Kapitel 1: Ankunft in Dunraven

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„Wann sind wir denn endlich da?" - „Bald", sagt Alex, der den Wagen fährt. Konzentriert blickt er auf die Straße in der Dämmerung. Sie sind schon seit Stunden unterwegs und die Sitze von Alex altem Opel Corsa werden langsam ungemütlich. „Halt bitte am Straßenrand an. Ich kann es nicht länger zurückhalten!", beklagt sich Jordan. „Du hättest auch nicht zwei Flaschen Wasser während der Fahrt trinken müssen!", schnauzt Alex. „Halt jetzt einfach den Wagen an! Hier ist doch eh niemand", befiehlt Jordan. „Meinetwegen", erwidert Alex. Er verlangsamt den Wagen und bleibt langsam am Straßenrand stehen. „Gott ich platze gleich!", ruft Jordan, als er noch aus dem langsam rollenden Fahrzeug steigt. „Beeil dich!", ruft ihm Alex hinterher, doch der hat ihn schon gar nicht mehr gehört.

Jordan rennt bereits zum nächsten Busch, um sich zu erleichtern. Er ist gerade dabei seinen Gürtel zu öffnen, als ihn ein seltsames Gefühl überkommt – ein Gefühl als wäre er nicht allein. Vorsichtig schaut er sich um und hört plötzlich ein Knacken im Unterholz. „Wer ist da?", doch er bekam keine Antwort. Ein Gefühl der Unruhe breitet sich in ihm aus. Angestrengt blickt er in den Wald am Straßenrand, um zu sehen, wer oder was dort sein könnte. Plötzlich sieht er zwei Augen die auf ihn zu rennen. Bevor es ihm möglich ist, irgendwie zu reagieren, springt auch schon ein Hirsch über seinen Kopf hinweg. „WOAH! Was war das denn?" Verdutzt blickt er dem Hirsch hinterher, der auf der anderen Straßenseite auch gleich wieder im dichten Wald verschwand.

„Wo bleibst du denn?", ruft Alex aus dem Auto. „Hast du das Vieh gesehen? Es ist einfach über meinen Kopf hinweggesprungen!", schreit Jordan zurück. „Spinnst du jetzt vollkommen?", schreit Alex. Jordan läuft hastig zurück zum Wagen und steigt ein. „Wie, ob ich jetzt vollkommen Spinne? Hast du nicht diesen riesigen Hirsch gesehen?" „Nein, habe ich nicht." Beide schauen sich verdutzt an bis sich Casey sich zu Wort meldet. „Wir sollten weiterfahren. Bis nach Dunraven ist es nicht mehr weit." Dunraven, das Ziel ihrer Reise.

Dunraven, ein Ort voller Mythen und Geheimnisse. Einst ein lebensfroher Ort der von einem dunklen Fluch heimgesucht wurde. In Dunraven lebte die Familie Vanhurst in ihrem Anwesen. Sie waren sozusagen der Patron des Dorfes. James Vanhurst, Vater und erfolgreicher Geschäftsmann, Julia Vanhurst, liebste Ehefrau und Mutter und deren gemeinsame Tochter Elisabeth Vanhurst, eine junge und weltoffene Dame. Doch in der Nacht zu Elisabeths 16. Geburtstags verstarb die gesamte Familie Vanhurst auf unerklärliche Art und Weise. Als man ihre Leichen am nächsten Tag fand, waren ihre Augen kohlrabenschwarz und die Haut bleich wie Schnee. Der Gemeinderat von Dunraven entschloss sich, die Leichen der Familie zur Sicherheit zu verbrennen, denn was sie sahen konnte nicht von dieser Welt sein. Bis zum heutigen Tag liegt immer noch ein Schatten über Dunraven und dem verlassenen Anwesen – so erzählt man es sich jedenfalls.

„Schaut mal Jungs! Da vorne das Schild." Jordan zeigte auf ein altes und beinahe zugewachsenes Ortsschild mit der Aufschrift „Dunraven". „Wir sind da", sagt Alex. Es war bereits dunkel, als die drei Freunde in dem Dorf ankommen. Ein Dorf, das so aussieht, als wäre es in der Zeit von damals stehengeblieben. Die Straße ist gepflastert mit großen, unebenen Steinen. Die Häuser teils oder komplett zugewachsen mit Efeu und anderen pflanzen. Alte Straßenlaternen, in welchen Kerzen zu flackern scheinen, erzeugen nur einen leichten Schein. Die Jungs wundern sich, dass hier überhaupt noch jemand lebt. „Hier sollte unsere Unterkunft sein.", Casey blickt auf die Landkarte. Ihr Navigationssystem konnte den Ort nämlich nicht finden und sie waren gezwungen eine alte Karte aus dem Internet herunterzuladen und auszudrucken. Alex biegt nach rechts in die Hofeinfahrt ihrer Unterkunft. Sie sitzen eine Weile still in dem Wagen als Casey sich zu Wort meldet. „Das ist also Dunraven. Seid ihr euch sicher, dass wir das machen sollen?" „Hast du etwa Zweifel? Das ist nicht der erste düstere und unheimliche Ort, den wir aufsuchen", entgegnet Alex. „Ich weiß, aber irgendwie habe ich ein ungutes Gefühl." „Du denkst immer zu viel nach Casey", spricht Jordan. „Jordan hat recht. Wir sollten nicht zu viel darüber nachdenken und uns lieber darauf konzentrieren, warum wir hier sind. Nämlich um mehr über das alte Anwesen der Vanhursts herauszufinden und was es mit deren mysteriösen Tod auf sich hat." „Ihr habt recht. Wir sollten jetzt jedenfalls hineingehen. Ich bin echt müde." Die drei sehen sich in die Augen und nicken. Sie steigen aus, holen ihre Sachen aus dem Kofferraum und begeben sich auf dem schlammigen Weg zur Eingangstür des Gasthauses.

Sie öffnen die schwere Holztüre, betreten das Foyer und nehmen eine angenehme Wärme wahr. Die Drei laufen über den knorrigen Holzboden, auf dem ein langer roter Teppich ausgelegt ist. An den Wänden befinden sich alte Gemälde und Kerzenschein erhellt den Gang. Sie folgen dem roten Teppich zur Rezeption. Hinter der Rezeption sitzt eine alte Frau und hinter ihr befinden sich die Schlüssel zu den Zimmern. 10 Schlüssel, 10 Zimmer und alle Schlüssel hängen dort, wo sie hingehören. Die alte Frau blickt auf. „Ihr seid tatsächlich gekommen." Ihre Stimme ist kratzig und rau. „Wir haben hier nicht oft Gäste und ich war schon besorgt um euch." „Hier sind wir", entgegnet Alex. „Die Fahrt hat länger gedauert als angenommen. Wir sind auch ziemlich erschöpft und hätten gerne den Schlüssel zu unserem Zimmer." Die alte Frau dreht sich um und greift den Schlüssel für Zimmer 6. „Euer Zimmer befindet sich im oberen Stockwerk. Nicht zu verfehlen." Sie lächelt die drei Jungs an. „Danke." Alex nimmt den Schlüssel an sich. Sie greifen ihre Koffer und begeben sich in Richtung der alten, massiven Holztreppe, die neben der Rezeption ist. Auf halbem weg die Treppe hinauf hören sie die alte Frau noch etwas zu ihnen sagen. „Ihr solltet euch lieber vom alten Anwesen der Vanhursts fernhalten." Ihre Stimme ist klar und ganz und gar nicht mehr kratzig. „Was dort vor 100 Jahren geschehen ist, war nicht von dieser Welt. Und was auch immer dort noch verweilt sollte besser nicht gestört werden." Wortlos bleiben die drei auf der Treppe stehen und starren sich an. Als sie weiter nach oben gehen, hören sie nur noch das Lachen der alten Dame.

Sie blicken auf die Zimmertür, deren Zimmernummer ganz krumm und schief hängt. Alex steckt den Schlüssel in das Schlüsselloch und entriegelt die Tür. Das Zimmer ist spärlich eingerichtet. Ein Holzschrank, ein Tisch mit Stühlen, drei Betten und ein paar alte Gemälde verzieren den Raum. Die einzige Lichtquelle ist eine Öllampe, welche über dem Tisch von der Decke hängt und schon entzündet ist. Sie stellen ihre Koffer ab, setzten sich auf die Betten und starren sich wieder an. Die Stille ist fast schon erdrückend, bis Casey ein paar Worte aus dem Mund kommen. „Meint ihr, wir sollten auf die alte Frau hören?" „Unsinn, das ist einfach nur eine verrückte alte Schachtel. Wenn man hier lebt, wundert mich das aber auch nicht." , sagt Alex. „Aber das Ganze ist doch verrückt. Der mysteriöse Tod der Vanhursts, dass die alte Frau weiß, was wir vorhaben, der Hirsch dem ich begegnet ..." „Schluss jetzt!", zischt Alex. „Wir sind müde und sollten jetzt schlafen. Wir haben morgen einen langen Tag vor uns und wir sollten ausgeruht sein." Casey und Jordan stimmen zu. Alex erlischt die Öllampe an der Decke und die drei begeben sich in ihre Betten.

Die Nacht ist klar und der Mond scheint in voller Pracht. Von ihrem Zimmerfenster sieht man das Anwesen auf einem Hügel emporragen. Der Mondschein taucht das alte Gebäude in ein unheilvolles Licht und die drei können nicht einmal erahnen, was sie dort am nächsten Tag erwarten wird. 

Schatten über DunravenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt