12. Teil

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Die Tränen brannten meine Wangen entlang. Ich war stumm an seiner Brust angelehnt, welche mir irgendwie Schutz und Geborgenheit bat. Mein Kopf pochte, traumatisiert von den Geschehnissen des vergangenen Tages. Nach einer Unendlichkeit - so kam es mir jedenfalls vor - zog ich mich beruhigter von Caner weg. Ich sah ihn nicht an. Weshalb? Weil ich mich schämte. Schämen, für das Zeigen meiner Gefühle. Schämen dafür, in so einer Situation total hilflos gewesen zu sein. So hilflos, dass ich fremde Hilfe nutzen musste. Seine Hilfe genutzt zu haben. Ausgerechnet von ihm. Von Caner.

Auf einmal räusperte sich Caner laut und fasste das Lenkrad mit seinen beiden Händen.

,,Ich fahre dich zu meiner Wohnung. In Ordnung?"

Stumm nickte ich, um bloß nicht in seine Augen starren zu müssen. Um bloß nicht zu sprechen, weil mir momentan gar nicht danach war. Wir verließen den Rastplatz. Caner fuhr recht schnell, jedoch hatte er einen angenehmen Fahrstile.

Durchgehend spürte ich mehr Schmerzen. Überall irgendwie. Hauptsächlich am Kopf, am Bauch und überhaupt pochte mein ganzes Gesicht von den Ohrfeigen und Schlägen. Die Szenen spielten sich immer wieder in meinem Kopf ab. Ähnelnd einem endlosen Filmband. Wie mein Vater mich anschrie. Mit dieser ungemeinen röte in seinen Augen. Wie er mich an den Haaren zog und anschließend wie Blind vor Wut auf mich einschlug. Mein Vater.

Die Frage wie und wodurch mir Bulut "Disziplin" und "Respekt" beibringen wollte beschäftigte mich um so mehr. Eins stand fest. Nämlich dies, dass er zu allem im Stande gewesen wäre. Zu wirklich allem. Mittlerweile konnte ich diesem Mistkerl alles zu muten. Und was mir die meisten Sorgen machte? Kaan. Mein Bruder. Allein in diesem Haus mit diesen Monstern, verlassen von mir. Und das durch Zwang.

Plötzlich schalte seine rau männliche Stimme durch mein Gehör.

,,Kommst du?''

Ich sah in seine Grünen Augen und nickte. Meine Stimmbänder schienen immer noch verknotet. Er hielt mir die Autotür auf. Ohne ihn wirklich anzusehen versuchte ich mich aufzurichten. Als ich auf meinen Füßen stand spürte ich einen unglaublichen Schmerz durch mein Unterleib ziehen. Oder doch im Rücken? Ich konnte es nicht einmal zuordnen. Ohne Absicht hielt ich mich an seinem Oberteil fest. Nahe zu reflexhaft. Mein Herz klopfte unglaublich schnell. Es war mir unangenehm und peinlich!

,,Tut mir leid.'', sprach in beschämend, noch immer nicht in seine Augen sehend.

,,So wird das das nicht gehen.'', stellte er fest und hielt mich plötzlich an meiner Hüfte fest. Als mich seine Hand dort berührte war es als ob mich ein Stromschlag durchfuhr. Ein merkwürdiges Gefühl setzte sich in meinem inneren ab.

Er führte mich langsam und vorsichtig die kurzen Treppen hoch, stützend und hilfsbereit. Alles dies passte gar nicht zu ihm. Jedenfalls nicht zu dem
Caner, den ich kenngelernt hatte. Nachdem er den Schlüssel ins Schloss gedrückt hatte, führte er mich in sein Schlafzimmer, was mir ja nicht mehr fremd war. Die Tatsache war irgendwo sehr beunruhigend und absurd. Er half mir aufs Bett. Dabei waren seine Augen dauerhaft konzentriert. Nicht abgelenkt, nicht belustigt, nur konzentriert.

Nach dem er es mir mit einem großen Kissen für den Rücken angenehm
gemacht hatte, zog er die Rollläden runter, welche das Zimmer abdunkelten.

,,Das ist alles nicht nötig. Mir geht es gut.", log ich um bloß dieser unangenehmen Situation zu entfliehen. Ich hätte nicht in seine Wohnung kommen sollen. Ich war dumm.

Er jedoch ignorierte meine Aussage, als hätte ich nicht gesprochen.

,,Wo hast du Schmerzen?''

,,Es ist nicht-"

SchicksalsschlagWo Geschichten leben. Entdecke jetzt