Kapitel 5: Im Bann der Dunkelheit

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„W-Was zur Hölle?", stammelt Jordan ängstlich vor sich hin. „Sehr witzig Jungs. Wer von euch war das?", erkundigt sich Alex zögerlich. Die drei schauen sich mit verwirrten Blicken an. „Das kann keiner von uns gewesen sein. Wir waren doch alle die ganze Zeit im Arbeitszimmer!", meint Casey. Die Porzellanpuppen sitzen weiterhin einfach nur da und starren die Jungs an. „Dann muss irgendjemand mitbekommen haben, dass wir hier sind und spielt uns jetzt Streiche", erklärt Alex. „HEY! Wer auch immer hier ist, lass das sein!", schreit er durch den großen, dunklen Gang. Nichts, außer dem hallenden Echo seiner Warnung ist zu hören. Ein Schauder macht sich in den Bäuchen der Freunde breit. „Ich glaube, wir sollten lieber von hier verschwinden. Es wird auch schon langsam dunkel", schlägt Jordan vor. „Klingt nach einer guten Idee", stimmt Casey zu. Der Regen wird immer stärker und ein Donnerschlag folgt auf dem Nächsten. Blitze erhellen den Gang, die durch das alte Kinderzimmer von Elisabeth scheinen. „Na dann los jetzt!", hetzt Jordan. Hastig laufen die Jungs den Weg zurück in die Eingangshalle, mit wachsender Paranoia. Sie spurten an den alten Gemälden vorbei, die gefühlt endlose Treppe hinab, als plötzlich einer der Drei stolpert und seinen Halt verliert. „Fuu ... aaah!", hört man es nur schreien. Es war Jordan. Er fällt purzelnd und sich überschlagend die steinerne Treppe hinunter. „Jordan!", rufen die anderen Zwei, als sie vergeblich versuchen, den vorauslaufenden und jetzt fallenden Jungen festzuhalten. Nur ein Rumpeln hallt mitsamt der Schreie durch die monumentale Eingangshalle. Jordan schlägt wie ein nasser Sack am Ende der Treppe auf dem Holzboden auf, welcher seinen Sturz in keiner Art und Weise abfedert. Dort liegt er nun. Sein rechter Unterarm ersichtlich zertrümmert. Es war auch nicht zu überhören, denn das Geräusch berstender Knochen schoss durch die Halle und er schlug mehrmals mit seinem Arm auf den rauen, scharfkantigen Stufen auf.

„Scheiße, Jordan!", schreien die beiden erneut, als sie die Treppe hinunterrennen, um ihrem verletzen Freund zur Hilfe zu eilen, mit Sorge selbst noch auf der gefährlichen Treppe zu stürzen. Jordan, welcher noch bei Bewusstsein war, schreit vor Schmerzen. „ARGH. Fick dich! FICK DICH DU ELENDIGER BASTARD! ICH REIß DIR DEN ARSCH AUF!" Alex und Casey sind inzwischen unten bei Jordan angekommen und versuchen ihn zu beruhigen und untersuchen die Verletzung ihres Freundes. „Scheiße Jordan. Dein Unterarm ist gebrochen", meint Alex. „Was du nicht sagst Professor Oberschlau? Schau lieber im Rucksack nach, ob wir irgendetwas haben um meinen Ar....AAARGH!", schreit er, als er versucht auf den Rucksack zu zeigen. „Halt still! Casey, los sieh nach, ob wir Schmerztabletten und etwas zum Fixieren dabei haben!", befiehlt Alex in einem hastigen Ton. Casey kramt panisch in seinem Rucksack, um das Erste-Hilfe-Set zu finden. „Mach schon, Casey, schneller!", schreit Alex. „Schrei mich nicht so an Mann! Ich such' doch schon!" „ARRGH, fuck ...", ertönt es immer und immer wieder und hallt durch den viel zu riesigen Raum. Casey hat inzwischen das Verbandszeug und ein paar Tabletten gefunden. „Hier nimm!", er reicht die Sachen Alex, welcher sogleich vier Schmerztabletten in Jordans schreiende und wimmernden Mund stopft. „Hoffentlich helfen die dir erstmal, bis wir zu einem Arzt kommen", meint er. Dann versucht er, aus dem Verband eine provisorische Schlaufe für seinen Arm zu wickeln, um diesen zu fixieren. Jordan schreit und weint nun auch. Das Adrenalin, das anfangs durch seinen ganzen Körper schoss, lässt inzwischen nach. „So, das sollte fürs Erste halten", beruhigt ihn Alex. Die Schmerzen lassen auch gleich etwas nach, denn sein gebrochener Unterarm baumelt jetzt nicht mehr unkontrolliert in der Gegend herum. „Wir müssen schleunigst hier raus und ihn zu einem Arzt bringen!", gibt Casey ungeduldig von sich. Jordan hat sich gerade wieder ein wenig beruhigt. Als er seine Taschenlampe in die linke Hand nimmt und noch einmal das obere Ende der Treppe anleuchtet, lässt er seine Taschenlampe fallen und kommt sofort den Tränen erneut nah. „J-J-Jungs. Da oben!" Alex und Casey drehen sich schnell um, da sie mit ihren Rücken zur Treppe standen, die Taschenlampen so fest wie noch nie zuvor in ihren Händen haltend. Sie erstarren und können es nicht fassen. „Die ... Puppen. Die verdammten Puppen! Wie zur Hölle ..." „Verdammt, scheiß darauf, wir müssen hier weg!", unterbricht Alex Casey. Dort sitzen sie wieder in all ihrer schaurigen Pracht an der obersten Treppenstufe. Auf einmal kippt eine der Puppen langsam nach vorne und purzelt die Treppe hinab. Nicht ganz so laut wie bei dem Sturz von Jordan, aber dennoch nicht zu überhören. Die Jungs schrecken zurück, als die Puppe am Ende der Treppe vor ihren Füßen aufschlägt und der rechte Arm des Porzellanspielzeugs abbricht.

„Oh nein. Nein, nein, nein!", ruft Casey panisch. „Raus hier! Los! Was auch immer hier los ist, scheiß drauf!", schreit Alex. Die beiden helfen Jordan auf die Beine und laufen los. Jordans Taschenlampe liegt noch immer auf dem Boden und leuchtet die beschädigte Puppe an. „Los! Schneller!", spornt Alex seine Freunde an. Sie rennen zur großen, unheilvollen aber geöffneten Eingangstür des Anwesens, durch die noch ein leichter Lichtschein in den Anfang der Halle eintritt. „Schneller! Schneller!", rufen sie einander zu. Furcht, Angst und Hoffnung treibt die drei Freunde an. Alex stolpert über Ranken, die aus dem Boden wachsen, fällt zu Boden aber rappelt sich hastig wieder auf. Die Panik treibt ihn zu sehr an. Sie sind fast an der Tür und sie können schon die kühle, regnerische Luft wahrnehmen, die sich mit dem modrigen Duft des Anwesens mischt. Ihre Herzen pumpen Blut in Rekordzeit durch ihre Adern, nur noch mit Fokus auf die bevorstehende Freiheit. Weg von diesem Gebäude. Doch auch wenn die Hoffnung bekanntermaßen zuletzt stirbt, stirbt sie dennoch. Kurz bevor sie an der gigantischen Tür ankommen, beginnt sie sich mit lautem Quietschen und einem Knall, der abermals durch das Anwesen hallt, zu schließen. „Scheiße was ist das denn jetzt?", schreit Casey. Alex rüttelt an der Tür, aber sie bewegt sich kein Stück. „Fuck! Nein! Nein, nein nein ... GEH AUF!", ruft er panisch. „Das kann nicht wahr sein! Das kann einfach nicht wahr sein!", winselt Jordan. Sie drehen sich um und blicken in die, nun viel finsterer wirkende Halle des Anwesens. Ihre Herzen pochen, ihre Adern zucken. Sie wissen nicht, was sie machen sollen, wissen nicht, wo sie hin sollen, wissen nicht, wie sie hier herauskommen sollen. Es fühlt sich an als würde die Finsternis immer näher auf sie zukommen. „Was machen wir denn jetzt?", fragt Casey zitternd. „Wir müssen einen Weg hier rausfinden", sagt Alex entschlossener, als er es tatsächlich ist. „Vielleicht gibt es hier unten irgendwo noch einen anderen Ausgang", fügt er hinzu. „Los, lasst uns da entlang gehen!", er zeigt auf die Torbögen, die sich rechts von ihnen befinden. Abermals rennen sie los, so als ginge es um ihr Leben. Unter den Torbogen durch, hinein in den unteren Westflügel des Anwesens. Ihre Taschenlampen schwenken auf und ab. Jordans Taschenlampe, welche noch immer vor der Steintreppe liegt, schenken die Drei in ihrer Hast keinerlei Beachtung. Dass die, vom Sturz beschädigte Puppe, dort nun gar nicht mehr liegt, ist ihnen ebenfalls entgangen. Die drei Freunde waren eingesperrt. Gefangen im Bann der Dunkelheit.

Schatten über DunravenWhere stories live. Discover now