2 - Best Buddys und Sixpacks

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„Nett", lautete Tills Urteil über mein neues Zimmer.

Wie jeder wusste war „Nett" der kleine Bruder von „Scheiße", weshalb ich ihn nicht ernst nehmen konnte.

„Spinner!"

Er lachte und ließ sich neben mich aufs Bett fallen. Sofort quietschten die Bettfedern laut auf. Erinnerungen von dieser Nacht kamen wieder hoch. Ich konnte nur hoffen, dass das Rumgestöhne nicht zu meiner abendlichen Einschlafkulisse gehören würde.

„Ach naja, sieh es positiv. Jetzt kannst du dir jede Menge Poster von oberkörperfreien Typen kaufen, um diese grässliche Wand zu bedecken."

Ich stieß ihm kumpelhaft den Ellenbogen in die Rippen.

„Lieber tapeziere ich meine Wand mit Filmplakaten von Horrorfilmen, als mir das Ergebnis von Fotoshop und falscher Eitelkeit ansehen zu müssen."

„Du stehst also nicht auf eingeölte Sixpacks?", hakte er nach und grinste breit.

Mein Blick fiel automatisch auf seinen flachen Bauch und ich konnte nicht verhindern, mir vorzustellen, wie er so ein eingeöltes Sixpack hatte. Ihm entging das nicht und er zog demonstrativ sein Shirt nach unten.

„Ich hab lieber ein Sixpack Bier und in ölgetunkte Pommes."

Sein Grinsen wurde immer breiter.

„Ich wusste doch, warum du mein Best Buddy bist, Ginger. Ich glaube, du bist das einzige Mädchen, mit dem ich genüsslich ein Bier trinken kann."

Till nannte mich nie bei meinem richtigen Name. Schon in der Grundschule war er so fasziniert von meinen roten Haaren gewesen, sodass ich für ihn immer nur Ginger war. Das Mädchen, das so aussah, als wäre sie eine Verwandte der Weasleys. Bis zur dritten Klasse hatte ich mich geweigert auf diesen Namen zu hören, doch dann hatte ich resigniert und mittlerweile mochte ich es sogar. Es war immerhin besser als Wikingermädchen oder irischer Kobold. Doch Till war der einzige, der mich Ginger nennen dürfte. Er war eben etwas Besonderes.

„Was hältst du davon, wenn wir heute zu Ikea fahren? Wir kaufen Wandfarbe, Vorhänge und definitiv eine Lampe." Er sah nach oben zur einsam baumelnden Glühbirne, die dem Zimmer eine Atmosphäre wie in einem Verhörraum während der Stasi-Zeit verlieh. „Und im Anschluss stopfen wir uns mit Köttbullar voll. Ich lad dich auch ein."

Till war so unkompliziert und er war dafür verantwortlich, dass ich meine Lebensfreude nicht verloren hatte. Dazu gab er mir gar keine Gelegenheit.

„Aber nur, wenn ich dich dann auf ein Softeis einladen darf!"

„Okay, abgemacht!"

Er erhob sich schwungvoll vom Bett. Till trug wie fast immer ein einfarbiges Shirt und das für gewöhnlich in Pastellfarben. Sein dunkler Teint kam dadurch besonders gut zur Geltung. Auch wenn er es nicht zugab, liebte er seine Sunnyboyoptik. Er hatte zwar noch ein ziemlich jungenhaftes Gesicht, aber sein schelmisches Lächeln hatte auf die meisten Mädchen dieser Welt eine Anziehungskraft, wie der Mond zur Erde. Doch ich war in diesem Universum eher ein Planet, der zwar im gleichen Universum seine Runden drehte, aber die niemals in die Umlaufbahn der Erde kommen würde.

„Wir können ja auch noch Diam kaufen", schlug ich vor. Ich liebte diese schwedische Süßigkeiten, auch wenn sie mit Vorliebe meine Zähne verklebten und jeden Zahnarzt wohl die Hände über den Kopf zusammenschlagen ließ.

Tills Lächeln wollte einfach nicht von seinem Gesicht verschwinden.

„Man merkt, dass du auf keine Sixpacks stehst und sie mit sämtlichen Lebensmitteln hartnäckig bekämpfst."

GingerWhere stories live. Discover now