20 | In Retrospektive

12.2K 1.1K 168
                                    

Kurz vor Ende sieht man oft auf die Anfänge zurück.

Man denkt daran, wie der Stein ins Rollen gebracht wurde und überlegt, welche Faktoren einen dort hin geführt haben, wo man jetzt steht.

Als ich hinter Piper auf einer kleinen Anhöhe wartete und zusah, wie der Pfarrer ihr und David die Ringe ansteckte, wie ihre Mum in der ersten Reihe in Tränen ausbrach, und Lady Margaret gleich miteinfiel, wie Georgie, Katherine und Izzy mich von den Plätzen neben ihnen angrinsten, dachte ich an den lauen Sommertag in Seattle zurück, an dem ich meinen Stöckel abgebrochen hatte und Piper und David mich gefragt hatten, ob ich die Planung ihrer Hochzeit übernehmen wolle.

Ich hatte mit übertriebenen Entsetzen reagiert und mir nicht vorstellen können, wie man eine solche Aufgabe nur in so kurzer Zeit bewältigen sollte.

Warum hatte ich also angenommen?

Piper hätte mich auch dann noch als ihre beste Freundin erachtet, wenn ich erst kurz vor der Hochzeit als bloßer Gast aufgetaucht wäre.

Lange Zeit hatte ich mich gefragt, welche Teufel mich geritten hatten, als ich Pipes die Zustimmung gab.

Jetzt, am Ende, wusste ich es: Das Verlangen nach Abenteuer.

Egal, wie sehr ich es abstreiten würde, letzten Endes hatte auch ich mich nach etwas gesehnt, dass mich aus dem Alltag erlösen würde.

Und nun war ich hier.

Ich hob den Blick und sah über die Köpfe der beiden hinweg zu Evan, der mich anlächelte, als er meinen Blick auf sich spürte.

Ein warmes Gefühl durchströmte mich.

Ach ja, und zudem hatte ich noch den heißesten aller Junggesellen abschleppen können. Ich, Lexi Williams, neurotisch bis zum Gehtnichtmehr.

Wie schnell das Leben sich doch zu ändern vermochte.

***

"Was für eine wunderbare Hochzeit", sagte eine ältere Dame neben mir und schnäuzte sich in ihr Taschentuch. "Als die weißen Tauben über den See auf uns zugekommen sind, war es um mich geschehen."

Eine Dame vom gleichen Schlag antwortete: "Oder erst diese Musik. Alles war so perfekt aufeinander abgestimmt. Ich frage, wer sich das einfallen hat lassen. Ich würde sie sofort als meine Hochzeitsplanerin einstellen."

Ich grinste in mich hinein, und erhob mich von der Bank, von der aus ich die vorbeiziehenden Leute gut im Blick gehabt hatte.

Die Gäste waren inzwischen zu den Pavillons weiter gewunken worden und als nun das Brautpaar unter großem Hallo die Wiese betrat, erhoben sich alle und applaudierten.

Pipes wurde knallrot, während David, der mit so einer Art von Aufmerksamkeit wohl gut umgehen konnte, nur kurz sein Haupt neigte.

Als Piper mich am Rande der Wiese entdeckte, hob sie den Saum ihres Kleides an, und rannte auf mich zu, bevor sie mich in die knochenzerberstenste Umarmung aller Zeiten zog.

"Leeeexi!!", quietschte sie in mein Ohr. "Du hast alles so unglaublich perfekt gemacht, ich liebe dich für immer und ewig."

Ich lachte und versuchte sie von mir herunterzuziehen, aber Piper klammerte sich fest, so lange, bis ich ihre Lobeshymnen mit einem bescheidenen Nicken annahm. "Ist ja gut, Pipes."

Die beiden würden, ebenso wie ich, in dem kleineren Pavillon untergebracht werden und so folgte ich ihnen durch die Rosenblätter-werfende Menge.

The Best ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt