7.

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Wo dieses Plüschtier jetzt wohl war? Womöglich in meinem Dachboden unter gestapelten Kisten versteckt (- so wie alle Erinnerungen an André). Unerreichbar, wie er.
Meine Augenlider flatterten in die Höhe und ich blickte in die besorgten, kakibraunen Augen meiner Tochter.
„Euphemia! Was ...? Ich dachte ... Wieso bist du hier?", flüsterte ich noch benommen von meinen eigenen Gedanken.
„Keine Sorge, Mum. Beruhig dich! Alles gut. Der Arzt hat gesagt, du brauchst Ruhe. Wie fühlst du dich?" Ich versuchte, mich aufzusetzen.
„Nicht - nicht schlecht." Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber sehr schlecht fühlte ich mich nicht. Ich war schwach. Ich - oder zumindest mein Körper - fühlte sich schwach, doch innen drin spürte ich den Nachklang des altbekannten Kribbelns, das mich überkam, wenn André in der Nähe war. Diesmal war er für mich unsichtbar, aber ich empfand seine Präsenz in meinem Herzen.
Ich fiel wieder in die Kissen zurück. Mein Herz pochte vor Anstrengung gegen meine Brust.
„Mum?! Du kannst dich jetzt nicht aufsetzen! Du musst dich vor jeglicher Anstrengung schonen! Bleib liegen."
Ich erhaschte aus den Augenwinkeln einen Blick auf eine weiß gekleidete Krankenschwester mit langem blonden Haar. Sie stand geduldig in der Ecke und beobachtete jede meiner Bewegungen aufmerksam, bereit, im Notfall zur Stelle zu sein. Stand es wirklich so schlimm um mich?
„Was ist passiert, Euphemia? Wieso bin ich hier und - wieso bist du hier? Ich dachte, du wärst mit John an der Ostküste?" Es war mehr eine Frage, als eine Aussage. Ich starrte Euphemia Higgins, die Tochter meines ehemaligen Mannes, unsicher an. Ich fühlte mich hilflos, von der vergangenen Zeit überrumpelt, hier in einem Krankenbett zu liegen, meine erwachsene, in meinen Augen wunderschöne Tochter an meiner Seite. Es war nicht lange her, da hatte ich sie, ein kleines Baby, in den Armen gehalten und mich gestresst darum bemüht, sie davon abzuhalten, loszuschreien, doch jetzt ...
Als ob unsere Rollen sich vertauscht hätten, war nicht mehr sie das Kind, das von der Mutter betütelt werden muss, sondern ich.
Nachdem ich mein Studium und die Beziehung mit André beendet hatte, hatte ich mich mit Körper und Geist meiner Karriere als Tänzerin gewidmet, wobei ich zugeben muss, dass ich in dieser Zeit auch meinem gebrochenem Herzen freien Lauf lies, den Kummer, den ich wegen André empfand, durch Unterhaltungen (oder mehr) mit anderen Männern zu vergessen versuchend. Ungefähr zu dieser Zeit - ich war wohl 28 oder so - lernte ich meinen künftigen Mann, Scott Higgins kennen. Er war alles, was sich eine junge Dame, wie ich es war, wünschen konnte: Galant, charmant, brillant, (auf seine Art) amüsant, interessant - und nicht zuletzt wortgewandt. Doch all diese Adjektive begleiteten ihn nicht sein Leben lang. Nachdem wir, nach einigen Jahren, in denen wir als Paar zusammen in eine Mietwohnung zogen, heirateten, verbrachten wir ungefähr fünfzehn weitere gemeinsame Jahre. Dann entschied sich das Schicksal, mich um eine weitere Liebe zu berauben und die Scheidung erschien uns beiden als passende Lösung für unsere Streitereien. Das Kind, das wir zusammen erzeugt und aufgezogen hatten, zerbrach beinahe an dieser Entscheidung und lebte fortan bei ihrem Vater, obwohl sie mich alle zwei Wochen besuchte. Ich gebe zu, ich bin wohl niemals wirklich über André hinweggekommen und um dies zu verheimlichen - vielleicht sogar vor mir selbst - gab ich meine gesamte Energie ins Tanzen, sodass nur wenig für meine Familie übrig blieb. Jetzt bereue ich es - leider zu spät.

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Das hier ist vielleicht der letzte Teil bis Freitag, weil ich diese Woche auf Abschlussfahrt bin und mir nicht sicher bin, ob dort genügend Internet ist, wenn überhaupt.
Wer sich langweilt, kann auch gerne mal bei meinen anderen Büchern, zB. bei "Irgendwie. Irgendwo. Irgendwann." vorbei schauen :)
Ich wünsche euch auf jeden Fall eine schöne Woche und freue mich natürlich sehr über Votes und Kommentare!

LG, Joe

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