35 - Ginger

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„Du bleibst hier!", ordnete Flo mir an, als es an der Tür geklingelt hatte.

So voll gefressen wie ich war, konnte mir das nur Recht sein.

Flo ging in den Flur und öffnete die Tür. Ich wusste, wer dort war und ich war so unglaublich froh, dass Flo ihn tatsächlich hierher bekommen hatte. Allein der Gedanke, dass Till im Nebenzimmer war, verschaffte mir Herzklopfen.

„Ich musste mich heimlich aus dem Haus schleichen und wenn meine Mutter mitkriegt, dass das Zimmer ihres Sohnes mitten in der Nacht leer ist, dann wird sie einen Herzinfarkt bekommen. Also sag mir bitte, dass ich nicht umsonst abgehauen bin!", hörte ich Tills Stimme. Ich freute mich so sehr ihn zu hören und wollte ihm am liebsten in die Arme rennen. "Was ist so wichtig?"

Er hatte jedoch keine Ahnung, dass ich hier war. Dafür wusste ich aber auch nicht, mit welchem Vorwand Flo ihn hier hergelockt hatte.

„Komm erstmal rein!", lockte Flo ihn ins Wohnzimmer, wie es die Hexe mit Hensel und Gretel getan hatte.

Flo und Till kannten sich gut, was auch daran lag, dass Till oft mit uns in den Urlaub gefahren war und wir somit zu dritt viel Zeit miteinander verbracht hatten.

Als Till mich sah, blieb er abrupt stehen. Ich freute mich ihn zu sehen, doch das Gefühl basierte eindeutig nicht auf Gegenseitigkeit.

„Du hast gesagt, dass es nichts mit Ginger zu tun hat!", protestierte Till sofort und sah so aus, als würde er gleich das Weite suchen.

„Ich habe gelogen!", sagte Flo ganz offen und frei von jeglichem schlechten Gewissen.

„Dann geh ich wieder", verkündete Till entschieden und machte einen Schritt in Richtung Tür zurück. Flo hielt ihn fest.

„Oh nein, du wirst nicht gehen!" Er versetzte ihm einen sanften Stoß nach vorne, sodass Till über die Türschwelle ins Wohnzimmer stolperte. Blitzschnell zog Flo die Tür zu und ich hörte den Schlüssel im Schloss. Das war doch jetzt nicht sein Ernst! Das war sein Masterplan? Hatte er den zusammen mit einem Fünfjährigen ausgeheckt? Er sperrte uns tatsächlich hier ein. So hatte ich mir das auch nicht vorgestellt.

Till, dem bewusst wurde, in was für eine Falle er gelockt wurde, hämmerte gegen die Tür.

„Mach auf!", forderte er und hämmerte gegen die Tür.

„Erst, wenn ihr miteinander gesprochen habt", kam es zurück.

Till funkelte mich böse an, als wäre ich an der Aktion Schuld und hätte es selbst geplant.

„Ich habe mit der Einschließaktion nichts zu tun! Ich schwöre!"

Till presste seine Lippen zusammen. Offensichtlich war er noch immer nicht in Plauderlaune.

„Du kannst auch durch Fenster fliehen, wenn du willst", sagte ich und hoffte, dass er es nicht als ernsten Vorschlag auffasste.

Er reagierte gar nicht und starrte einfach nur auf den Boden.

Ich musste die Chance nutzen. Ich wollte wissen, was passiert war.

„Du wolltest mich vorhin abholen", erinnerte ich ihn nun und versuchte den Ursprung des Problems zu ergründen. Er schwieg. „Du bist nicht gekommen", half ich ihm auf die Sprünge. „Ich habe zwei Stunden an der Bushaltestelle auf dich gewartet."

Er gab ein höhnisches Geräusch von sich, von dem ich nicht genau wusste, wie ich es zu deuten hatte oder warum er das tat. Ich hoffte auf ein paar erklärende Worte seinerseits, doch die kamen nicht.

GingerWhere stories live. Discover now