9. Kapitel: Die Neun

31 3 2
                                    

Über dem nächsten Tag lag ein Schatten. Alle spürten es, nicht nur Amina und Legolas mit ihren empfindlichen Elbensinnen. Die Luft schien kälter, der Wind heftiger und eisiger und der Boden schien sie regelrecht festhalten zu wollen. Aragorn, der seit Gandalfs Tod in den Minen von Moria des öfteren ganz vorne lief, wandte den Kopf zu den anderen und verkündete: "Das gefällt mir nicht." "Was? Die offene Landschaft?", fragte Boromir. "Jeder von Saurons Dienern könnte uns aus Kilometern erspähen.", ergänzte Gimli. "Das auch. Aber ich rede von dieser Situation hier.", erklärte der Thronfolger von Gondor. Amina sagte: "Dieser Tag hier ist verdunkelt von den Schatten Mordors." "Jetzt weiß ich, warum ich den ganzen Tag schon so einen Juckreiz habe.", brummte Gimli und stemmte seine Axt zu Boden. "Sauron." "Ringträgerin. Weißt du, ob er uns sieht?", wollte Boromir wissen. "Ob sein Auge uns verfolgt?" Die junge Elbin zog die Stirn kraus. "Ich könnte es herausfinden. Was er sieht. Aber dazu müsst ihr mich festhalten. Bevor ich... unüberlegte Dinge tue." "Wieso?", Aragorn trat zu ihr. "Was hast du vor?" Darauf lächelte Amina. "Wenn ich wissen will, wohin der dunkle Fürst gerade blickt, so muss ich mich von dem leiten lassen, was ich von ihm habe." "Der Ring?", Legolas warf den Kopf zu ihr herum, seine blaugrauen Augen waren dunkel. "Willst du ihn benutzen?" Entsetzt schüttelte Amina den Kopf. "Bei Sil'ans Strahlen! Nein! Das muss ich nicht.", sie verengte die Augen und sah nacheinander jeden ihrer Gefährten an. "Der Ring ist an den Rändern meines Bewusstseins. So beständig wie ein rauschender Bach. Sauron würde es wissen, wenn ich ihn benutzen würde und ich habe ihn schon gespürt, wenn ich den Ring abgewehrt habe. Ich werde ihn nicht benutzen, nicht anstecken, um herauszufinden, wohin das Auge des dunklen Fürsten blickt.", sie senkte die Stimme. "Ich kann es euch nicht beschreiben, was ich tun muss, weil ihr keine Ringträger seid. Nur so viel kann ich euch sagen: Wenn ihr wirklich wissen wollt, ob Saurons Auge uns gerade sieht, wenn ihr wollt, dass ich das herausfinde... Dann müsst ihr mir vertrauen." Es war seltsam, das Wort 'vertrauen' mit einer solchen Intensität auszusprechen, befand Amina im Stillen. Wo sie selbst doch kaum jemandem wirklich vertraute. Die anderen Gefährten tauschten Blicke. Dann nickte Aragorn, Gimli ebenfalls. Boromir senkte zustimmend den Kopf und Legolas seufzte. "Lass dich nicht verführen.", sagte er leise. Amina lächelte. "Mitnichten.", erwiderte sie auf Elbisch und fuhr dann, wieder in der Gemeinsprache, fort: "Wie gesagt, wenn ich irgendetwas seltsames tue, müsst ihr mich irgendwie außer Gefecht setzen. Mir vollkommen egal wie. Oh, und wenn ich etwas seltsames erzähle... Nicht zuhören." "Werden wir nicht.", versprach Aragorn. Amina nickte, dann schloss sie die Augen und ließ eine Lücke in der Schutzschicht entstehen, mit der sie ihren Verstand vor dem Wahnsinn des Ringes beschützte. Natürlich blieb diese Abschwächung der Finsternis an den Rändern ihres Geistes nicht verborgen. Interessiert schlängelte sich die wallende Dunkelheit vor, fand das Loch und begann, hineinzusickern. Geduldig wartete Amina und versammelte ihre telepathische Macht in einem anderen Bereich ihrer Gedanken. Dann stieß sie all ihre Sinne in den dunklen Wahnsinn. Aus der kalten Finsternis wurde blitzschnell flammendes Rot. Saurons Auge. Er blickte sie an und in der Pupille stand wieder jene Gestalt, die er zuletzt gehabt hatte - groß, finster. Mit einer eisernen Krone. Neun Schatten umrahmten ihn und Amina schnürte es die Kehle zu. Die Nazgûl.
Ringträgerin., hallte Saurons Stimme durch ihre Gedanken. Es war nur seine telepathische, nicht seine wahre, denn er hatte noch keinen Körper. Dieser Umstand gab Amina ihren Mut zurück. Sauron. erwiderte sie kalt.
Sprich, Ringträgerin. Was ist dein Begehr? Bist du gekommen, um dich mir doch noch anzuschließen?, schnurrte der dunkle Fürst. Angewidert schlug Amina mit dem silbernen Glitzer ihrer telepathischen Macht eine Lücke in die Finsternis, die Geister der Nazgûl kreischten. Niemals! Ich bin nur aus einem Grund hier!, fuhr sie fort. Ach jaaa?, Sauron zog das Wort in seinem Geist in die Länge. Weshalb, Eminels und Lamilas' Tochter? Mühsam würgte Amina ihren Hass hinunter. Ziemlich trostlos, da wo du bist, was?, spottete sie. Aber das bist du bestimmt gewohnt. Mit ihrem nächsten Satz setzte sie noch einen drauf: Morgoth war dir ja ein guter Lehrer. Orangene Blitze zuckten durch das flammende Auge, die Nazgûl zogen ihre Klingen. Amina wusste, dass jetzt der Moment gekommen war. Sie hüllte ihren Geist in das silberne Leuchten ihrer telepathischen Macht und riss sich aus der Finsternis, stieß den Ring aus ihrem Verstand, trieb ihn zu den äußersten Rändern ihres Seins zurück und verschloss die Lücke in ihrem Schutz.
Dann riss sie die Augen auf. Die anderen Gefährten sahen sie angespannt an, Legolas sah ziemlich blass aus. "Und?", flüsterte er. Nach Luft ringend presste Amina sich eine Hand an die Rippen. "Er weiß es. Er sieht uns. Er hat uns genau im Auge. Er... Er... Er schickt die Neun nach uns.", stieß sie hervor. Boromirs Blick wurde düster. "Nazgûl!", zischte er. "Kannst du sie schon spüren, Ringträgerin?" Keuchend schüttelte Amina den Kopf. "Noch nicht.", sie schluckte schwer. "Noch nicht." "Wir sind hier auf dem Silbertablett.", knurrte Gimli. "Ein Ende", warf Aragorn ein "ist nicht in Sicht." War es nicht. Denn in allen vier Himmelsrichtungen ging es weiter mit einer trostlosen Kombination aus rauem gelb-grünen Gras und Felsbrocken - soweit das Auge reichte. Selbst Aminas Elbenauge. "Gandalf sagte, wir können die Nazgûl nicht bekämpfen. Aber wenn wir es nicht tun, sterben wir.", meinte Legolas schließlich. "Weglaufen ist auch nicht.", Gimli dachte laut nach. "Hier ist überall keine Deckung." Darauf schenkte Boromir ihm einen verächtlichen Blick. "Also ist jetzt der Vorschlag, dass wir hier stehen und auf die Nazgûl warten, oder was?", fragte er und wieder schien sein hitziges Temperament durch. "Hast du einen besseren Vorschlag, Denethors Sohn?", hakte Amina schneidend nach. Boromir wandte ihr den Kopf zu und funkelte sie zornig an, schwieg aber. "In jedem Fall müssen wir dafür sorgen", erinnerte Legolas sie alle "dass unsere Ringträgerin überlebt. Denn wenn die Nazgûl den Ring bekommen..." "-bringen sie ihn zu Sauron und alles war umsonst.", ergänzte Amina und nickte. "Schon klar. Aber glaubt ja nicht, ihr könnt mir das Kämpfen verbieten." Aragorn schüttelte den Kopf. "Das werden wir nicht. Wenn wir eine Chance haben wollen, müssen wir alle kämpfen.", sagte er. Legolas sah ihn eindeutig zwiegespalten an, widersprach jedoch nicht. "Wer sagt eigentlich, dass alle Neun kommen? Vielleicht unterschätzt Sauron uns auch.", schlug dann Gimli vor. "Ich meine, er hält sich selber für den Tollsten, vielleicht glaubt er dann einfach, dass von einer Gruppe, bestehend aus zwei Menschen, zwei Elben und einem Zwerg, keine Gefahr ausgeht." "Eine dieser beiden Elben", erwiderte Amina trocken "hat zufällig seinen Einen Ring. Seinen... Schatz." Mein. Er ist mein Schatz. Nein!! Was denke ich da?!! Der Ring ist böse! Er ist Saurons Ring! Wütend über sich selbst biss sie sich auf die Lippen. "Also gut. Dann bleiben wir jetzt hier stehen und warten auf die Nazgûl.", fasste Boromir zusammen. Seine Augen ruhten auf Amina. Auf dem Ring. Sie drehte ihm abrupt den Rücken zu und lauschte auf die ersten Anzeichen der nahenden Nazgûl. Nach einem kurzen Moment trat Legolas schweigend neben sie und sie spürte seine Gedanken an ihren. Wenn die Nazgûl kommen, sagte der Elbenprinz telepathisch, sobald sie ihn in ihre Gedanken gelassen hatte wird es dann so werden wie letztes Mal? Amina blinzelte und richtete ihre scharfen Augen auf den Horizont. Hielt Ausschau. Du meinst, dass ich den Ring wieder anziehen will? Gut möglich., sie zögerte. Sogar sehr wahrscheinlich.
Legolas wandte den Kopf nach Süden und musterte die Umgebung. Was soll ich tun, Amina? Damit das nicht passiert? Sie hob die Augenbrauen. Damit ich den Ring NICHT anstecke? Ich bezweifle, dass du wirklich etwas tun kannst. Wir müssen die Nazgûl einfach so schnell wie möglich verjagen., antwortete sie. Der Prinz der Waldelben seufzte. Das ist... wenig. Es sind neun Nazgûl.
Wenn sie alle kommen, Legolas., erinnerte Amina ihn sanft. Warum sollen sie nicht alle kommen? Du bist die RINGTRÄGERIN. Wenn Sauron nicht zu DIR alle seine Nazgûl schickt, zu wem dann?, flüsterte Legolas und dieses Mal schwang Verzweiflung in seiner Stimme mit - obwohl es nur die telepathische war. Oder vielleicht gerade weil es die telepathische war und niemand außer Amina sie hören konnte. Gut, stimmt., gab Amina zu und ließ ihre Augen weiterhin den Horizont absuchen. Wenn nicht zu mir, zu wem dann. Einige Augenblicke lang schwieg die junge Elbin. Wenn die Ringgeister kommen, sagte sie dann und ich aus ringtechnischen Gründen aufhören sollte, zu kämpfen, dann... tu gar nichts. Nichts, hörst du, Legolas? Nichts. Es wird schon reichen, dass ich nicht mehr kämpfe. Das musst du mir nicht nachmachen. Nicht wegen mir. Sie spürte das Aufwallen seiner Gedanken in seinem Unterbewusstsein, aber er dachte sie nicht. Ich kann es dir nicht versprechen., erwiderte er endlich. Daraufhin ließ Amina von der Sondierung des westlichen Horizonts ab und sah Legolas an, er spürte ihren Blick und wandte ihr seinen zu. Amina durchbohrte seine blaugrauen Augen mit ihren grünblauen. Das solltest du aber., widersprach sie scharf und stieß ihre Gedanken ein Stück weit in seinen Geist, was ungefähr den selben Effekt hatte, wie wenn sie ihn zur Intensivierung ihrer Worte zu sich ziehen würde. Hör mir zu, Thranduils Sohn. Ich bin die Ringträgerin. Ich bin dem Wahnsinn geweiht. Noch ist mein Verstand aber nicht gebrochen und ich bitte dich nur darum: Lass mich gehen. Es reicht, dass ich mich in Gefahr bringe. Sobald ich den Ring am Finger habe, wird Sauron mich sehen können. Die Nazgûl so oder so. Aber ihr dürft nicht aufhören, zu kämpfen. Ich bin die Ringträgerin! Und ich werde mir nicht verzeihen, wenn einem von euch etwas zustößt, nur weil er versucht MICH von irgendetwas abzuhalten! Deswegen: Egal was ich tue. Mach. Einfach. Weiter., sie schluckte, ihre Stimme brach, als sie das letzte Wort anfügte: BITTE. Legolas starrte sie an, seine graublauen Augen flackerten. Dann nickte er kurz. Werde ich., seine telepathische Stimme hatte etwas Ersticktes. Zur Antwort senkte Amina den Kopf und wandte ihre Aufmerksamkeit nach Norden. Schweigen herrschte. Sowohl bei den anderen Gefährten als auch in ihren Gedanken - auch wenn sie die geistige Verbindung nicht durchtrennt hatte. Mit verengten Augen ließ Amina ihren Blick umherschweifen und lauschte. Nichts. Nichts außer dem gelegentlichen Fauchen einer Windböe. Langsam wandte sie ihren Blick nach Osten und sofort wurde der Ring schwerer. Das gehört bestimmt zu Saurons Taktik., dachte sie finster. Uns warten zu lassen. Ein Zittern durchlief ihre schlanke Gestalt. Auch wenn sie die Ringgeister momentan weder sehen, noch hören oder spüren konnte... Sie würden bald hier sein. Hoffentlich nicht alle neun., flehte sie stumm und achtete darauf, dass ihre Gedanken nicht durch ihre Verbindung zu Legolas schwappten. Oh bitte, Sil'an! Sag mir, mein Stern, sowahr ich deine Hüterin bin... Sind es all neun, sie kommen werden? Es war zwar Tag, aber Sil'an an war trotzdem da. Nur überstrahlte die Sonne ihn. Sekunden vergingen, dann formte sich wieder eine Reihe von Gefühlen in Aminas Gedanken, die zu Worten wurden.
Es werden neun sein, Amina. Doch verzage nicht. Deine Gefährten sind an deiner Seite, genauso wie mein Licht.
Seufzend schloss Amina kurz die Augen. "Danke.", flüsterte sie fast lautlos. Noch im selben Moment meldeten ihre empfindsamen Ohren ihr das Trommeln dumpfer Hufschläge. Ein kreischendes Wiehern. Aus Norden. Sofort riss Amina den Kopf hoch und starrte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, Legolas wirbelte um sich selbst und blickte ebenfalls nach Norden. "Sie kommen.", seine Stimme war rau. "Die Nazgûl.", stellte Gimli knurrend fest. Aragorn zog sein Schwert, genau wie Boromir. Amina zückte drei Dolche mit ihrer rechten Hand und nahm Cala in ihre Schwerthand - ihre linke. Legolas bespannte seinen Bogen mit einem dreifachspitzigen Pfeil.
Die Ringgeister kamen schnell näher und Amina wurde eiskalt. Es waren tatsächlich alle neun. "Bei allen Sternen des Himmels!", stieß sie hervor. "Sil'an steh uns bei!" "Können wir gut gebrauchen.", murmelte Aragorn und warf das Kinn hoch, strich sich seine halblangen, braunen Haare aus dem Gesicht. Kaum, dass sie Nazgûl in Schussweite waren, ließ Legolas seinen Pfeil los. Er flog und bohrte sich dem 'Pferd' des vordersten der Neun - dem des Hexenkönigs von Angmar - in die Brust. Mit einem kreischenden Wiehern warf das Pferd den Kopf hoch und galoppierte einfach weiter. Amina biss sich auf die Lippen und sah den Prinzen an. Der stieß den Atem aus, steckte seinen Bogen weg und zog stattdessen ein Elbenschwert. "Ich glaub, die Pferde da sind schon tot.", murmelte Gimli düster. "Sieht ganz so aus.", antwortete Legolas und verfolgte, wie die neun Ringgeister immer näher kamen. Wenige Meter vor den fünf Mitgliedern der Gemeinschaft des Ringes sprangen die neun Nazgûl ab und zogen ihre Klingen. Mit hämmerndem Herzen starrte Amina sie an, aber seltsamerweise ließ der Ring noch auf sich warten. Zum Glück. Ihr wurde klar, dass ihre Dolche hier nichts ausrichten konnten und sie schob sie wieder in ihren Gürtel, packte stattdessen Cala fester und stürzte sich auf den Hexenkönig von Angmar. Legolas hinter ihr schnappte entsetzt nach Luft, genau wie die anderen. Der Anführer der Nazgûl hob sein Schwert und schmetterte Aminas Schlag ab. Das war der Start gewesen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen stürmten die anderen Gefährten Amina hinterher und begannen die Schlacht.
Amina selbst kämpfte weiterhin erbittert mit, beziehungsweise gegen, den Hexenkönig von Angmar. Klirrend traf Mordorklinge auf Elbenschwert und oft genug entging Amina den Schlägen nur um Haaresbreiten. Mit seinem nächsten Schlag zielte der Nazgûl nach ihrem Herz, doch Amina drehte eine Pirouette und sprang dann geschickt zurück, so dass der Stoß ins Leere ging. Plötzlich überfiel sie der Drang, den Ring anzuziehen, mit aller Macht. Zitternd wich sie von dem Nazgûl zurück und erstaunlicherweise ließ der sie ziehen. Der Hexenkönig drehte sich um und hob sein Schwert. Bereit für sein nächstes Opfer. Und Amina rang nach Atem, als sie sah, wer es war.
Legolas.
Der Prinz der Waldelben duellierte sich gerade mit einem anderen Nazgûl und konnte so das Schwert des Hexenkönigs nicht abwehren, selbst wenn er es bemerkt hatte. Cala entglitt Aminas zitternden Fingern, ihre Hände suchten nach dem Ring. Nein! Ich will nicht... Ich... Ich werde nicht noch einmal... tatenlos zusehen, wie... wie einer meiner Gefährten stirbt! Tränen der Verzweiflung schossen ihr in die Augen, sie riss ihre rechte Hand mit jedem Funken Willenskraft, den sie in sich fand, herunter, nahm eines ihrer Messer und warf es. Es traf den Nazgûl-Anführer genau in den Rücken. Der fror ein. Dann wandte er Amina seinen Kopf zu. Trotzig, am ganzen Körper bebend, starrte sie ihn an. Das Verlangen nach dem Ring hatte nachgelassen und Amina nahm Cala wieder auf. Just in diesem Moment warf sich Aragorn gegen den Hexenkönig und drängte ihn mit einem gut gezielten Schlag zurück. Amina, deren Finger nun endlich wieder ruhig genug waren, um Cala ordnungsgemäß zu führen, wollte gerade wieder in den Kampf zurückkehren, um ihren Gefährten beizustehen, da schlug der Ring zu. Sie stieß einen leisen Schrei aus vor Entsetzen, ließ Cala zu Boden fallen und kniete sich hin, krallte ihre Finger in das raue Gras. Doch die Macht des Ringes - vor allem in Anwesenheit der Ringgeister - war stärker. Unaufhaltsam wanderte ihre rechte Hand nach oben. Keuchend nach Atem ringend schloss Amina die Augen, um ihre ganze Konzentration darauf verwenden zu können, sich wieder unter Kontrolle zu kriegen. Unmöglich, das war ihr eigentlich klar. Ich will nicht... Ich will nicht... Ich will nicht. ICH WILL NICHT! Ein Schluchzen schüttelte ihre Schultern, als ihre Fingerspitzen die Kette berührten. Ein Schluchzen der Verzweiflung. Ihre Hand suchte den Ring. Fand ihn. Wie automatisch wanderte ihre linke Hand nun ebenfalls nach oben und hielt den Ring fest. Amina erschauderte vor Abscheu. Irgendwo war sie noch klar genug, sich vor dem Ring zu fürchten. Jeder ihrer Muskeln zitterte wie Espenlaub, sie presste ihre Lider fest zusammen, als sie spürte, wie der Ring sich ihrem Finger näherte. Niemand und nichts konnte ihr helfen. Auch nicht Sil'an. Niemand.
Der Ring streifte ihre Fingerspitze.
Und-
Jemand hielt sie fest. Zog sanft ihre Hände von der Kette und hielt sie fest. Nicht. Nicht, Amina. Es war Legolas. Amina stöhnte leise auf. Irgendetwas zwischen Erleichterung und Resignation. Eigentlich wollte sie sagen: 'Du hast doch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Hier sind neun Nazgûl und du bist gerade damit beschäftigt, mich vor dem Ring zu schützen?!' Aber sie sagte es nicht, entschied sich stattdessen für ein ebenso telepathisches: Lass mich jetzt nicht los. Noch nicht. Sie blinzelte und sah direkt in die blaugrauen Augen des Elbenprinzen. Werde ich nicht., versicherte er ihr und umschloss ihre Hände mit seinen. Bis die Gefahr gebannt ist. Mühsam hob Amina den Kopf und blickte an ihm vorbei. Boromir, Aragorn und Gimli standen in einem Kreis Rücken an Rücken und schafften es tatsächlich, die Nazgûl auf Abstand zu halten und zugleich so zu beschäftigen, dass die Diener Saurons nicht auf die Idee kamen, nach zwei Elben Ausschau zu halten, die einige Meter von ihnen entfernt am Boden knieten. Warum?, flüsterte sie kraftlos. Du hast den Hexenkönig von Angmar davon abgehalten, mir den Kopf abzuschlagen, Amina., erwiderte Legolas und strich mit einem Finger über ihren Handrücken. Betrachte das hier als eine Art... Gegenleistung.
Gegenleistung?, Amina ließ ein bitteres Lachen durch ihre Gedanken hallen. Ist dir eigentlich klar, sie deutete mit einem Nicken auf ihre Hände und hoffte, dass ihre Wangen nicht glühten was du da tust? Der Ring ruft danach, von mir benutzt zu werden, ich spüre es selbst jetzt. Doch ich tue es nicht - KANN es gar nicht tun. Weil du mich festhältst - Sil'an sei Dank. Aber mit jedem Mal, da ich den Ring benutzen würde, was ich zum Glück bisher noch nicht getan habe, bricht es meine Seele, meinen Willen, ein bisschen mehr. Und das noch schneller als es so oder so schon passiert. Die junge Elbin richtete ihren Blick auf Legolas'. Was du hier gerade tust, ist mehr als eine simple Gegenleistung. Du rettest gerade ein Stück meiner Seele und verlangsamst das Brechen meiner Vernunft! Ist dir das eigentlich klar? Der Prinz neigte den Kopf zur einen Seite, und die glatten, blonden Haare fielen aus seinem Gesicht. Jetzt, da du es so drastisch und klar formulierst: Ja. Aber es ist mir egal, ob du das hier, er drückte kurz ihre Finger für zuviel des Guten hältst oder nicht. Du bist die Ringträgerin... Du DARFST nicht brechen, dein Wille darf nicht brechen. Es würde... Es wäre das Ende von Mittelerde. Außerdem würde es- Er beendete seinen Satz nicht. Amina neigte neugierig das Kinn. Der Ring kämpfte um ihre Aufmerksamkeit, aber sie ignorierte ihn und wunderte sich selbst darüber, dass ihr das gerade, in Anwesenheit aller neun Nazgûl, überhaupt möglich war. Außerdem würde es WAS?, hakte sie interessiert nach. Der Prinz aus dem Düsterwald blinzelte. Willst du das wirklich wissen?, fragte er. Ja., sie nickte. Würde ich schon gerne. Er stieß einen Seufzer aus, schien einen Moment mit sich zu kämpfen. Außerdem, sagte er dann leise würde es mir in der Seele wehtun, dich so zu sehen. Amina schluckte und hob eine Augenbraue. So?
Gebrochen, zerstört. Vom Ring vereinnahmt., erklärte Legolas. Ich meine, fuhr er fort ich spüre ihn selbst. Aber vermutlich längst nicht so stark wie du. Und wenn du den Ring... Wenn du ihm... verfallen würdest wie Gollum und Isildur vor dir... Ich würde es nicht ertragen, das zu sehen.
Würdest du nicht?, jetzt war Amina wirklich neugierig. Wieso? Bevor er antwortete, senkte der Elbenprinz den Blick. Du bist eine ungewöhnliche Elbin., erwiderte er dann. Du kämpfst ohne Bogen und ohne Pfeile, dafür mit mehr Messern und Dolche als alle Elben, die ich bisher gesehen habe. Du wohntest bis vor Kurzem allein, in Abgeschiedenheit. Ohne Königreich, ohne König. Du triffst nie jemanden regelmäßig, von Farnir abgesehen und der ist 'nur' ein Elben-Pferd. Du bist..., er zuckte die Schultern und sah sie wieder an, seine blaugrauen Augen glänzten anders. Anders als alle anderen Elben, die ich je getroffen habe. Du bist... faszinierend., er seufzte. Ich will es unumwunden zugeben, Amina: Du faszinierst mich. Du gibst mir Rätsel auf., nun blinzelte er und fuhr leiser fort. Ich weiß, dass du fast niemandem wirklich vertraust. Ich spüre es in deinen Gedanken. Das ist auch nichts Schlimmes... Aber ich würde mir wünschen, dass du MIR vertraust. Nicht jetzt, nur... eines Tages. Vielleicht. Wenn du das kannst. Erschrocken sog Amina den Atem ein. Vertrauen? Ihm? Er war... Er war Legolas! Thranduils Sohn, das... das konnte sie nicht! Thranduil... Thranduils Sohn... Nein... Doch! Er ist Thranduils SOHN!, sagte sie sich, achtete darauf, dass Legolas nichts hörte. Nicht THRANDUIL in Person! Natürlich war Legolas nicht Thranduil! Dennoch... Wenn er die Wahrheit kennen würde... Er würde sie hassen! Er würde sagen, dass ihr Blut verunreinigt war, vermischt mit... mit Verräterblut. Das war natürlich Unsinn, denn Amina kannte die Gründe, weshalb ihre Eltern getan hatten, was sie getan hatten, sie verstand diese Gründe. Es gab kein 'Verräterblut'. Doch Thranduil, der König der Waldelben im Düsterwald, sah das sicher bedeutend anders. Aber das hier ist nicht Thranduil! Es ist nicht Thranduil, der mich gerade davon abgehalten hat, den Ring überzustreifen! Es ist nicht Thranduil, der mir gerade gestanden hat, dass er mich... faszinierend findet! Es ist LEGOLAS!, erinnerte sie sich selbst. Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Dann, bevor sie richtig zu Ende gedacht hatte, hörte sie sich - wenn auch weiterhin telepathisch - sagen: Ich werde es VERSUCHEN, ja? Aber... ich kann es dir nicht versprechen. Oh-oh. Angespannt starrte Amina zu Boden, wandte dann den Blick zu Aragorn, Gimli und Boromir, die immer noch auf hervorragende Weise die Nazgûl in Schach hielten und zur gleichen Zeit ablenkten. Amina musste sich dafür noch bedanken. Du musst es mir nicht versprechen., erklang da Legolas' Antwort und die junge Elbin wandte ihm vorsichtig den Blick zu. Unverwandt begegneten seine blaugrauen Augen ihren grünblauen. Vertrauen ist schwer, es ist keine leichte Sache. Nimm dir alle Zeit, die du willst und brauchst. Hastig schlug Amina die Augen nieder, verbarg so die Tränen, die in ihren Augen standen, biss sich heftig auf die Lippe und nickte. Dann blinzelte sie mehrmals und sah zu den Nazgûl. Sie biss die Zähne zusammen. Mir reicht es mit diesen... Dingern., knurrte sie. Der Prinz wandte den Kopf und folgte ihrem Blick. Was hast du vor?, fragte er. Zischend atmete Amina ein. Ich fühle mich wieder in der Lage, von meiner Macht als Sternwächterin Gebrauch zu machen., erklärte sie, machte eine abrupte Kopfbewegung, so dass ihre silbrige Strähne ihr in die Stirn fiel und konzentrierte sich auf ihren Stern. Sil'an. "Sil'an, mein Stern.", flüsterte sie, nun ohne Telepathie. "Hilf mir. Hilf mir mit deinem Feuer." Tatsächlich. Durch das graue Licht des Tages begann sich die Spur von blau-weißem Licht zu weben. Sil'ans Licht. Sobald der Strahl auf den schwarzen Umhang des einen Nazgûl fiel, Amina erkannte den Hexenkönig von Angmar, fing der schwarze Stoff Feuer. Kreischend wich der Nazgûl zurück und mit ihm die anderen acht. Weitere Strahlen fanden ihren Weg und nun brannten schon vier weitere. Unter Zischen und Fauchen stiegen die Nazgûl auf ihre Pferde und galoppierten davon. Mit einem tiefen Atemzug hob Amina den Kopf. Das Verlangen, den Ring über ihren Finger zu ziehen, verschwand so plötzlich, wie es gekommen war. Ich glaube, sagte sie zu Legolas, jetzt wieder telepathisch du solltest mich jetzt loslassen. Die anderen kommen. Der Waldelbenprinz nickte, gab ihre Hände frei und für einen Moment meinte Amina, Bedauern in seinen blaugrauen Augen zu sehen. Sie stand auf, Legolas genauso. Aragorn, Gimli und Boromir blieben vor ihnen stehen, außer Atem. Alle fünf schwiegen kurz, bevor Boromir, ganz untypisch für ihn, hervorstieß: "Immerhin. Wir leben alle noch."

Die Ringträgerin -Die Macht des Einen- || Herr der Ringe FFWhere stories live. Discover now