Kapitel 18

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Malia

Ein Ansatz war immerhin etwas. Natürlich wäre ein vollständiger Plan besser gewesen, aber wahrscheinlich war es gut, dass sie damit noch gewartet haben.

Ich hatte nämlich auch noch einige Informationen, die sie interessieren würden.

»Dann erklärt mir doch mal, was genau ihr machen wolltet.«

Der Blick, den Joris und Jake tauschten, sagte schon alles. Ihr Plan beinhaltete mit ziemlicher Sicherheit irgendetwas, das mir nicht gefallen wird.

Jake räusperte sich und begann zu erklären.
»Eigentlich war unsere Überlegung ziemlich simpel. Luc spielt den Köder, das heißt, dass du dir seinen Lebensfaden nimmst, und ihn zu den Moiren bringst. Wenn sie ihn an sich nehmen wollen, lässt du ihn in Luc zurückfließen, damit er dort sicher ist. Gleichzeitig legt er seine Macht um die Moiren, die sie zwar innerhalb von Minuten durchbrechen können, allerdings kurz abgelenkt sind und deshalb nicht auf dich achten. Was ein Fehler ist, weil du in der Zeit, in der sie ihre Kräfte gegen Joris richten, ihre Verbindung zu ihrer Lebensquelle trennst.«

Der Anfang war gar nicht so schlecht, das musste ich zugeben. Allerdings...

»Ich? Ich soll alleine die drei Moiren umbringen? Ich habe ganz sicher nicht die Kraft dazu, das zu tun.«

Joris schnaubte.
»Ist das ein Witz? Du hast meine gesammelte Kraft mit einem einzigen Schlag vernichtet, als du meine Seele zerstören wolltest. Und die ist – wenn ich das so sagen darf – nicht gerade gering.«

Das stimmte tatsächlich. Es hatte mich nicht viel Anstrengung gekostet, die schwarze Mauer zu durchbrechen, die Joris um sich herum errichtet hatte.

Trotzdem würde dieser Plan so nicht funktionieren, weil es da diese Kleinigkeit gab, die die zwei nicht wussten.

Bevor ich etwas sagen konnte, begann Joris wieder zu sprechen.
»Du siehst das nicht, Malia, aber deine Kräfte sind unglaublich stark. So etwas hat es noch nie vorher gegeben, deshalb kann ich nicht ganz genau einschätzen, was du damit alles machen kannst – aber wir können es herausfinden.«

Mit der Einzigartigkeit hatte er schonmal Recht.
Schließlich hatte es vor Josy und mir noch nie Zwillingshexen gegeben, die beide Magie in sich trugen.

Meine Gedanken wanderten, wanderten zu dem Moment im Keller unseres Anwesens, als mein gesamtes Leben zerstört wurde, weil ich Josy tot auf dem Boden liegend gefunden hatte.

Danach hatte es nicht lange gedauert, bis Flora und ich rausgefunden hatten, wer dafür verantwortlich war.
Unsere eigenen Eltern hatten Josy geopfert, um ihre Magie in mich überzuleiten und meine Macht somit zu verdoppeln.

Obwohl wir zusammen hätten alles erreichen können, hatten sie mir brutal die eine Hälfte meiner Selbst genommen, weil sie nicht wollten, dass wir uns irgendwann zerstritten und die gewaltige Macht nicht mehr gemeinsam einsetzen konnten.
Als hätte das jemals passieren können.

Warme Hände schlossen sich um mein Gesicht und ich blickte auf, sah Joris an, der direkt vor mir stand, und ganz genau wusste, wohin meine Gedanken abgedriftet waren.

»Bleib bei mir«, flüsterte er, und zog mich in eine feste Umarmung.

Ich ließ mich hineinfallen, nahm dankend den Trost an, den er mir spenden wollte. Dieses Mal blockte ich den Schmerz, der mich überkam, wenn ich an Josys Tod dachte, nicht ab, sondern ließ ihn über mich hinwegrollen, ließ ihn kleine Risse in mein Herz reißen, dass nie vollständig verheilt war.
Doch je länger ich damit warten würde, den Schmerz zuzulassen, desto größer würden die Wunden werden, die er verursachen würde.
Und jeder wusste, dass kleine besser zusammenwuchsen als große.

Ich wusste nicht, wie lange wir so dastanden, doch irgendwann hustete Jake demonstrativ.

»So sehr es mich schmerzt, euch aus diesem liebevollen Moment zu reißen, so muss ich euch doch an meine Wenigkeit erinnern, die nicht in Malias Kopf sehen kann und sich dezent ausgeschlossen fühlt.«

Lächelnd löste ich mich von Joris und sah zu Jake, der mich musterte. Sein Zwinkern verriet mir, dass er es mir nicht böse nahm, und ich ihm nichts erzählen musste, wenn ich nicht wollte.
Ich bewunderte ihn definitiv für die Fähigkeit, in jeder Situation das Richtige zu sagen, aber mein finstertes Innerstes nach außen zu kehren, obwohl wir uns nur flüchtig kannten, wäre doch etwas zu viel.

»Da ich auch nicht in deinen Kopf sehen kann, wären wir quitt«¸ erwiderte ich also nur.

»Lahme Ausrede«, flüsterte er mir zu, während er durch den Raum ging und sich an den Esstisch fallen ließ.

Joris verdrehte nur gutmütig die Augen und folgte ihm, während er mit einem Schnipsen das Essen verschwinden ließ, und stattdessen Papier und Stifte auftauchten.

»Mit Elektrizität wäre hier unten alles so viel einfacher«, murrte sein bester Freund und schnappte sich einen Kugelschreiber, um anfangen zu können, unseren Plan aufzuzeichnen.

Seufzend ließ ich mich ihm gegenüber und neben Joris fallen.

Gut für sie, dass ich mit an Bord war. Dann konnte man nämlich alles noch so verändern, dass er tatsächlich auch funktionieren würde.

»Das, was ihr euch vorgestellt habt, wird so nicht funktionieren.«

Jake grätschte mir dazwischen, bevor ich endlich das sagen konnte, was mir schon so lange auf der Zunge brannte, ich jedoch immer noch nicht ausgesprochen hatte, weil ständig etwas dazwischengekommen war.

»Wissen wir. Aber es sind nur Kleinigkeiten. Du brauchst natürlich etwas Training, bis wir anfangen können, vielleicht sollten wir als Sicherheitsmaßnahme noch den Dolch einbauen, falls irgendwas schiefgeht, und wir brauchen definitiv noch eine Alternativlösung.«

Er und Joris begann darüber zu sprechen, wie man den Anschlag sicherer für uns alle machen konnte, und ich versuchte immer wieder etwas einzuwerfen, doch ohne Erfolg.
Sie waren so vertieft in ihr Gespräch, dass es kein durchdringen gab.

Was okay gewesen wäre, wenn meine Worte nicht alles verändern würden, was sie gerade planten.

Irgendwann reichte es mir und ich blickte mich suchend nach etwas um, mit dem ich sie zum Schweigen bringen konnte, lächelte dann aber.
Jake hatte Recht, ich musste üben, mit meiner Kraft umzugehen.

Ein Prickeln flutete meine Adern, als die Magie mir ins Blut schoss und sich wabernd um mich herum ausbreitete, bis sie die beiden Dämonen erreichte.
Intuitiv führte ich sie, wie eine Sprache, die man schon lange nicht gesprochen hatte, die man aber immer noch verstand.
Meine Kraft legte sich über ihre Gesichter, betäubte für einen kurzen Augenblick all ihre Sinne und kroch durch ihre sich öffnenden Münder ihre Kehle hinunter.

Mit einem einzigen Gedanken ließ ich sie wieder in mir verschwinden. Das würde genügen.

Sowohl Joris als auch Jake blinzelten, und starrten mich an.

»Kann ich jetzt endlich was sagen?«, fragte ich mit süßlichem Unterton in der Stimme.

»Tut mir leid«, entschuldigte sich Joris, und bedeutete mir, fortzufahren.

Ich schluckte und atmete einmal durch. Wir würden schon eine Lösung finden.

»Die Moiren – Sie haben meinen Lebensfaden.«

Fassungslosigkeit spiegelte sich auf dem Gesicht des Dämons, der auf der anderen Tischseite saß.

»Scheiße«, fluchte Jake.

Ich drehte meinen Kopf, suchte, und fand.

Zweifarbige Augen, die seine Ausgleichsfunktion zwischen heller Widergeburt, und dunkler Höllenqualen symbolisierten.
Furcht spiegelte sich darin.
Nackte Angst, mich zu verlieren, nachdem er mich gerade erst gefunden hatte.

Eternal BloodlineDonde viven las historias. Descúbrelo ahora