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„Mickey, wach auf!", sagte ich und schüttelte ihn an den Schultern. „Ian", grummelte er.

„Steh auf du fauler Sack", grinste ich und schüttelte ihn weiter.

„Warum? Ich will nicht", seufzte er und drehte sich etwas.

„Na gut, dann bekommst du eben kein Frühstück", sagte ich und hörte auf mit dem Schütteln.

„Schon gut, ich steh ja schon auf." Er stieg aus dem Bett. Erst jetzt bemerkte ich, dass er in der Nacht wohl seine Hose und sein T-Shirt ausgezogen haben muss und deshalb nur in Boxershorts vor mir stand. Ich konnte nicht anders, als seinen Oberkörper anzuhimmeln. Eines musste man zugeben, Muskeln hatte er.

Natürlich bemerkte Mickey meine Blicke, was denn auch sonst? „Gefällt dir was du siehst?", fragte er grinsend, beließ es aber dabei und zog sich weiter an.

„Vielleicht", antwortete ich nach einer ganzen Weile und grinste ihn an. Woraufhin er lächelte und etwas sagen wollte, es aber durch das Klopfen an der Tür unterbrochen wurde.

Es war einer der Wärter, der uns zum Frühstück holen musste. „Frühstücken! Jetzt oder nie!", schrie er, klopfte noch einmal und ging weiter.

„Die sind aber mies gelaunt", meinte ich scherzhaft. Mickey stimmte mir nur zu.

„Das sindsie immer, aber wer kann es ihnen auch verübeln. Immerhin sind sievon Mördern, Vergewaltigern, Kinderschändern und anderen Verbrechern umgehen." Wo er Recht hat, hat er Recht. „Stimmt."

„Was ist heute für ein Tag, Ian?", wechselte er das Thema.

„Donnerstag, warum?", antwortete ich ihm. Da fiel mir ein, dass Donnerstags Besuchstag war und Debbs mich besuchen wollte.

„Nicht so wichtig. Nach 'ner Zeit verliert man das Zeitgefühl hier", sagte er nur. Und ich beließ es dabei.

„Mickey?", fragte ich ihn anschließend wieder. „Ja?"
„Wollen wir jetzt frühstücken?"
Er grinste. „Klar."

„Und dir macht es auch sicher nichts aus, wenn ich Neuling,  neben dir alten Hasen gehe?"

Er lachte und schüttelte nur seinen Kopf. „Nein, warun sollte es?", fragte er.

„Also ist dir dein Image doch nicht so wichtig?", lachte ich.

Doch er schüttelte wieder nur den Kopf. „Ach Ian, mein Image ist mir ziemlich egal. Es gibt viel wichtiger Sachen."

Was? Sein Image ist ihm egal. Mein Lächeln verschwand wieder, wenn es ihm nicht so wichtig gewesen wäre, warum hat er dann für seinen Vater jemanden getötet? Würde er mich auch töten, wenn sein Vater es ihm sagen würde? Nein, daran denke ich lieber gar nicht, außerdem ist sein Vater nicht einmal hier. Nicht mehr... Mickey hat auch gesagt, dass er nicht mehr so schnell wieder zurückkommen wird, zum Glück.

Wir stellten uns nebeneinander an der Schlange an. Er hatte nichts gesagt, nicht ein Versuch, sich vorzudrängeln. Wir holten uns etwas zum Essen und setzten uns an einen freien Tisch, als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ein etwas älterer Mann hereingestürmt kam.

Ich bin wieder da!", brüllte dieser und hatte dabei ein hämisches Lachen im Gesicht.

Ich blickte sofort zu Mickey, da ich ihn eigentlich fragen wollte, wer das war, als ich bemerkte, wie geschockte sein Gesicht war.

„Mickey, wer ist das?", flüsterte ich ihm zu. Er blickte noch immer ungläubig zur Tür.

„Dad", flüsterte er leise.

„W-Was?", kam es mir aus. Ich spürte die Angst meinen Rücken hochkriechen. Der Mann, der schuld ist, dass Mickey jemanden ermordet hat. Der Mann, den er Vater nennt. Sein Vater. Der Mann, der nun genau auf den Weg hier her war, der direkt auf uns zuging.

„Sohnemann", sagte er und begrüßte Mickey.

„D-dad", antwortete Mickey monoton und blickte nicht einmal zu ihm hoch.

Dann wendete er sich nur zu. „Und wer bist du?", fragte er mich - meiner Meinung nach - etwas zu arrogant.

„Ian, aber ich war sowieso am gehen", sagte ich, so ruhig es ging.

„Dann verpiss dich endlich", motze er, sein Gesichtsausdruck wurde finsterer.

Ich mochte den Mann nicht, dabei kannte ich ihn seit nicht einmal sechzig Sekunden.

„Und mit dir, Sohnemann, habe ich noch ein ernstes Wörtchen zu bereden", hörte ich noch Mickeys Dad sagen, ehe ich schon zu weit weg, auf dem Weg zu meiner richtigen Zelle, war.

The Prisoner | GallavichWhere stories live. Discover now