15.

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„Noreen! Mum! Bitte! Bitte! Komm zurück! Bitte, Mum!", schrie meine besorgte Tochter, die neben meinem Bett kniete. Ich öffnete langsam die Augen.
„Mum! Oh Gott! Mum! Ich - wir dachten, du ..." Sie hielt inne und sah mich bestürzt und zugleich erleichtert an. Ich versuchte etwas zu erwidern, doch sie unterbrach mich.
Die Tränen hatten ihr hübsches Gesicht verunstaltet: Ihre Augen quollen fast aus ihren Höhlen hervor, während die Tränen nun lautlos über ihre geröteten Wangen perlten.
„Mum! Das darfst du uns nie wieder antun, ja?"
Ich versuchte hinter sie zu blicken, um zu sehen, wen sie mit „wir" meinte, aber ich konnte niemanden entdecken.
„Ich und ... und-", sie schluchzte und schnäuzte sich in ein Papiertaschentuch, „und John und - ja, sogar Daddy ... Ich habe ihn vorhin angerufen, um ihm zu sagen, dass ... dass ..."
Sie beendete den Satz nicht, sondern fing neu an.
„Mum, es tut mir so leid. Wirklich. Aber deswegen musst du dich doch nicht umbringen, ja?"
Ihre Unterlippe bebte.
„Du kannst jetzt nicht einfach gehen. Bitte! Wir brauchen dich noch!"
Ich verstand nicht, was sie meinte und bewegte beinahe lautlos die Lippen.
„Was ist? Ich verstehe nicht."
„Mum. Hast du den Brief etwa nicht gefunden? Ich dachte ..."
Sie sah mich verwirrt an. Ich schüttelte langsam den Kopf.
„Welchen Brief?"
„Oh! Ich - ich bin während deiner Operation in dein altes Ballettstudio gegangen und hab mich ein wenig umgesehen. Auch in dem Raum, in dem dich der Gärtner fand. Du weißt doch, dass dich der Gärtner gefunden hat?"
Wieder schüttelte ich den Kopf. Sie lächelte müde.
„Du bist ja überhaupt nicht informiert! Der Gärtner der Nachbarn des Studios hat gehört, wie jemand hineinging und irgendwann hat er einen dumpfen Knall gehört und dachte sich, dass er lieber mal nachsehen sollte. Also hat er dich dort gefunden. Ohnmächtig. Den Rest kannst du dir ja denken, wir haben ja zwischendurch miteinander geredet - und bei deiner OP haben sie herausgefunden, dass du mit deinem Herz nicht mehr lange leben kannst. Sie haben entschieden, dich wieder aufzuwecken, nachdem sie irgendwas gemacht haben - ich hab es nicht verstanden, aber ich weiß, dass du jetzt mit ein wenig Glück, noch ein paar Jahre vor dir hast."
Ich nickte. Ich hatte schon lange gewusst, dass ich einmal sterben würde und dass dieser Moment immer näher rückte. In gewisser Weise hatte ich es gefühlt - ich meine, dass mein Körper nicht mehr lange meinem Willen folgen würde und ich hatte mich darauf gefasst. Vielleicht war es unvernünftig gewesen, die Akademie zu besuchen, aber vielleicht - vielleicht war es auch einfach nicht zu vermeiden gewesen. Es war klar, dass ich eines Tages gehen würde und es schien mir vielleicht sicherer, mich erneut an alles zu erinnern, bevor ich endgültig keine Zeit mehr dazu hatte.
„Und noch mal zum Brief ... Ich hab mich ein bisschen in dem Raum umgeschaut und hab bei dem Klavier gemerkt, dass die Klappe letztens geöffnet worden war. Ich dachte, das wärst du gewesen und wollte einfach aus Neugierde nachschauen, ob du Klavier gespielt hattest, schließlich würde man in dem ganzen Staub deine Fingerabdrücke sehen können, doch auf den Tasten lag ein Briefumschlag. Er war-"
Sie sah mir tief in die Augen und ich konnte tiefe Traurigkeit in ihrem Blick sehen.
„Er war an dich adressiert. Der Brief."
Sie stand auf und holte einen gelblichen Briefumschlag aus ihrer hinteren Hosentasche. Er war ein wenig zerknittert, aber noch heil. Ich sah sie verständnislos und fragend an. Sie überreichte ihn mir und deutete mit einem Kopfnicken darauf.
„Stark genug, ihn zu lesen?"
Ich bewegte meine zitternden Hände in ihre Richtung und nahm den Brief an. Er war bereits geöffnet worden.
„Hab der Versuchung nicht widerstehen können. Tut mir leid", erklärte Euphemia mit gebrochener Stimme. Ich antwortete nicht, holte den Brief aus dem Umschlag heraus und entdeckte verschiedene Zettel. Ein paar waren klein und fleckig. Ein anderer wirkte neuer und bestand aus einem beschriebenen Din-A4 Blatt. Dazugelegt war eine in einer Plastiktüte aufbewahrte Haarsträhne.
Ich strich die kleineren Blätter glatt und las die verschnörkelte Handschrift.

*****

Endlich kommt hier das neue Kapitel! Ich hatte diese Woche einfach keine Zeit und unser WLAN ist auch noch ausgefallen (ich glaube die ganze Straße hatte damit Probleme) und ich bin jetzt froh, dass mein Datenvolumen noch ausreicht, um das hier zu veröffentlichen!
Dieses Kapitel ist an eine alte Grundschulfreundin gewidmet, mit der ich leider nur noch wenig Kontakt habe. Sie hat mich damals bei einem Gespräch auf die Idee mit dem Brief gebracht. Vielleicht liest du das ja irgendwann mal Hannah 🙈

Ach ja, ich weiß noch nicht, ob ich im Urlaub nächste Woche Internet habe. Wenn morgen kein Kapitel kommt, wäre das dann das letzte für eine Woche, ich hoffe ihr könnt so lange warten :D Wer sich langweilt kann ja gerne bei "Irgendwie. Irgendwo. Irgendwann." oder bei den andern Büchern reinschauen ;)

Viel Spaß beim Lesen und vergesst nicht zu Voten und zu Kommentieren! Jedermanns Senf ist willkommen 😜

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