften. Alles trug keine Bedeutung mehr auch nicht das köstlich servierte Essen auf schwarzen Tellern, welches uns von einem Kellner in schwarzem Anzug gebracht wurde. Träumend beobachtete ich Harry, der einen Schluck von seinem Rotwein nahm. Zärtlich griff er nach dem Weinglas und legte vorsichtig seine Lippen auf dieses. Darauf stellte er dieses ab und griff vorsichtig nach seiner Gabel. Gott- dieser Mann bewegte sich so gefühlsvoll und fließend als würde er in der Luft ein Tanz hinlegen wollen. ,,Magst du nicht anfangen?'', riss er mich aus meiner Träumerei und die Röte stieg mir ins Gesicht. Er hatte mich beim Träumen ertappt. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, griff ich nach meiner Gabel, diese mein Weinglas zum Klirren brachte und mir die Aufmerksamkeit vieler Besucher erbrachte. Verlegen sah ich zu Boden und biss mir peinlich berührt auf die Lippen. Neben Harry war ich eindeutig ein Trampel. Allein wie er seinen Fisch schnitt und ihn liebevoll auf seine Gabel schob, reichte mir, um mich unerzogen zu fühlen. Ich konnte ihm nicht mehr beim Essen zusehen, ohne dabei meine Handhabung beim Essen zu hinterfragen. So sah ich auf mein Besteck und versuchte es genauso in den Händen zu halten, wie mein Freund es tat. Außerdem beobachtete ich wie er seinen Fisch schnitt, um ihm das gleich zu tun. Leider sah mein Stück Fleisch anders aus als seines und damit war mein Plan zerstört. Ich wusste nicht was mit mir geschah, aber ich sah verloren meinen glänzenden Teller an und musste tief in mich gehen, um mir ein Konzept zum Essen aufzustellen. Harry hatte mich mit seiner Schönheit benebelt und es dauerte eine Weile, bis ich begann richtig zu essen. Harry fiel meine Nervosität nicht auf. Er gab sich der Geschmacksexplosion des Fisches und seinen bunten Beilagen hin. Wie konnte man so wunderschön beim Essen aussehen? Ich hinterfragte meine Erziehung und fragte mich, wie ich selber beim Essen aussehen musste. Entweder wie ein fettes Walross oder wie jemand, der den Sinn seines Lebens verloren und ihn in Essen wiedergefunden hatte. Ich machte mir so viele Gedanken darüber, dass es einen Moment dauerte, bis meine Aufmerksamkeit meinem Freund galt.
,, Geht es dir gut? Du schweigst die ganze Zeit vor dich hin''. Ich nickte bloß und nahm einen Schluck des Weins. Harry sah mich verwirrt an bevor er den Kopf schüttelte und sich mit der Serviette elegant über den Mund fuhr.
,, Hailey, ich muss dir etwas unbedingt mitteilen. Ich kann das nicht länger für mich behalten''
,, Das ich esse wie ein Walross?'', fuhr ich ihm ins Wort und begriff Sekunden später, was ich gesagt habe. Mein Freund verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf.
,, Was? Wie kommst du denn jetzt darauf?'', hackte er verdattert nach und ich nahm zwei Schlucke Wein hintereinander. Ich wank bloß ab und zuckte die Schultern in der Hoffnung, ihm das jetzt nicht erklären zu müssen. Glücklicher Weise fand er sich damit ab und erzählte:
,, Also, wie du bereits weißt, verbringen wir diese Weihnachten zusammen bei mir zuhause. Allerdings war es mir möglich, deine Mum und David davon zu überzeugen, die Feiertage mit uns zu verbringen''. Ohne zu überlegen spuckte ich den Inhalt meines Weins zurück in das Glas und sah Harry überrascht an.
,, Hailey! Apropos Walross'', schrie Harry laut auf und legte lachend den Kopf in den Nacken. Erneut stieg mir die Wärme ins Gesicht und ich versteckte mein Gesicht in meinen Händen.
,, Du hast wirklich meine Familie eingeladen?'', sah ich hoch und verschränkte unglaubhaft die Hände vor dem Mund.
,, Ja, und sie haben eingewilligt. Sie werden zusammen mit uns beiden bei mir zuhause wohnen. Das liegt zehn Minuten von dem Haus meiner Mum entfernt''.
Ich riss die Augen auf und strahlte über beide Ohren. Dieser Mann war Gott. Er hatte ermöglicht, mit meiner Mum Weihnachten feiern zu können. Ohne, dass ich jemals meine Trauer ausgesprochen hatte, nicht mit ihr feiern zu können. Er hatte meine Gedanken gelesen und etwas zustande gebracht, das ich zuvor niemals in Erwägung gezogen hätte. Gott, ich liebte diesen Mann. Er war das Beste, was mir jemals passieren konnte.
,, Baby, ich- ich bin sprachlos'', setzte ich an und griff nach seiner Hand.
,, Wenn ich könnte, würde ich jetzt über den Tisch über dich herfallen und dich küssen können. Ich liebe dich. Du weißt gar nicht, wie viel mir das bedeutet. Ich- ich- danke!'', rang ich nach Worten und wurde immer sentimentaler. Meine Stimme wurde immer heller und ich mein Herz pochte mir bis zum Hals. Harry drückte seine Lippen auf meine Hand und versteckte sie dann in seinen Händen. Man konnte ihm regelrecht die Freude über meine Reaktion ansehen.
,, Sag aber bitte nicht deiner Mum, dass ich es dir vorzeitig gesagt hatte. Sie wollte dich an Weihnachten damit überraschen!''
,, In Ordnung, auch wenn mir das schwer fällt. Aber ist deine Mum damit überhaupt einverstanden?''
,, Natürlich, sie hat sich sehr darüber gefreut gleich neben der Frau, die mich so sehr glücklich macht, ihre Eltern kennenzulernen''. Seine Worte brachten mich zum Strahlen und ich drückte seine Hand. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Ich würde meine Mum noch in diesem Jahr wiedersehen können. Dieser Fakt machte mich so glücklich, dass ich vor Grinsen mein Gesicht in meinen Händen vergrub und überglücklich wieder aufschaute: ,, Wieso machst du das für mich?'': Harry legte sein Besteck zur Seite und fuhr sich mit der Serviette über den Mund.
,, Hailey, ich kenne dich. Vielleicht in manchen Dingen besser als du dich selber. Ich weiß, dass du in dem Moment, als du meiner Einladung zugesagt hast, nicht sehr an deine Mutter gedacht hast. Ich habe mich so sehr über deine Zustimmung gefreut, dass ich nicht weiter über deine Familie nachgedacht habe. Trotzdem begleitete mich dieser Gedanke und ich beschloss, Weihnachten mit beiden Familien zu ermöglichen. Natürlich konnte ich das Gespräch mit dir suchen und dich überzeugen, mit deiner Familie zu feiern. Aber das wollte ich nicht. Ich möchte dich unbedingt meiner Familie vorstellen und mit dir zusammen unser erstes Weihnachten feiern. Das mag egoistisch klingen, aber ich stehe dazu. Umso glücklicher war ich über die Zustimmung deiner Mum und David. Jetzt können wir alles haben''. Unglaubwürdig sah ich meinen Freund an. Hatte er sich tatsächlich diese Gedanken gemacht? Offensichtlich. Doch das kam mir so surreal vor. Er hatte, ohne dass ich es aussprechen musste, meinen Wunsch in Erfüllung gehen lassen. Ohne, dass ich davon Wind bekam. Immer noch schockiert schüttelte ich den Kopf und stützte ihn dann mit meiner Hand. Ich wusste nicht genau, was ich darauf sagen wollte. Ich konnte ihn nur anstrahlen und mich bei ihm bedanken. Natürlich merkte mir Harry meine Sprachlosigkeit an. Das gefiel ihm, da er meine Wange strich, einen Kuss auf meine Handfläche legte und sich dann wieder seinem Essen widmete. Auch ich griff nach meiner Gabel und setzte mein Essen fort. Dabei hatte ich Schmetterlinge im Bauch, die mich vom Essen ablenkten und mich daran erinnerten, welches Glück ich mit so einem Mann hatte. Auch nach dem Essen und bei dem Herausschreiten aus dem luxuriösen Restaurant in die kalte Winterluft, konnte ich das Gefühl der Schmetterlinge im Bauch mit dem damit verbundenen Strahlen nicht loswerden. Ich klammerte mich an Harry, dessen warmer brauner Wintermantel meinen schwarzen streifte, und folgte ihm auf Schritt und Tritt zu seinem schwarzen Audi. Es nieselte und die kalte Luft wehte uns entgegen. Viele Menschen tigerten an uns vorbei, die meisten mit Regenschirm oder Kapuze. Andere liefen gemütlich die Straße entlang und genossen den Nieselregen, der auf sie hinab tropfte. Mit schnellen Schritten eilten Harry und ich zu dem Auto und ließen uns glücklich in die trockenen Sitze fallen. Kurz wurde es dunkel, nur das Licht der Laternen gab uns Licht. Schon bald fuhr Harry los. Die warme Heizungsluft wärmte unsere Körper und die Sitzheizung brachte mein Hinterteil zum Glühen. Leise Musik ertönte im Hintergrund während ich aus dem Fenster sah und beobachten konnte, wie sich das Nieseln zu starkem Gewitter veränderte und wie Autos aus der einen Richtung in die andere fuhren und umgekehrt. Werbeanzeigen, rote Buse und Menschenmengen unter Dächern und Regenschirmen erregten meine Aufmerksamkeit bevor ich zu meinem ruhig fahrenden Freund rüber sah, der sich vom Gewitter nicht ablenken oder stressen ließ. Seinen einen Arm stützte er lässig am Fenster, die andere lag locker über der Lehne, diese unsere beiden Sitze voneinander trennte.
,, Hast du eigentlich vor für immer in London zu bleiben?'', durchbrach ich die Stille zwischen uns und beobachtete weiterhin die vielen Lichter, diese uns blendeten oder uns etwas mehr Licht schenkten. Mein Freund zögerte einen Moment. Wahrscheinlich, weil er erst einmal darüber nachdenken musste. Ich beschloss ihm Zeit zu gegeben und doch antwortete er Sekunden später:
,, Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Normalerweise pendle ich zwischen London, Holmes Chapel und Los Angeles hin und her. Dort habe ich eigene Grundstücke. Aber ich reise gerne und habe auch vor, diese Pause vor allem dafür zu nutzen. Um meinen Horizont über Kulturen und Sprachen zu erweitern. Ich hoffe, du wirst mich begleiten'', blinzelte er zu mir rüber bevor er fortsetzte:
,, Aber um ehrlich zu sein, habe ich mir bis jetzt keine Gedanken darüber gemacht, ob ich für immer in London leben möchte. Ich liebe diese Stadt und ich bin hier auch aufgewachsen. Aber genauso liebe ich Los Angeles. Diese Stadt ist so viel anders als London. Aufregender, künstlerischer, lebendiger. Du musst mich das nächste Mal begleiten, dann wirst du verstehen, was ich meine''. Verständnisvoll nickte ich ihm als Zeichen der Aufmerksamkeit und lächelte bei seiner Einladung. Harry bog in meine Einfahrt ein und parkte neben meinen schwarzen Audi A1. Mit schnellen Schritten eilten wir zur Haustüre bevor wir den Aufzug nahmen und bei mir zuhause die Schuhe in die Ecke schmissen und es uns gemütlich auf meiner Couch bei einer Flasche Wein machten. Meine Beine lagen über Harrys Schoß und in unseren Händen hielten wir unsere Weingläser. Wir unterhielten uns weiter über London und seine Besonderheiten während wir dem Regen, der gegen die Fenster prasselte, zuhörten und uns ab und zu dem Geräusch des Gewitters hingaben. In diesem Moment begriff ich, dass Harry und ich eine weitere Gemeinsamkeit hatten. Die Liebe zum Gewitter. Dass dieses in Zukunft an Bedeutung gewinnen und Harry und mich immer zusammen bringen würde, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht.


love, faith, hope | H.S.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt