3 | Nicht die feine englische Art

13.2K 1K 191
                                    

Ein paar Sekunden lang blickte ich bloß reichlich verwirrt auf ihn herunter, nicht so recht wissend, was ich antworten sollte.

Zum Glück nahm Evan mir meine Ahnungslosigkeit schnell ab.

"Ich glaube nicht, dass meine Eltern sonderlich erfreut darüber wären, wenn sie wüssten, dass ihr Personal lieber herumlungert anstatt seine Arbeit zu verrichten."

Ich winkte lachend ab, wobei ich das Notizbuch schnell in meiner Tasche verschwinden ließ. "Du musst mich mit jemanden verwechseln. Ich bin Pipers beste Freundin und wir sind hier, um die Hochzeit vorzubereiten."

Evan war inzwischen auf meiner Höhe, seine Arme vor der Brust verkreuzt, und er strahlte so viel Feindseligkeit aus, dass ich unwillkürlich eine Gänsehaut bekam.

"Du bist mit dieser unsäglichen Amerikanierin hier?"

Ich schwang meine Beine über die Kante und funkelte ihn wütend an. "Was hast du gegen Piper?"

Evan ließ sich nicht einmal dazu herab, mir zu antworten, er schüttelte nur langsam den Kopf bevor er sich von mir abwandte.

Was zur Hölle war bei dem falschgelaufen?

Da sagte man immer, dass Briten Manieren hätten, und dann so etwas.

Evan hatte inzwischen fast das Ende der Treppe erreicht, aber ich hatte nicht vor, ihn so einfach davonkommen zu lassen.

Er hatte Piper beleidigt.

Und ich war eine wahnsinnig beschützerische Freundin.

Ohne nachzudenken, oder auch nur im Entferntesten die Fallhöhe zu kalkulieren, sprang ich von dem steinernen Geländer hinab, und natürlich landete ich direkt auf einer Stufenkante.

Mein Fuß knickte schmerzhaft zur Seite, und ich konnte mich gerade noch mit meinen Händen auf den Marmorstufen abstützen, sonst hätte mein Gesicht wohl ein paar unschöne Schrammen davongetragen.

Genau diese Art von Ereignissen nannte ich "Lexis vertrottelte Ausfälle", und sie waren in Seattle inzwischen berühmt berüchtigt.

Evan drehte sich auf dem Treppenabsatz um, entdeckte mich in meiner misslichen Lage und begann zu lachen.

Er lachte.

Während andere sich sofort nach meinem Empfinden erkundet, mir vielleicht sogar aufgeholfen hätten, lachte er.

In diesem Augenblick machte sich ein brodelndes Gefühl in meiner Magengrube breit.

Ich hatte es noch nie so intensiv auf nur eine Person konzentriert verspürt.

Es war blanker Hass.

Wie konnte man nur so kalt sein?

Ich rappelte mich auf und hastete die letzten paar Stufen auf ihn zu, bevor ich schlitternd vor ihm zu stehen kam.

"Was willst du, Zwerg?", fragte er beinahe gelangweilt.

Ich sah zu ihm hoch, wobei mir auffiel, wie groß er eigentlich war.

Er überragte mich um mehr als drei Köpfe, ich ging ihm kaum bis zur Brust.

Ich stemmte meine Arme in den Hüften. "Ich bin kein Zwerg!"

"Doch bist du. War's das?" Er wandte sich zum Gehen und ich warf mich in seinen Weg.

"Du entschuldigst dich sofort." Ich verengte meine Augen zu Schlitzen und versuchte, besonders bedrohlich auszusehen.

"Warum sollte ich?"

Evan Scott, aka der größte Arsch des Universums, schubste mich ohne viel Federlesens aus dem Weg und verschwand im Inneren des Hauses, wobei er mich absolut fassungslos zurückließ.

The Best ManWo Geschichten leben. Entdecke jetzt