Kapitel 13

11.1K 427 30
                                    

"Ich glaube, Ski fahren wäre ziemlich cool. Es macht sicher Spaß und ich bin noch nie Ski oder Snowboard gefahren. Im Heim haben wir ja keine Ausflüge gemacht. Wir können ja im Sommer an den Strand fahren oder so"

Louis sah mich dankend an, was mir ein kleines Lächeln ins Gesicht zauberte. Johannas Blick war leider enttäuscht. Wahrscheinlich  wollte sie lieber an den Strand, um sich etwas abzulenken. Sie wollte nicht mehr an Daniel denken und keine Träne mehr vergießen. Dafür war das Meer super geeignet. Man schwitzte seine Sorgen los, außerdem gab es jede Menge heißer Kerle. 

Doch ich handelte egoistisch. Immerhin wurde nach meiner Meinung gefragt. Aber gleichzeitig nahm ich es mir als Ziel, ihr einen wunderschönen Urlaub zu schenken. Sie hatte ihn verdient. Außerdem war sie einfach die tollste Mutter, die die Welt je gesehen hatte. Für Louis war sie seine einige Mutter, doch ich hatte schon einige Schreckschrauben erlebt.

Erst die letzte Pflegefamilie, in die ich geraten war, hatte einen Vollknall. Sie war die schlimmste, die ich je kennen lernen durfte. Wie konnte eine kleine Familie nur so schrecklich verrückt sein? Ich erinnerte mich noch gut an ihre eigenartigen Rituale. Ihr andauerndes Barfuß laufen mit der Begründung, dass sie den Boden schonen wollen. Er müsse schon genug Leid erleben. Wie hatte das Heim mich nur in solch eine Familie schicken können? Und ihre Mutter war der Horror. Sie hing an mir wie eine Klette, fragte mich aus wie ein Polizeibeamter, ließ mich keine Sekunde alleine. Später kam heraus, dass sie mich nur adoptiert hatten, um mir den Teufel auszutreiben.

Doch die schlimmste Mutter von allen war meine eigene. Eine verdammte Hure, die es mit jedem Kerl trieb, der auch nur ein kleines Bisschen reich aussah. Sie war drogenabhängig und brauchte das Geld, um sich neue zu kaufen. Denn nichts anderes wollte sie. Selbst ich war ihr egal gewesen. Ich erinnerte mich noch gut an den Abend, an dem sie von einer ihrer Partys nach Hause kam. Ich hatte 40 Grad Fieber, doch das störte sie nicht. Sie zog mich hinter sich her, damit wir zu ihrem neuen Freund gehen konnten. 

Ich konnte mich sehr gut an sie erinnern. An ihr scheußliches Gesicht, ihre stumpfen Haare und ihr wahnsinniges Lachen. Doch ich erinnerte mich auch gut an den Schmerz. Den Schmerz, tag täglich allein zu sein, egal ob krank oder gesund. Den Schmerz, den sie mir zufügte, wenn sie einige Tage keine Drogen bekam. Nach einer Zeit hatte ich mich daran gewöhnt, obwohl ich sie über alles hasste. Und dann kam die Polizei. Sie nahm mich mit und steckte mich in eine Pflegefamilie. 

Ich hatte also genug Erfahrungen gemacht, um sagen zu können, dass Johanna die beste Mutter war, die es gab. Ich schuldete ihr einiges, also begann ich langsam damit, meine Schulden zu begleichen.

"Ich habe gehört, dass es in diesem einen Hotel so ein Hallenbad gibt, was so eingerichtet ist, dass man sich wie am Strand fühlt. Da können wir ja hinfahren, dann ist jeder glücklich", erwähnte ich und lächelte.

Louis sah begeistert aus. Er nickte und schaute zu Johanna rüber.

"Harry und ich machen in der nächsten Zeit ein bisschen Straßenmusik. Jetzt, wo ich weiß, was er drauf hat, können wir das ja machen. Dann verdienen wir noch etwas Geld dazu, damit wir uns das leisten können"

Und wieder einmal war ich erstaunt von Louis. Anscheinend übernahm er jetzt auch die Finanzen und kümmerte sich darum, dass wir genug Geld hatten jeden Monat. Wie konnte man ihn denn nicht lieben? Ich war mir sicher, dass er für seine Mutter alles tun würde und genau das machte ihn zu meinem Favorit.

"Ach was, das müsst ihr doch nicht tun. Ich mache einfach ein paar Überstunden. Zur Not gehen wir einfach in ein normales Hotel, das nicht so teuer ist. Ich kann gleich mal ein bisschen suchen und schauen, was ich so für Angebote finde"

Johanna lächelte uns an und stand dann auf. Ich half ihr mit dem Abwasch und Louis unterhielt uns mit lustigen Geschichten. Manche waren wirklich so lustig, dass ich mich an der Theke abstützen musste. Ich wünschte, ich hätte sie alle in meinem Kopf aufbewahren und nie mehr vergessen können. Doch leider müsste ich sie aufschreiben, um sie nicht zu vergessen. 

"Nun aber ab ins Bett, Jungs. Morgen ist Schule und ich möchte nicht, dass ihr schlechte Noten bekommt. Vor allem du nicht, Louis!"

Es war bereits bekannt, dass Louis nicht so gut in der Schule war. Immerhin hatte er andauernd geschwänzt und war lieber zu Fußballspielen im ganzen Land gefahren oder hatte selbst gezeigt, was er konnte. Nun war er jedoch auf dem guten Weg der Besserung und Johanna wollte nicht, dass er einen Rückzieher machte und sich wieder alten Gewohnheiten widmete. Trotzdem tat er mir irgendwie leid.

An diesem Abend schlief ich so gut wie lange nicht mehr. Ich lag in meinem eigenen Bett in meinem eigenen Zimmer, in dem ich noch am Tag Sex mit dem Jungen hatte, in den ich verliebt war. Ich konnte eigentlich nur gut schlafen, doch trotzdem war ich glücklich darüber, dass ich es tat. Somit wachte ich auch glücklich auf. Die Sonne schien in mein Zimmer und weckte mich auf eine angenehme Art und Weise.

Es gab Tage in meinem Leben, die fühlten sich nicht real an. Sie waren zu schön, um wahr zu sein. Gestern war einer dieser Tage gewesen. Doch als ich heute morgen mein Shirt hinter meinem Bett fand, wusste ich, dass der gestrige Tag wirklich geschehen war. Ich lächelte und machte mich auf den Weg ins Bad, um meine morgendliche Routine durchzuführen. Louis leistete mir Gesellschaft. Er war wieder einmal im Stress, doch hatte es trotzdem geschafft, mir ein Lächeln zu schenken und einen wunderschönen guten Morgen zu wünschen.

Meine Hoffnung stieg, dass er auch etwas für mich empfand. Wir wären das perfekte Paar. Mittlerweile kannten wir uns wirklich super gut. Natürlich gab es noch einige Dinge, die wir nicht voneinander wussten, aber das war auch gut so. Wir würden sicher noch eine Menge Zeit haben, mehr über einander heraus zu finden.

In der Schule war es so wie immer. Ich machte nicht sonderlich viel mit und redete mit so gut wie keinem. Liam hatte kein Wort mehr mit mir gewechselt, sodass ich davon ausgehen konnte, dass die Sache erledigt war. Damit hatte ich kein Problem, immerhin hatte ich jetzt Louis, obwohl das ja niemand wusste. Doch das störte mich nicht. Solange ich es in meinem Gedächtnis hatte, reichte es mir. Was brauchte ich schon, wenn ich stattdessen ihn haben konnte?

Brothers l.s.Where stories live. Discover now