14 | Der Tag ist gerettet

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Wenn der Stresspegel vor drei Tagen noch sehr, sehr hoch war, dann konnte man jetzt, zwei Tage vor der Hochzeit kein Wort mehr finden, für das, was sich inzwischen in Fellsridge Manor abspielte.

Piper, meine Schwestern und ich waren damit beschäftigt, die allerletzten Vorbereitungen zu treffen (glaubt mir, davon gab es noch sehr, sehr viele), während wir zeitgleich versuchten, die Gäste davon abzuhalten, über die Blumenbeete zu trampeln, die Stallungen zu verwüsten oder allgemein im Weg zu stehen.

Irgendwann war Lucas, der sich trotz Evan immer öfter in Richtung Anwesen wagte, auf die grandiose Idee gekommen, die Gäste für einen Tagesausflug nach London zu schicken und ich war gerade dabei gewesen, in einer Broschüre die nächsten zwanzig Zug- und Busfahrten in die Hauptstadt herauszusuchen.

Dabei musste ich immer wieder ein paar Tanten abwimmeln, die mir zu meiner Hochzeit gratulierten und mir versicherten, wie gut David und ich zusammenpassen würden.

"Miss Stoneham-Elgort", seufzte ich. "Mein Name ist Alexandra Williams, nicht Piper Lewis. Ich bin hier lediglich die Organisatorin."

Leider ließ sich die alte Dame nicht abwimmeln, selbst als ich demonstrativ mit dem Folianten vor ihren Augen herumgewedelt hatte und mit sinkender Subtilität andeutete, dass sie sicherlich woanders von größerem Nutzen sein.

"Weißt du, was durchaus kurios ist?", fragte sie jetzt und ich ignorierte sie. Davon ließ sich Tante Eleanor dennoch nicht beirren. "Ich habe heute morgen einen kleinen Spaziergang durch das Haus unternommen und bin auf einmal zu seinem Raum gelangt, der überquoll mit Nippes. Jeder einzelne Fleck am Boden war damit vollgestellt. Ich kann dir versichern, so was hast du noch nicht gesehen."

"Ist dem so?", murmelte ich und riss knallhart die Seite mit den Busfahrzeiten heraus. "Tante Eleanor, wann waren Sie zuletzt in London?"

"Muss ein paar Jahrzehnte her sein." Die Gute war sofort in einen bühnenreifen Anfall von melancholischer Nostalgie versunken. "Damals, als die Straßen noch nicht so voll waren mit Autos und meine Gegenwart tatsächlich etwas in den Passanten ausgelöst hat."

Aha, sie meinte wahrscheinlich, damals, als die Klassenrollen noch aufrecht erhalten worden waren und man sich als Adelige entschieden zu viele Privilegien entnehmen konnte.

Ich drückte ihr die abgerissene Seite in die Hand. "Hier, ich bin sicher, London wird sich nicht verändert haben, wenn Sie an den richtigen Stellen suchen."

Im Museum zum Beispiel.

Die Tante erhob sich, wenn auch leicht verwirrt. Meine plötzliche Bestimmtheit schien sie für einen Anfall von Stress zu halten, denn sie warf mir einen besorgen Blick zu. "Wenn du meinst, Alessia."

"Alexandra", verbesserte ich sie zuckersüß. "Und bitte tun Sie mir den Gefallen und nehmen Sie so viele Ihrer Schwestern und Schwägerinnen mit."

Ich half ihr, den größten Teil der Tanten-Delegation aus dem Garten zusammenzutrommeln, rannte in unzählige Zimmer um schnell einen ganzen Haufen an Hüten zu holen, ohne den die Tanten keineswegs aus dem Haus gehen wollten.

Schließlich sah ich atemlos, aber glücklich dabei zu, wie siebzehn der zwanzig Tanten in den Bus stiegen und einen gesamten Tagesausflug in London bestreiten würden.

"Du bist unglaublich", seufzte Margaret, die gerade mit Mary, die mühselig einen tonnenschweren Blumentopf schleppte, aus dem Haus gekommen war. "Alexandra, ich wüsste nicht, was wir ohne dich tun würden."

Ich winkte ab. "Ach, das. Ich habe jedem von uns einen riesigen Gefallen damit getan, da die Tanten uns nur im
Weg stehen. Wer hat sie überhaupt eingeladen?"

The Best ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt