12 - 20 Euro für einen Toten

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„Tut mir echt leid, dass ich gestern nicht konnte. Wie war die Party?"

„Gut."

Till sah mich skeptisch an. Mir entging nicht, dass er etwas ahnte.

„Einfach nur gut? Mehr hast du dazu nicht zu sagen?"

Ich schüttelte den Kopf und blickte nicht von meinem Buch auf. Das Bruttoinlandsprodukt von China fand ich auf einmal unglaublich interessant.

„Nö."

Ich spürte Tills Blick auf mir.

„Was verschweigst du mir?"

Ich hasste es, dass er mich durchschauen könnte, als wäre meine Haut eine Fensterscheibe und mein Gehirn ein Wikipediaeintrag.

„Nichts."

Nur im Augenwinkel sah ich sein Grinsen.

„Lass mich raten: Du und Elyas habt die Nacht miteinanderverbracht."

Ertappt sah ich zu ihm auf. War ich wirklich wie ein offenes Buch zu lesen?

„Woher weißt du das?"

Er lachte, während ich mir eine Methode überlegte, wie ich meinen Kopf abkühlen konnte.

„Weil es offensichtlich ist. Er steht auf dich und du auf ihn sowieso. Es war eine Party, ihr beide mit Sicherheit betrunken und ihr wohnt in einer Wohnung."

Ich schlug das Buch zu. Ich hatte eh kein Bock diesen Vortrag über die Wirtschaftslage in China zu halten. Jetzt gab es Wichtigeres zu klären.

„So war es gar nicht. Es war einfach nur... naja... du weißt schon... ein bisschen Spaß."

„Nicht mehr?"

„Nein. Wir haben auch nicht die Nacht zusammen verbracht. Es war einfach nur Sex und dann ist er zu den anderen zurückgegangen. Er hat auch in seinem Zimmer geschlafen."

„Na was für ein Gentleman. Schneller Fick und weg."

„Ach es war besser so. Es wäre komisch gewesen, morgens neben ihm aufzuwachen und das in einem nüchternen Zustand. So war es einfach nur ein bisschen Spaß unter Alkohol."

„Du erträgst ihn nüchtern nicht? Na das solltest du ihm besser nicht sagen", grinste Till mich an und schnitt gleichzeitig den Umriss Chinas aus einem roten A1-Blatt aus.

„Pass auf, du schneidest gleich Peking ab!", warnte ich ihn, als er die Westküste entlangschnitt.

Er sah konzentriert aufs Blatt, um unser Plakat nicht zu versauen.

„Wie lief es mit... wie hieß sie? Anne?", wechselte ich das Thema, um mich nicht mehr mit dem gestrigen Abend auseinandersetzen zu müssen. Als Elyas das Zimmer verlassen hatte, hatte ich mir insgeheim schon gewünscht, dass er noch bei mir bleiben würde und wir einfach ein wenig kuscheln würden. Doch stattdessen hatte er sich die Klamotten schnell wieder übergezogen und mich nackt im Bett zurückgelassen.

„Sie heißt Amelie und nicht Anne."

„Wie auch immer. Wie lief das Date?"

„Wir haben bei ihr DVD geguckt. Ihre Eltern waren nicht da. Der Film war grottig, der Sex noch schlechter. Die war wie eine Schlaftablette. Lag einfach nur da und hat nichts gemacht."

„Till! Hatten wir das nicht schon mal? Ich will keine Details aus deinem Sexleben wissen."

„Ach, aber du erzählst mir, wie du Mr. Medizinstudent in die Horizontale gebracht hast!"

GingerWhere stories live. Discover now