dieciocho

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N O A H
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Der ganze Raum ist voller Menschen, welche nach Alkohol, Schweiß und Sex riechen.

Normalerweise macht es mir nichts aus, aber heute ist es irgendwie anders.

Wo zur Hölle ist eigentlich Ryan?

Nur wegen ihm bin ich überhaupt hergekommen, sonst würde ich jetzt zu hause in meinem Zimmer chillen und Netflix gucken, aber nein.

Ich setze das Glas, welches ich gelassen in meiner Hand halte, an meine Lippen und trinke daraus. Ich sollte nichts trinken, ich muss gleich noch mit dem Motorrad zurückfahren, aber es ist nur ein Glas. Mehr werde ich nicht trinke.

Ein Glas, da wird nichts passieren. Gott, wenn Alessandro oder Damian das herauskriegen, dass ich angetrunken durch die Straßen fahren werde, bringen die mich um.

Sie werden mich so oder so schon umbringen, weil ich mitten in der Woche, ungefragt, auf einer fucking Hausparty bin.

Ich sollte mir weniger Gedanken machen, es wird nichts geschehen. Das einzige was ich jetzt machen werde, ist, dass ich mein Drink austrinke, Ryan suche und dann nach Hause fahren werde.

Vielleicht ist es dann auch schon spät genug, dass die anderen alle schon schlafen, was ich stark bezweifle, wenn sie bemerkt haben, dass ich nicht zu Hause bin.

,,Noah!", die Stimme von Ryan, lässt mich kurz zusammenzucken, aber ich kriege mich schnell wieder ein und gucke ihn gleichgültig an. ,,Was gibts?", frage ich ihn, und meine Stimme klingt dabei kälter, als normalerweise. Er sieht mich kurz an, fährt dann aber sofort vor. ,,Wir wollen jetzt ein paar Shots exen, machst du mit?"

Mein Kumpel sieht mich perplex an, als ich meinen Kopf schüttele. ,,Nein, ich fahre jetzt nachhause.", sage ich und exe mein Drink schnell leer. ,,Ach komm schon, deine Brüder sind bestimmt nicht so streng mit dir, wenn du etwas später nach Hause kommst. Sie müssen doch eh früh arbeiten, sie leiten doch eure Familienfirma.", sagt er, aber ich schüttele den Kopf und gehe verabschiede mich, ehe ich nach draußen zu meinem Motorrad laufe.

Es ist ein befreiendes Gefühl, als ich mich auf mein Motorrad setze und los fahre. Familienfirma, klar.

Jeder denkt, dass meine Brüder in einer völlig normalen Familienfirma arbeiten, die schon seid Generationen von unserer Familie geleitet wird. Es war das normalste und logischste, als Erklärung, wieso sie öfters nicht zu Hause sind oder wieso wir soviel Geld haben.

Das wir eigentlich eine Familie sind, welche eine Mafia leitet, weiß niemand. Nicht einmal unsere kleine Schwester. Sie ist noch so unschuldig.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Violet das große Geheimnis unserer Familie von selbst herausfindet, ehe es Alessandro ihr sagen kann und ich will nicht wissen, was dann passiert. Sie wird wahrscheinlich geschockt sein. Oder doch enttäuscht? Keine Ahnung.

Unsere Familie ist kompliziert. Es änderte sich alles, da war ich fünf und meine kleine Schwester und mein kleiner Bruder, waren drei. Die beiden hätten in zwei Wochen Geburtstag gehabt und wären vier geworden.

Allerdings hatten Mom und Dad einen riesigen Streit, der extrem eskaliert ist. Wir lagen alle gemeinsam bei Alessandro im Bett. Er versuchte uns zu beruhigen, besonders unsere beiden jüngsten. Ich hielt Violet und Valentino fest in meinen Armen, sie waren nicht sonderlich kleiner als ich, aber ich war trotzdem ein wenig größer als beide.

Unser Vater kam auf einmal herein, und meinte zu meinen älteren Brüdern und mir, dass wir unsere Sachen packen sollen, wir würden ausziehen.

Irgendetwas brach an diesem Tag in mir, von einem Moment auf den nächsten, wurde ich von Valentino und Violet getrennt und heute, heute habe ich nur noch Violet, meine kleine unschuldige Schwester.

Valentino verstarb, genauso wie unsere Mutter an einem Autounfall. Zu der Beerdigung konnten wir nicht gehen. Ich wäre so lieben gerne da gewesen, einfach nur um für Violet da zu sein, sie in meinen Armen zu halten und sie zu trösten.

Aber auch jetzt, vermeide ich größtenteils den Kontakt zu ihr. Die einzigen Ausnahmen sind in der Schule, und wenn ihr jemand weh tun möchte, so wie Jayden es letztens tat.

Ich muss es Alessandro oder Damian sagen. Die beiden haben unser Sorgerecht, zumindest das von Violet und mir, da wir noch nicht Volljährig sind.

Wir wohnten mit unserem Vater eigentlich in Spanien, in Barcelona, aber dann verschwand er spurlos. Alessandro und Damian hatten mit einem Mal die Verantwortung für alles. Für uns. Für die Mafia.

Die beiden suchten einige Wochen nach unserem Vater, aber auch viele Wochen nach seinem Verschwinden, konnten wir ihn nicht finden.

Sie entschieden sich dazu wieder nach Amerika zu ziehen, damit wir in der Nähe unserer jüngeren Geschwister waren, aber wir haben uns nie bei ihnen gemeldet. Das einzige was wir gemacht haben war, eine Postkarte an unseren Onkel zu schicken, und eine Woche später rief er uns an und erzählte uns von dem Unfall, welcher zuvor ein paar Monate her war.

Von dem Moment an, war mir klar, dass ich beide meine Eltern verloren habe, wobei ich immer noch die Hoffnung habe, dass unser Vater wieder auftaucht, aber er ist wahrscheinlich schon Tod.

Ich schüttele Gedanklich meinen Kopf um meine Gedanken zu sortieren. Mein Blick geht durch die Dunkelheit Los Angeles, welche sich über die Straßen zieht, und diese Leere.

Es ist ein freies Gefühl, ich fühle mich frei, während ich durch die leeren Straßen fahre und genieße es. Der Drink, welchen ich getrunken habe, macht sich zum Glück nicht bemerkbar, was mich daran erinnert, wieviel ich eigentlich ertragen kann. Genügend.

Der Wind umhüllt mich und ich spüre, wie sich mein Shirt ein wenig nach oben geht, während ich durch die Nacht von Los Angeles fahre.

Meine Gedanken schweifen immer wieder ab, ich kann keinen klaren Kopf fassen.

Ich fahre einfach nur Gedankenverloren durch die dunklen und leeren Straßen Los Angeles. Es ist ruhig, kein Auto, nichts.

Die plötzliche Helligkeit vor mir, lässt mich allerdings aufmerksamer werden und meine Gedanken sind plötzlich einfach verschwunden, als wären sie nie da gewesen, würden nicht existieren.

Vor mir ist ein Auto und es fährt direkt auf mich zu. Fuck. Es ist auf der falschen Spur, was mache ich denn jetzt?

Ich versuche auszuweichen, was das Auto vor mir ebenfalls versucht, wir beiden schaffen es nicht, denn wir weichen in die selbe Richtung.

Erst als das Auto ins Schleudern gerät, weiß ich, dass ich es nicht schaffen werde. Ich werde einen Unfall haben.

Das Auto knallt in mein Motorrad, und ich fliege im Bogen und mit hoher Geschwindigkeit über das Auto. Ein Schmerz durchzieht mich und ich kann kaum atmen, meine Augenlider sind schwer und ich kriege kaum noch etwas mit.

Schmerzen sind das einzige was ich im Moment spüre, aber dann spüre ich noch, wie etwas hartes auf mir landet. Meine Augen sind halb geschlossen und ich versuche zu erkennen, was auf mir liegt. Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke mein Motorrad ist auf mir gelandet.

Ich darf meine Augen nicht schließen.

Meine Atmung geht immer schwerer und meine Augenlider werden immer schwerer, ich werde sterben, ganz klar.

Ich versuche meinen Kopf zu heben, aber es klappt nicht. Ich schließe meine Augen. Ich kann nicht mehr, ich bin müde, ich habe schmerzen.

Dunkelheit umhüllt mich und aufeinmal bekomme ich nichts mehr mit.

Bin ich Tod?

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our broken familyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt