3 | Hass

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Unter Aufbringung all ihrer Selbstbeherrschung trat Cassandra einen Schritt zurück

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Unter Aufbringung all ihrer Selbstbeherrschung trat Cassandra einen Schritt zurück. Sie brauchte Abstand, um überhaupt so etwas wie einen klaren Gedanken fassen zu können. Mühsam klammerte sie sich an das höfliche Lächeln, das sie die letzten Tage einstudiert hatte. »Hallo, Hunter.«

Sie konnte Überraschung über seine Gesichtszüge flimmern sehen, doch dann war wieder die Maske aus Ablehnung und Verachtung da. »Peggy. Bist du bereit?«

»Immer.« Mehr brachte Cassandra nicht raus. Sie wusste, ihre Stimme würde zittern, wenn sie weitersprach. Was hatte sie dem Schicksal getan, dass sie in der Gegenwart ihres geliebten Hunters war, aber von ihm gehasst wurde?

Er nickte nur kurz, dann bot er ihr den Arm an, den sie zögerlich annahm. Sich bei ihm unterzuhaken, ihm so nahe zu sein, ihn zu berühren, schien ihr gerade die schlechteste Idee aller Zeiten. Dieser Teil in ihr, den sie nur als wölfisch beschreiben konnte, sabberte Hunter förmlich an.

Mit erhobenem Haupt ließ sie sich aus dem Anwesen führen und bestieg die Kutsche, die für sie beide bereit stand. Mit einem erleichterten Seufzen löste sie sich von Hunter und nahm ihm gegenüber Platz. Jeder Abstand zwischen ihnen war ihr mehr als willkommen.

Es fühlte sich seltsam an, plötzlich damit konfrontiert zu werden, dass sie tatsächlich auch ein Werwolf war. Sie wusste, dass in dieser Welt alle Werwölfe einen wölfischen Teil in sich trugen. Es war nicht so, als wäre das eine eigene Person. Es war eher, als ob sie eine Charakterseite hatte, die besonders wild und animalisch war – und für einen großen Teil ihrer Sexualität verantwortlich war.

Und dieser wölfische Teil verzehrte sich nach Hunter. Als ob ihre Liebe zu ihm nicht sowieso schon unsterblich gewesen wäre, musste jetzt natürlich noch diese körperliche Seite, dieses brennende Verlangen dazu kommen. Vielleicht hätte sie auch das aushalten können. Wenn da nicht Hunters Reaktion auf sie gewesen wäre.

Selbst jetzt, während sie in einer Kutsche schweigend durch die Gegend polterten, lag eine Spannung zwischen ihnen, die Cassandra schwindelig machte. Hin und wieder stahl sie einen Blick in seine Richtung, doch jedes Mal zuckte sie sofort wieder zurück. Hunter schaute sie unverwandt an, derselbe Hunger in den Augen, aber die Arme vor er Brust verschränkt, als wollte er sich selbst festhalten. Als müsste er sich zusammenreißen, um nicht hier in der Kutsche über sie herzufallen.

Szenen aus dem Buch schwammen durch ihren Kopf. Zwischen Ebony und Hunter hatte es heftig geknistert und gegen Ende wurde es auch wirklich heiß mit den beiden. Wenn der echte Hunter hielt, was das geschriebene Wort versprach, dann...

Zischend stieß Cassandra die Luft aus und schloss die Augen. Sie würde nicht an die grafisch beschriebenen Sexszenen denken, nicht hier, nicht in seiner Nähe. Das war das Gegenteil von hilfreich. Schon jetzt spürte sie, wie sich Hitze zwischen ihren Beinen ausbreitete und ihr gleichzeitig auch in die Wangen stieg.

»Reiß dich zusammen!« Die raue Stimme von Hunter unterbrach ihren Gedankenstrudel.

Mit pochendem Herzen leckte Cassandra sich über die Lippen. »Was?«

Für den Bruchteil einer Sekunde folgte sein Blick ihrer Zunge, wie sie schnell einmal über ihre Lippen fuhr, doch sofort schnellte er zu ihren Augen zurück. »Du weißt genau, was ich meine. Kontrollier gefälligst deinen Wolf. Ich möchte nicht, dass du mir heute schon wieder in der Öffentlichkeit so offensichtlich hinterher hechelst.«

Sie atmete mehrmals bewusst ein und aus. Es war schwer, nicht auf ihn zu reagieren, wenn seine tiefe Stimme diesen rauen Tonfall anschlug. Genau so hatte sie ihn sich vorgestellt, wenn er in der Geschichte seine wölfische Seite rausgelassen hatte: ungezähmt, gefährlich und sexy. Aber er hatte recht. Sie war hier, weil sie die Geschichte verändern wollte, um ihr eigenes Ende umzuschreiben. Der erste Schritt dafür war, Hunter Davenport nicht noch weiter gegen sich aufzubringen.

»Es tut mir leid, Hunter. Es ist nicht immer einfach für mich. Aber ich verspreche dir, ich werde mich heute benehmen.« Sie schaute ihm bei dem letzten Satz direkt in die Augen, um ihrem Versprechen mehr Gewicht zu geben.

Das war offensichtlich ein Fehler. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte Hunter sie gepackt und an sich gerissen. Eine Hand in ihrem Haar vergraben, die anderen noch immer fest um ihr Handgelenk geklammert, zog er sie in einen hitzigen Kuss. Machtlos gegen die geballte Kraft seiner Anziehung schmolz Cassandra seufzend gegen seinen muskulösen Körper. Die Wölfin in ihr schien begeistert aufzuheulen und ein Echo in Hunter zu finden, der stöhnend den Kuss vertiefte.

Getrieben von gieriger Lust presste sie sich noch enger an ihn. Sie wollte alles von ihm spüren, jeden Zentimeter seines Körpers erkunden. Ihn in sich fühlen.

Entsetzt wand sie sich aus seiner Umklammerung und rückte von ihm ab. Hunter hasste Peggy. Nur, weil sie potentielle Mates waren, hieß das nicht, dass er sie tatsächlich wollte. In der Geschichte war deutlich geworden, wie inkompatibel die beiden Charaktere waren. So sehr sie sich auch körperlich nacheinander verzehrten, es war unverantwortlich, unter diesen Umständen ihren Trieben nachzugeben. Sie waren zwar verlobt, aber Cassandra wusste, Hunter wollte sie nicht wirklich. Sie hatte kein Recht darauf, ihn noch mehr an sich zu binden.

»Es tut mir leid«, flüsterte sie schwach und diesmal mied sie seinen Blick absichtlich. »Ich hab vergessen, wie intensiv Blickkontakt zwischen uns ist.«

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Hunter mit geballten Fäusten auf der Bank saß und sie fassungslos anstarrte. »Welche neue Teufelei ist dies? Denkst du, ich bin dir gewogener, wenn du dich plötzlich zurückhaltend zeigst?«

Verzweifelt suchte Cassandra nach den richtigen Worten. Im zweiten Kapitel der Geschichte kam Hunter stinksauer beim Fest an. Als Leser wusste man nicht, was zwischen ihm und Peggy auf der Hinfahrt geschehen war, aber es musste ein schlimmer Streit gewesen sein. Hatte sie gerade unwissentlich die ursprüngliche Handlung nachgeahmt, obwohl sie versucht hatte, es anders zu machen?

»Meine Worte sind aufrichtig«, setzte Cassandra an, doch Hunter brachte sie mit einer harschen Geste zum Schweigen.

»Spar dir deine Worte. Du hast keine Vorstellung, was für eine Folter es für mich ist, dass ich so sehr für dich brenne. In deiner Gegenwart will ich nichts lieber, als dir die Kleider vom Leib zu reißen und mich in dir zu versenken. So, wie es sein sollte. So, wie die Natur uns geschaffen hat.« Seine Stimme klang wieder so rau wie zuvor, doch sie hörte ein Zittern darin. »Aber wie könnte ich jemals jemanden wie dich zu meinem Mate machen? Mit jedem Tag, den ich dich besser kennenlerne, sehe ich mehr, was ich verachte.«

Jedes Wort war wie ein Peitschenhieb. Cassandra wusste, dass er seine Worte an Margarete Blanc richtete, und trotzdem traf es sie. Sie hatte nichts verbrochen, aber sie war diejenige, die diesen Hass abbekam. Es war nicht fair, doch Hunter konnte das natürlich nicht wissen. Peggy war ein schlechter Mensch durch und durch. Es war kein Wunder, dass er am Boden zerstört war, sie als Verlobte zu haben und zu wissen, dass die Natur in ihnen ideale Mates sah.

Sie schluckte und rutschte in die Ecke der Sitzbank, um mehr Abstand zwischen sie beide zu bringen. »Es tut mir leid, Hunter. Es wird nie wieder geschehen.«



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