Die längste Nacht

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Ich werde von sanften Küssen geweckt. Hm, es riecht nach Vero... Ich greife nach ihr, ziehe sie auf's Bett und rolle mich auf sie.

„Hey, ich wollte dich nur zum Essen holen..." protestiert sie leise.

„Ich möchte lieber dich essen, Schwesterchen..." grinse ich sie an und ihr Lächeln verschwindet.

„Ich musste dem Personal ja schließlich eine Erklärung für deine Anwesenheit liefern! Es war nicht so einfach, da Rose mich schon ewig lange kennt! Du bist mein Stiefbruder und in der USA aufgewachsen, okay?"

„Yup. Bist du fertig?"

„Womit?"

„Mit Geschichten erfinden. Darin bist du spitze, aber ich würde dich jetzt gerne vögeln."

Vero guckt mich völlig entgeistert an.

„Nein! Was ist los, warum bist du so zu mir? Wärst du lieber auf der Straße geblieben?"

„Da habe ich wenigstens einen geblasen bekommen."

Ich halte Vero's Hand fest, bevor sie mich schlagen kann. Sie wehrt sich, versucht, mich wortlos von sich runter zu schubsen. Ich küsse sie und sie beisst mir in die Lippe. Ich beisse zurück, und sie stöhnt laut auf. Sofort schäme ich mich dafür. Ich lasse sie los.

„Tut mir leid... Verdammt, ich sehne mich so nach dem, was wir mal hatten. Warum ist jetzt alles so kompliziert zwischen uns?" raune ich gequält.

Ihr dunklen Augen sind feucht und sie schüttelt den Kopf. Mann, was mache ich hier? Ich rolle mich von ihr runter, meine Schöne  setzt sich sofort auf und rutscht von mir weg. Nein!

„Vero..." hauche ich und greife nach ihrem Arm. 

Sie legt ihr Gesicht in ihre Hände und etwas später zuckt sie. Ich umarme sie fest von hinten.

„Oh Mann... Hör zu,  ich...ich wollte dich gestern nicht so anschreien. Und auch das eben war... völlig daneben. Ich bin ein Idiot. Vergib mir..." raune ich in ihr weiches Haar.

Sie guckt hoch, dreht sich zu mir und nimmt meine Hände.

„Ich verstehe dich doch, Luke. Du bist ziemlich enttäuscht von mir, hm? Aber was soll ich deiner Meinung nach tun? Wie soll ich bloß den Schein wahren und dich trotzdem lieben?"

„Ich habe keine Ahnung. Du wirst wohl eins von beiden aufgeben müssen, und ich habe das blöde Gefühl, dass ich das sein werde."

Sie wischt sich die Tränen aus den Augen und nickt traurig.

„Ich habe mir mal geschworen, dass ich es in meinem Leben nie wieder so weit kommen lassen würde, verachtet und beschimpft zu werden. Und wenn rauskommt, dass ich einen minderjährigen Stricher gekauft habe, werden sie mich in der Luft zerreissen."

„Dann lass uns abhauen. Irgendwo hin, wo wir wir selbst sein und uns auf unsere Art lieben können."

Vera schüttelt den Kopf.

„Die Idee ist wirklich verlockend, aber ich weiß, wie es enden wird. Das geht vielleicht für ein paar Jahre gut, dann bin ich dir zu alt und du lässt mich fallen wie eine heiße Kartoffel." sagt sie resigniert.

„Was macht dich da so sicher, hm? Ich würde dich heiraten, wenn du das möchtest."

„Luke! Mach dich doch nicht unglücklich!"

„Du machst mich unglücklich, wenn du mich verstösst! Ich brauche dich, Vero. Und du liebst mich auch, gib uns eine Chance, nur eine klitzekleine. Ich spiele auch brav deinen Stiefbruder."

Das Telefon klingelt und ich hebe ab.

„Hier ist Liam. Wir warten auf euch, Leute...", dann flüstert er: „... Rose wird schon misstrauisch..."

Vero schaut mich an, ich antworte:

„Wir sind gleich unten."

Ich erzähle Liam und Rose, das ich schwer wach zu kriegen sei. Rose schluckt es, doch Liam nicht. Nun, er weiß ja, dass ich Vero vögele. Trotzdem kann ich das Essen sogar ein wenig geniessen, bis der Entzug los geht.

Vero bleibt die ganze Nacht an meiner Seite, legt kalte Tücher auf meine Stirn. Sie wickelt mich in die Decke, wenn der Schüttelfrost kommt und wärmt mich mit ihrem Körper. Wenn es mir nicht so dreckig gehen würde, wäre ich der glücklichste Mann der Welt. Immer wieder heule ich, das es mir leid tut, sie betrogen zu haben, sie angeschrien zu haben. Doch Vero tröstet mich sanft und flüstert, dass sie mir vergibt. Und das sie mich liebt. Ja, das ist kein Fieberwahn! Ich liege zusammengekauert und zitternd vor ihr und wimmere:



„B...bitte... schlaf mit mir."

Vero guckt ungläubig.

„Jetzt?"

„Nnn..nein. Überhaupt."

„Was meinst du?"

„Mach mich nicht zu...deinem Bruder. Ich kann es nicht aushalten, dich nicht...anzufassen." bibbere ich.

Vero seufzt. Sanft streicht sie mein verschwitztes Haar aus dem Gesicht und küsst meine Stirn.

„Ich überlege mir was. Aber nicht jetzt, ich bin müde. Hatte nen harten Tag."

„D...danke. Das du mich nochmal gerettet hast."

Diese Nacht wird die längste meines Lebens.






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