8.

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Euphemia riss mich aus meinen Gedanken: „Das Krankenhaus hat vor ein paar Stunden auf meinem Handy angerufen. Keine Ahnung, woher sie die Nummer hatten. Vielleicht aus deiner Handtasche. Jedenfalls habe ich John gesagt, dass wir die Flitterwochen leider verschieben werden müssen, weil es dir sehr schlecht ginge. Ich hoffe, er ist nicht zu sauer, obwohl er das natürlich nie zugeben würde. Er hat sich sehr freundlich bei der Nachricht erwiesen und sich echte Sorgen gemacht. Du weißt ja, wie er ist."
„Ja, er war eine gute Wahl, Schatz. Ich bin sicher, er ist sehr fürsorglich, aber wegen mir hättest du doch nicht herkommen sollen! Du weißt doch, dass ich allein klarkomme. Du hättest deine Flitterwochen nicht - nicht wegen mir absagen sollen!"
„Verschoben, Mum. Nur verschoben. Aber das Mal beiseite: Es war sehr unvernünftig von dir, dort hinzugehen. Das hättest du wissen sollen! Dein altes Ballettstudio ... Es war klar, dass dein altes Herz das nicht aushält. All die Erinnerungen, die du haben musst ..."
Ich hatte niemandem jemals von André erzählt. Nicht einmal Scott oder meiner eigenen Tochter. Nein. Das war mein Geheimnis gewesen. Mein Eigenes.
„Zu welcher Beerdigung bist du eigentlich noch mal gegangen, Mum? War das nicht ein alter Kumpel von dir?" Kumpel - oder mehr.
„Ja, es war ... ein Freund ... von Früher. Er war in der Akademie Klavierspieler. André Lejeune."
Euphemia, die sich neben meinem Bett auf einen Hocker gesetzt hatte, formte mit den Lippen ein stilles Oh! und lächelte.
„War da - Verzeihung - aber war da vielleicht irgendetwas zwischen euch?" Wie bitte?
„Was ... meinst du damit? Euphemia? Wieso glaubst du -" Ich stockte. Woher wusste sie das?
„Deine Stimme. Sie war so weich, wie wenn du von Ballett oder Schokolade sprichst, als du seinen Namen ausgesprochen hast."
„Was? Ich ... nein! Sei nicht albern! André Lejeune. André Lejeune. Was ist daran komisch?"
„Du sagst es wieder so! Kann es sein, dass da mehr zwischen euch war, als Freundschaft?"
„Nein!", verneinte ich, aber meine Stimme klang deutlich verunsichert. „André Lejeune."
„Du hast ihn geliebt! Mum, das ist ja wundervoll!"
Ich sah sie ungläubig an.
„Was? Wovon sprichst du? Ich - Wir waren lediglich Freunde! Und überhaupt, das ist doch absolut unwichtig! Du -"
Ein Hustenanfall unterbrach mich und Euphemias Lächeln verschwand sofort aus ihrem Gesicht. Die Krankenschwester, die bisher schweigend zugesehen hatte, stürzte herbei und untersuchte schnell meinen Puls, während Euphemia versuchte, mich zu beruhigen. Plötzlich traten drei oder vier Krankenpfleger durch die Tür am Bettende und schritten, eine Infusionsstation hinter sich her ziehend, auf mein Bett zu. Es ging alles sehr schnell und ehe ich mich versah, drückte mir ein Arzt eine Spritze in den rechten Arm. Das Bild vor meinen Augen flimmerte, der Lärm schwoll fast unerträglich an in einem Wirrwarr aus Piepen, lauten und leisen Stimmen, auf dem Boden nachhallenden Schritten ... und alles wurde leiser, als hätte jemand die Lautstärke heruntergedreht, bis einfach nur endlose Stille herrschte. Mir wurde schwarz vor Augen und ich verlor das Bewusstsein.

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