Kapitel 47

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Es war krank, was in dieser gesamten Zeit passiert war. Es war krank, in was für einer gottverdammten Romcom ich lebte.
Wie ich niemals durchatmen konnte, ohne erneute Veränderung.
Denn zwei weitere Wochen später änderte sich mein Leben zum gefühlt Hundertsten Mal innerhalb von einem Jahr. Schon wieder.
Die Frage, weshalb ich nicht einfach ein paar Wochen Frieden haben konnte, stellte sich mir genau da.
Als ich zitternd auf dem Boden meines Badezimmers saß. Als ich meinen Blick auf dieses kleine, große Plus richtete.
Ich war schwanger.
Nicht nur einmal, sondern fünf mal.
Den ersten vier Tests hatte ich nicht glauben wollen. Aber nachdem auch der Fünfte das Plus anzeigte, gab ich auf.
Ich lebte in einem Film.
In einem einzigen Film.
Dieses Leben war gescriptet.
Von vorne bis hinten.
Als meine Periode ausgeblieben war, hatte ich nicht mal an die Möglichkeit denken wollen. Aber als ich sie auch eine Woche später noch nicht hatte, konnte ich die Option nicht länger ausschließen.
Nicht mehr länger so tun, als würde sie bald kommen, wenn ich bloß weiter behauptete, dass ich nicht schwanger war.
Ich hatte Angst.
Unglaubliche Angst.
Nicht nur weil Jamal bereits ein Kind bekam, nicht nur weil ich noch in München lebte. Sondern vor allem, weil es mich daran erinnerte, wie es letztes Mal ausgegangen war.
Und das konnte und wollte ich nie wieder erleben.
Ich saß seit locker eineinhalb Stunden auf diesem Badboden. Hinterfragte, wer um alles in der Welt mein Leben schrieb und wieso er es so kompliziert machte. Und vor allem fragte ich mich, wie es dieses Mal ausgehen würde. Ob ich mein kleines Baby dieses Mal in meinen Arm nehmen dürfte. Oder ob man es mir wieder wegnehmen würde. Und ich betete mit allem, was ich hatte, dass es nicht so war. Dass man dieses Mal weniger grausam mit mir sein würde.

„Kochst du was für mich mit? Ich hab nichts mehr Zuhause.", rief Lilli aus meinem Bad.
Ich bejahte und machte mich dann daran, Wasser in einem Topf aufzukochen.
Während ich Gemüse schälte und schnitt, kam sie zurück.
„Du kannst schon mal die Nudeln in das Wasser tun.", meinte ich beiläufig, sie regte sich nicht. Verwirrt sah ich zu ihr und fror dann mitten in meiner Bewegung ein.
Denn in ihrer Hand hielt sie die Tests.
„Juli, was-"
Ich schluckte.
„Die solltest du nicht finden."
„Weiß Jamal schon davon?", flüsterte sie.
„Nope."
Ihr Gesichtsausdruck war allem voran überglücklich. Aber da war noch etwas anderes. Sorge, wenn ich es richtig deutete. Sorge, wegen letztem Mal.
Keiner aus Jamals oder meiner Familie wusste bisher von Anas Kind. Es war viel zu früh.
Zumal vor allem Lillis Meinung zu Jamals und meinem Comeback eh schon gespalten war. Zum einen war sie unglaublich froh darüber, dass wir es geschafft hatten. Zum anderen konnte sie absolut nicht nachvollziehen, dass ich ihn nach allem zurückgenommen hatte.
„Gott Juli.", sie rannte auf mich zu und schloss mich in eine Umarmung, „Glückwunsch!", murmelte sie in meine Halsbeuge hinein.
„Danke Lil.", meinte ich müde lächelnd und strich ihr über den Rücken.
„Ich weiß, ich habe mich über eure Reunion nicht ganz so begeistert gezeigt, aber wirklich nur, weil ich dir das Beste wünsche. Ich freue mich unendlich für euch.", sie löste sich von mir und strich sich eine Träne aus dem Gesicht.
„Ich weiß doch und dafür lieb ich dich ganz doll.", ich drückte ihre Hand.
Sie sah mich an, ihr Ausdruck wurde sanfter.
„Juli?"
„Hm?"
„Das, was letztes Mal passiert ist, wird nicht wieder passieren, okay? Ich glaube ganz fest daran."
Ich lächelte erschöpft, sie runzelte ihre Stirn.
„Aber das ist nicht deine einzige Sorge...", murmelte meine Schwägerin, „Was ist los?"
„Nichts?"
„Nah... ich kenne dich langsam gut genug. Spuck es aus!", sie fixierte mich mit ihrem Blick.
„Lil, da gibt es nichts."
„Mh Lüge. Raus mit der Sprache, Juli!"
Ich seufzte, denn ich wusste, dass sie keine Ruhe geben würde: „Also gut, aber du darfst das niemandem sagen. Das ist Jamals Aufgabe und Entscheidung."
Sie kniff ihre Augen zusammen: „Egal wie ungerne ich das jetzt sage: versprochen."
Ich nickte, dann atmete ich einmal tief durch: „Ana ist auch schwanger."
Die ersten paar Sekunden war keinerlei Regung auf Lillis Gesicht zu sehen. Dann kam die Nachricht scheinbar langsam bei ihr an.
„Nein.", murmelte sie, „Nein!", meinte sie dann mit Nachdruck.
Ich presste meine Lippen zusammen.
„Und du bist trotzdem noch mit ihm zusammen???", sie sah mich ungläubig an, ich zuckte mit meinen Schultern.
„Juli, das-", sie starrte mich fassungslos an, „Wie lange weißt du davon?"
„Bisschen weniger als vier Wochen..."
„Und von deiner?!"
„Seit gestern."
Sie ließ sich in einen Stuhl fallen und schüttelte ihren Kopf.
„Juli? Dein Leben ist wahnsinnig. Und das ist nichts positives."
„Was meinst du, wie glücklich ich wäre, wenn nur ein paar Wochen einfach alles wieder so wäre, wie es vor der ganzen Sache war..."
Ihr Blick wurde mitleidig.
„Wann hast du vor, meinem Bruder Bescheid zu sagen?"
Ich zuckte hilflos mit meinen Schultern: „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wann und wie ich es ihm sagen soll. Es ist eh schon alles so kompliziert und das jetzt auch noch-..."
Sie nahm meine Hand: „Er wird sich freuen, Juli."
Ich lächelte nur müde, sie kniff ihre Augen zusammen.
„Freust du dich denn?"
„Ja natürlich. Es ist nur... ich habe Angst, Lil. Und dann ist das gerade so ein verdammt schlechter Zeitpunkt. Jedes Mal, wenn ich gerade anfange, auf die neue Situation klarzukommen, verändert sich wieder alles."
„Vielleicht ist das die Belohnung für das ganze Leid der letzten Monate.", wisperte Jamals Schwester und kam dann zu mir, um mich fest zu umarmen.

„Wann plant der eigentlich, Mama zu sagen, dass sie Oma wird und zwar nicht nur durch dich? Sie war ziemlich sauer, dass er von der Trennung nichts gesagt hat."
Ich zuckte mit den Schultern: „Ich habe keine Ahnung, schätze aber, dass er vorhat, erst von Anas zu erzählen, wenn das erste Trimester um ist. Damit... du weißt schon, das Risiko geringer ist."
Sie nickte, verzog dann ihr Gesicht: „Das Familientreffen wird schrecklich werden... Hey Leute: es gibt eine sehr gute, eine gute und eine ... weniger gute Nachricht. Die sehr gute zuerst: ihr werdet Oma, Onkel und Tante! Die gute dabei ist, sogar zweifach! Die weniger gute ist, nur eines der Kinder ist von Juli.", sie machte ein ironisch-zuckersüßes Gesicht.
„Ich finde das alles weniger lustig... denn jetzt muss ich ihm erst mal sagen, dass er zweifacher Papa wird. Und dann muss ich meiner Familie beibringen, dass Jamal zweifacher Papa wird, aber ich nur einfache Mama."
Sie verzog das Gesicht: „Mögen dir größere Mächte helfen, oder so...", dann aber fing sie wieder an zu strahlen: „Mann ich freue mich so!"

Endless love ? - Jamal MusialaWhere stories live. Discover now