Tierische Gesellschaft

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Tierische Gesellschaft

Die Schilderung der Ereignisse hatte lange gedauert. Er hatte weit ausholen müssen. Noch vor dem Tod von Lily und James, damals, als Lily, James, Charlotte und er in ihrem kleinen Haus in Greenwich gesessen und Karten gespielt hatten. Damals, als es plötzlich an der Tür geklopft und Dumbledore dagestanden hatte, das Gesicht aschfahl. Lily und James müssten sich verstecken, hatte er erklärt und die Tragödie um Schutzzauber und Geheimniswahrer hatte ihren Anfang genommen.

Er hatte es erläutert, erklärt, hatte seine eigene verfluchte Geschichte zum besten gegeben und zu seiner großen Überraschung hatte Eridanus ihm geglaubt. Vielleicht, weil es plausibel klang oder weil er nicht glaubte, dass man sich so eine Geschichte selbst ausdenken konnte. Außerdem war sein älterer Bruder nie jemand gewesen, der sich auf eine bestimmte Seite schlug, war dies doch sogar eine der Charaktereigenschaften, die Ollivander besonders an ihm schätzte.

Und mit der neuen Gesellschaft war es ihm plötzlich besser gegangen. Die Dementoren hatten nach und nach ihren Einfluss über ihn verloren. Wenn auch nie ganz. Seine 'Gesellschaft' kam sooft, wie es eben möglich war in Form der kleinen Fledermaus, immer mit einem kleinen Zettelchen dabei. Er hatte sie allesamt aufbewahrt und in seiner Matratze versteckt. Unbequemer konnte das Teil eh nicht werden. Niemand hatte sie je entdeckt.

Natürlich hatte jeder mitbekommen, wie sich sein Gemütszustand änderte. Sie hatten sich gewundert, hatten öfter als sonst bei ihm vorbeigeschaut und hatten misstrauische Blicke in seine Zelle geworfen. Zuerst hatte er es über sich ergehen lassen, hatte sich beobachten lassen wie ein Tier im Zoo. Dann, einige Wochen später hatte er zurückgeschossen. Hatte gelächelt und gefragt, ob sie einen alten Tagespropheten übrig hätten. Hatte sich gefreut, wenn sie zurückgezuckt waren, entsetzt davon, wie normal er war und wie unnormal das für einen Gefangenen war.

Nein, seine Gesellschaft hatte ihn gerettet aus dem schwarzen Loch, in das ihn sein verräterischer Ratten-Freund hatte fallen lassen. Hatte ihn kuriert von der allgegenwärtigen Gleichgültigkeit von Askaban und hatte ihm sogar einen Hauch von Hoffnung gegeben, den er wie ein Wachhund vor den kalten Fängen der Dementoren beschützte.

Er hatte Bilder von seiner Familie bekommen, von seiner Tochter, die ahnungslos irgendwo bei London aufwuchs und seiner Frau, die ihn verlassen hatte und die er trotzdem noch liebte. Er war dankbar dafür, dass sie ihre gemeinsame Tochter im Dunkeln ließ, Adriana brauchte nichts von diesem dunklen Kapitel ihrer Familie wissen … noch nicht.

Und er verfasste Pläne, Pläne für einen Ausbruch – und noch viel wichtiger – Pläne für die Wiederherstellung seines Rufes. Sie kamen nur schleppend voran, vor allem wenn es um letzteres ging. Wie sollte er das Ministerium davon überzeugen, dass er unschuldig war? Es gab kaum Ermittlungen zu seinem Fall, alles schien offensichtlich. Wie sollte er zu seiner Familie zurückkehren, wenn er doch keine Ahnung hatte, was aus Peter dem Verräter geworden war. Der ihn ins Messer hatte laufen lassen … und James' Familie dem Tode überlassen hatte.

Tausend verworfene Ideen füllten seine Matratze mittlerweile. Pläne, die ihn anfangs voller Tatendrang hatten erzittern lassen und die am Ende doch nicht haltbar gewesen waren. Er dachte daran, einfach als Flüchtiger zu leben, doch er wollte seine Familie und nicht das Exil, also schmiedete er lieber weiter Pläne. Außerdem hatte er ja Eridanus. Der Ravenclaw war unschlagbar im Lösen von scheinbar unlösbaren Situationen. Und – so dachte er sich immer, wenn mal wieder ein Plan ins Leere verlaufen war – er hatte ja auch alle Zeit der Welt.

Bis die kleine schwarze Fledermaus ihm eines Tages zwei Zettel vorbei brachte. Einen winzigen Pergamentfetzen und einen Zeitungsartikel aus dem Tagespropheten.

Auf dem Pergamentfetzen stand: „Es tut mir leid, kleiner Bruder.

Schwarz wie die Nacht: Vater (Harry Potter Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt