14. Kapitel: Vergib mir

37 3 14
                                    

Blut spritzte nach allen Seiten und Amina stieß einen angewiderten Schrei aus. "Ich hasse! Wargblut!", fauchte sie und rammte dem wolfähnlichen Monster vor ihr Cala tief in die Rippen. Knurrend wollte der Warg sie anspringen, aber seine Pranken gehorchten ihm nicht mehr und er brach zusammen. Ruckartig zog Amina ihr Schwert aus den Rippen des Wargs. Calas Klinge glänzte rot von Blut und Amina schüttelte sich, bevor sie aus dem Stand ein Rückwärtssalto schlug, vor dem nächsten Warg landete und ihm einen Dolch in die Kehle stieß. Als das Untier zu schwanken begann, riss die junge Elbin ihre Waffe zurück und steckte sie wieder weg. "Seit wann", rief Aragorn von irgendwoher "formieren sich Wargs selbstständig, ohne Orks, zu Rudeln zusammen und überfallen umherziehende Menschen?!" "Ha!", lachte Boromir. "Vielleicht liegt es daran, dass wir zum einen nicht nur Menschen sind und zum anderen nicht einfach nur umherwandern?" Gut möglich., dachte Amina, zog dem vierten Warg vor ihr Calas scharfe Klinge über die Brust und stieß ihm mit der anderen Hand einen weiteren ihrer Dolche zwischen die Augen. Der Warg gab einen seltsam hohen Ton von sich, den Amina diesen großen Tieren gar nicht zugetraut hatte, bevor er in sich zusammensank wie ein Turm, dem man die Stützpfeiler entzogen hatte. Ohne zu zögern zog Amina ihren Dolch wieder zurück, schob auch ihn wieder in ihren Gürtel und fuhr fort, zu kämpfen. "Turbulent hier, mh?", Gimli erschien neben ihr und ließ seine Axt auf das Rückgrat eines Wargs niederschmettern, der daraufhin in zwei Hälften geteilt zu Boden sackte. "Ja.", gab die junge Elbin zurück. "Schon ein bisschen." Allein zu ihrer Befriedigung nahm Amina Cala auf und hieb dem Warg den Kopf ab. "Das war der letzte!", stieß sie hervor. "Ja. Es waren zum Glück nur zwölf.", erwiderte Gimli und grinste dann. "Vier, und du?" Sie grinste zurück. "Auch vier." Der Zwerg schnappte nach Luft, in seinen Augen stand eine Mischung aus Belustigung und Empörung. "Wirklich jetzt? Unentschieden?", beschwerte er sich, grinste aber immer noch und stupste sie freundschaftlich an. "Alles gut. Du bist ja wenigstens ein vernünftiges Spitzohr." Darauf lachte Amina. "Ha, danke! Du bist auch ein vernünftiger Zwerg!" Gut gelaunt stupste sie zurück. Er grinste und sie grinste und so grinsten sie sich an. "Nächstes Mal", sagte Gimli abrupt und zwinkerte "gewinn ich." Nach kurzem Überlegen spottete Amina zurück: "Davon träumst du nur!" Wieder grinsten sie sich an und Amina genoss es, mit einem ihrer Freunde zu scherzen. Das war ihr eine willkommene Abwechslung zu den Strapazen des Ringes und dem Kummer, dem Schlafmangel. Dem Schmerz, der beständig in ihr brannte - weil sie das, was sie wollte, nicht haben konnte. "Ach, tatsächlich hab ich schon ewig nicht mehr geträumt, mit einem Elben die Waffen zu kreuzen.", fuhr Gimli nun fort. Jetzt war es Amina, die zwinkerte. "Du hast es mal geträumt?" "Na ja", sichtlich verlegen kratzte Gimli sich am Kopf "schon. Weil na ja... Es ist ja schließlich kein Geheimnis, dass sich Elben und Zwerge eigentlich nicht verstehen." Wieder grinste Amina und stupste ihn erneut freundschaftlich an. "Tja, da sind wir mal froh, dass wir zwei uns verstehen, was?" Nun grinste auch Gimli wieder. "Absolut. Für eine spitzohrige Elbin bist du in Ordnung." "Oh, danke.", erwiderte Amina scherzend. "Für einen ungehobelten Zwerg bist du auch in Ordnung."
"Ungehobelt?", protestierte Gimli. "Ist es das der Name, den die Elben uns geben? Ungehobelt?" "Nö.", die junge Elbin grinste immer noch. "Das habe ich mir so ausgedacht. Ganz spontan." "Schlitzohriges Spitzohr.", grummelte Gimli, doch er grinste genauso weiter wie sie auch. "Danke.", dankend zuckte Amina mit den Augenbrauen. "Ich nehme das als Kompliment." Gimli lachte und Amina stimmte ein. Doch dann lief ein Zittern durch den Ring und der jungen Elbin blieb das Lachen im Hals stecken. "Schnell. Kommt alle her.", bat sie ihre Gefährten. "Der Ring regt sich." "Oh.", machte Aragorn und blieb neben Amina stehen, Legolas stand bereits an ihrer anderen Seite. Boromir und Gimli vervollständigten den Kreis der fünf. "Was tut er, Ringträgerin?", fragte Boromir. "Weiß ich gleich.", antwortete Amina. Dann schloss sie die Augen und streckte ihre telepathische Macht nach dem Ring aus, verwob die silbernen Funken mit der wallenden Dunkelheit. Wieder erschien Saurons flammendes Auge vor ihr, in den Tiefen der geschlitzten Pupille stand die Gestalt, die er zuletzt gehabt hatte. Dein Meister wäre stolz auf dich, Sauron!, fauchte die junge Elbin und die silbernen Funken sammelten sich glitzernd hinter ihrem Geist. Natürlich wäre er das., antwortete ihr Saurons telepathische Stimme. Dann lachte er. Die Zeit der Elben ist vorüber, Ringträgerin. Nun beginnt das Zeitalter der Orks. Verächtlich schlug Amina mit ihren silbernen Funken die Dunkelheit um sich herum von sich. Ach ja? Und wie willst du das machen? Du hast keinen Körper. Du hast den Einen nicht.
Stimmt. Ich habe den Einen nicht. Und ich habe auch keinen Körper. Aber was lässt dich glauben, dass es noch lange dauert, bis ich diese beiden Dinge habe? Den letzten Satz schnurrte Sauron geradzu und die dunklen Bänder seines Verstandes rissen Amina zu ihm. Hör mir gut zu, Tochter der Eminel und des Lamilas. Ich werde den Einen wiederbekommen., er stieß sie wieder von sich. Ich habe einen Zauber auf dich gelegt, weil du mein bist. Zischend atmete Amina aus und biss die Zähne aufeinander. Du herrschst nicht über mich!, fuhr sie ihn an und erschuf einen Avatar, der sie genau wiederspiegelte. Denn du hast eines vergessen, Lehrling Morgoths., setzte sie sanft hinzu. Die windenden, dunklen Tentakel von Saurons Gedanken zauderten. Sein flammendes Auge richtete sich auf ihr Gesicht und einzelne Blitze zuckten durch die orange-rote Iris. Das kann nicht sein!, zischte er. Der Stern des Nordens hat keine Wächterin! Silbernes Licht durchdrang die Dunkelheit und Aminas telepathische Macht richtete sich auf wie eine Kobra. Doch. Sil'an hat eine Wächterin. Mich. Ich bin seine Wächterin. Fürchtest du sein Licht? Natürlich. Denn es schien schon zweimal auf deinen Untergang, nicht wahr?, Amina lächelte ein Lächeln, das eher ein Zähnefletschen war. Damals, vor über 3 000 Jahren, als du die Númenórer zu dem Krieg gegen die Valar angestiftet hast und die Valar Númenór in die Leere stürzen ließen. Du fielest mit ins Nichts. Ja, du bist wiedergekommen. Doch du warst schwach. Als du aus der Leere wiederkamst, schien Sil'ans Licht auf Mittelerde hinab. Genauso wie damals, vor 3 000, Sauron, als Isildur dir den Einen vom Finger schlug. Denn auch zu diesem Zeitpunkt warf Sil'an seine Strahlen auf die Schlacht bei Barad-dûr hinab, nicht wahr? Er ist das Zeichen deines Untergangs gewesen und er wird es wieder sein. Ich bin nicht dein. Ich bin mir selbst. Ich bin die Ringträgerin. Ich bin die Wächterin von Sil'an, dem Stern des Nordens.
Mit diesen Worten riss sie sich aus Saurons Gedanken. Sauron stieß einen telepathischen Wutschrei aus, die Dunkelheit des Ringes schlug mit stacheligen Tentakeln um sich, ebenso zornig wie der dunkle Fürst, doch Sil'an schien immer noch in Aminas Gedanken und hielt den Ring von ihrem Schutzschild fern. Amina wusste, dass ihr Stern sie nicht immer so beschützen konnte. Aber das musste er auch nicht. Danke, mein Stern., flüsterte sie telepathisch. Ein kurzer Augenblick verstrich, bevor sich eine Abfolge von Gefühlen in ihren Gedanken bildete, aus denen Worte wurden:
So oft ich kann, meine Wächterin.
Die junge Elbin lächelte. Mehr kann, werde, will und darf ich nicht von dir verlangen, Sil'an, mein Stern, Stern des Nordens.
Ich sah die Schlachten von Morgoth gegen die anderen Valar, ich sah die Kämpfe der Noldorelben, ich sah die Schlachten von Angmar, ich sah den Krieg der Númenórer gegen die Valar, ich sah die Ring-Kriege Saurons gegen die Elben wegen Narya, Nenya und Vilya, ich sah die Schwarzen Jahre, ich sah den legendären Kampf von Barad-dûr, ich sah die Schlacht der fünf Heere am Erebor, meine Wächterin., die Gefühle, die Sil'an ihr sandte, verdüsterten sich. Und immer war mein Licht da, um der Hoffnung den Weg zu weisen. Deine Mutter Eminel, Tochter der Varia und des Ariles, war meine letzte Wächterin. Du hast dir diesen Namen aufs Neue verdient. Ich vermag nicht, den Wahnsinn von dir fernzuhalten, den der Eine Ring in deinen Verstand gräbt. Doch mein Licht wird bei dir sein, bis zu der Stunde, da Barad-dûr und der dunkle Fürst wieder fallen und darüber hinaus. Ich kann das, was der Eine dir antut und antun wird, nicht wieder ungeschehen machen. Aber ich kann dir die Hoffnung schenken, die dich aufrecht erhält.
Wieder lächelte Amina, auch wenn es dieses Mal ein eher trauriges Lächeln war. Sorge dich nicht, Sil'an. Niemand kann etwas gegen den Wahnsinn tun, niemand kann ungeschehen machen, was der Eine Ring tut. Es ist mein Schicksal, die Ringträgerin zu sein und ich werde diese Bestimmung erfüllen.
Sanft strich Sil'ans weiß-bläuliches Licht durch ihre Gedanken, wie ein stummer Trost, dann blinzelte die junge Elbin und schlug die Augen wieder auf. Die vier anderen Gefährten der Gemeinschaft des Ringes sahen sie erwartungsvoll an. "Hat Sauron seine Gestalt wieder?", fragte Gimli, kaum, dass Amina Luft geholt hatte, um zu sprechen. Sie stieß den Atem wieder aus und schüttelte den Kopf. "Nein. Auch wenn er mir natürlich gedroht hat, so würde ich dieses telepathische Gefecht dennoch als Erfolg für mich betrachten." "Tatsächlich, Ringträgerin?", offenbar interessiert hob Boromir die Augenbrauen. "Wieso das?" "Nun, Sauron fürchtet Sil'an. Denn bisher war das Licht 'meines' Sterns jedes Mal da, wenn Sauron eine Niederlage erlitten hat. Als er geschwächt aus der Leere zurückkam, schien Sil'an auf ihn und Mittelerde hinab. Als Isildur Sauron den Ring vom Finger schlug, schien Sil'an auf ihn und Mittelerde hinab.", erklärte Amina. Bei der Erwähnung von Isildurs Namen zuckte Aragorn zusammen und murmelte: "Immerhin das hat er hinbekommen." Darauf wandte Amina ihm den Kopf zu. "Sag das nicht.", tadelte sie ihn sanft. "Isildur war kein schlechter Mensch. Überhaupt nicht." "Nein. Das war er nicht.", erwiderte Aragorn und die Bitterkeit in seiner Stimme war unüberhörbar. "Aber er war... er war..."
"-schwach?", beendete die junge Elbin seinen Satz und zog die rechte Augenbraue in die Höhe. "Der Ring verführt alles und jeden. Auf Dauer. Manche schneller, manche langsamer. Aber nach einer gewissen Zeit würde ihm jeder, absolut jeder, verfallen.", sie seufzte. "Als ich den Ring zum ersten Mal gesehen habe, habe ich ihn auf den Boden geworfen, so groß war die Abscheu, die er in mir auslöste. Inzwischen war ich schon mehrmals unter seiner Kontrolle und ich weiß, dass es wieder passieren wird." "Ich werde nicht wagen zu behaupten, dass du schwach bist, Amina. Denn es war ein unglaubliches Aufgebot mentaler Stärke, den Ring an dich zu nehmen, obwohl du dir seiner Macht und seiner Bösartigkeit vollkommen bewusst bist.", antwortete der Thronfolger von Gondor. "Danke.", gab Amina zurück. "Ich hoffe, dass du recht behältst und mein Wille nicht bricht, den Ring in die Flammen des Schicksalsberges zu werfen." "Du wirst nicht alleine sein.", warf Legolas ein und brach auf diese Weise sein Schweigen. "Wir werden mit dir gehen." Amina sah ihn an. "Ich weiß. Aber ich werde nicht von euch verlangen, dass einer von euch den Ring statt meiner in den Abgrund wirft." "Schon komisch.", meinte Gimli schließlich, nachdem alle eine Weile geschwiegen hatten. "Dass Sauron Angst vor einem Stern hat." "Oh, ich glaube tatsächlich, er hat weniger Angst vor Sil'an selbst als vor der symbolischen Bedeutung seines Lichts für ihn, beziehungsweise er hat mehr Angst davor, was ich zu tun in der Lage bin, da ich Sil'ans Wächterin bin.", gab die junge Elbin zurück. "In jedem Fall wird Sauron alles daran setzen, seine physische Gestalt wieder zu haben, bis wir in Mordor sind." "Ich liebe diese wunderbaren Aussichten.", knirschte Boromir und sah für einen Moment so aus, als wollte er wieder mit dem alten Plan 'Bringen wir den Ring einfach nach Minas Tirith' kommen, aber der Sohn des Truchsess von Gondor ließ es dann doch bleiben, denn Amina warf ihm einen mahnenden Blick zu. Fast sofort senkte Denethors Sohn den Kopf, wandte auf diese Weise den Blick ab und sah zu Boden. Seufzend wandte Aragorn den Kopf und blickte nach Osten. "Gehen wir weiter. Bevor noch mehr Wargs kommen.", sagte er. "Gute Idee!", urteilte Gimli und so machten sich die fünf Gefährten der Gemeinschaft des Ringes wieder auf den Weg in Richtung Mordor.

Die Ringträgerin -Die Macht des Einen- || Herr der Ringe FFOnde histórias criam vida. Descubra agora