3 - Das Ginger-Eichhörnchen

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„Komm Kleiner! Du siehst aus, als würdest du gleich unter der Last zusammenbrechen", sagte Elyas und nahm Till einen Stapel Bilderrahmen ab.

Man sah Till an, dass er nicht gern als Kleiner bezeichnet wurde und Elyas mit seinen Worten direkt in Tills Ego gestochen hatte. Till entsandte einen mahnenden Blick in Richtung Elyas, der durchtränkt war mit gekränkten männlichen Stolz. Dieser stapfte jedoch schon mit den Bilderrahmen in mein Zimmer. Till war ein selbstbewusster Junge, doch seine Größe war sein wunder Punkt. Es war eine Art Zündschnur. Es reichte, wenn ein Funken sie berührte und schon war er am Explodieren. Ich hatte ihn diesbezüglich nie verstanden. Er war immerhin noch ein halben Kopf größer als ich. Zwar war ich  ein Zwerg, aber mit 172 Zentimeter Körpergröße fand ich Till noch im Normalbereich. Es konnte schließlich nicht jeder über 1,80 sein. Till tat aber immer so, als wäre er ein Lilliputhaner, der im Supermarkt nicht einmal über das Warenband sehen konnte.

Elyas kam zurück in den Flur. Er konnte sich über seine Körpergröße definitiv nicht beklagen. Neben ihm sah Till aus wie ein Kleinkind und das nicht nur aufgrund der Größe. Till wartete noch immer auf seinen ersten Bartwuchs, während Elyas Körperbehaarung sich nicht nur im Gesicht abzeichnete. Bei dem V-Ausschnitt seines T-Shirts quollen sein lockigen Brusthaare hervor, wodurch er deutlich erwachsener wirkte.

Elyas nahm sich zwei Farbeimer, die noch vor der Tür standen. Ich konnte sehen, wie sich sein Bizeps dabei anspannte, doch sein Gesicht sah aus als würde er nur einen Eimer Federn tragen.

„Die Bettfedern quietschen ziemlich. Also, es wäre nett, wenn ihr eurer Liebesspiel auf den Boden oder so verlegt, wenn ich am nächsten Tag eine Prüfung habe", erwähnte Elyas beiläufig, als wir die Ikeaerrungenschaften in meinen Zimmer geschleppt hatten.

Er sagte das so locker, während Till und ich mit hochroten Köpfen dastanden.

„Wir sind kein Paar", versuchte ich das Missversständnis aufzulösen.

Es war nicht selten, dass Leute uns für ein Liebespaar hielten, aber die Art wie Elyas es formuliert hatte, trieb mir die Schamesröte ins Gesicht. Till ging es ähnlich und bei ihm war das tatsächlich eine Rarität. Normalerweise war empfand er kein Schmagefühl, doch wenn es darum ging, dass jemand darüber sprach, wie er und ich Sex haben könnte, überkam selbst ihm das Gefühl der Verlegenheit. Bei mir war es mit Sicherheit deutlich ausgeprägter, denn mein Kopfkino war definitiv blockbusterreif. Ich konnte es nicht verhindern, dass ich es mir bildlich vorstellte, wie Till und ich die Federn zum quietschten. Und es war keine schöne Vorstellung.

Elyas zog eine Augenbraue hoch.

„Kein Paar?"

Wir schüttelten die Köpfe.

„Also Fuckbuddies?"

Ich konnte mich noch zu gut an die Geräusche der letzten Nacht erinnern. Eine Freundschaft zwischen Jungs und Mädchen schien außerhalt der Vorstellungskraft von Elyas zu liegen.

„Nein", sagte ich entschieden. „Keine Fuckbuddys, sondern Freunde. Einfach nur beste Freunde. Und das ohne das gewisse Extra und ohne Vorzüge. Einfach nur eine platonische Freundschaft."

Elyas sah aus, als hätte ich ihm gerade weiß machen wollen, dass die Welt von Schlümpfen regiert wurde.

„Ihr wollt mir doch nicht erzählen, dass ihr ständig aufeinanderhängt und noch nie miteinander geschlafen habt? Das nehme ich euch nicht ab!"

Er schien vollkommen von seiner Aussage überzeugt zu sein.

„Es ist aber so", fand Till seine Sprache wieder, hatte den Kloß aber noch nicht komplett aus seinem Hals befreien können. 

GingerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt