Chapter Two

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                                 Caleb

Ich stieg nach fünf Stunden endlich aus dem Flugzeug. Dabei saß ich eine gute Stunde davon in Chicago am Flughafen. Weshalb ich Reece einmal mehr verfluchte. Warum zum Teufel musste er denn auch ausgerechnet an den Arsch der Welt ziehen. Okay, eigentlich wusste ich den Grund. Er wollte zurück zu seiner Familie, weil er eben, im Gegensatz zu mir, ein richtiger Familienmensch war. Während ich froh war, wenn ich meine nicht sehen musste. Denn sie ließen mich jedes verdammte Mal wissen, was ich für eine maßlose Enttäuschung war, weil ich nicht als Bänker, Makler oder Arzt arbeitete. Aber das war nichts für mich. Überhaupt nicht.

Ich hatte mich schon immer lieber hingesetzt und gezeichnet. Deshalb hatte ich mein Hobby zum Beruf gemacht. Weil es mir Spaß machte und ich mir sicher war, dass ich im Tätowieren meinen Traumberuf gefunden hatte. Meine Berufung. Am liebsten stach ich Motive, die mir einfach spontan in den Sinn kamen und die nicht jeder dahergelaufener Mensch hatte. Das war Tätowieren für mich. Die Menschen kamen mit einer vagen Idee zu mir. Ich sah sie mir an und entwickelte aus ihren Vorschlägen ein Kunstwerk, was einzigartig war. So lief das ab. Nicht anders. Und bis jetzt hatte ich noch bei keinem meiner Kunden danebengelegen. Außerdem hatte ich hart gearbeitet, mir den Arsch aufgerissen und mir einen Namen gemacht. Und dennoch genügte das meiner Familie nicht. Deshalb konnten sie mir auch gestohlen bleiben.

Ich zog meine schwarze Weste über meinen dicken grauen Pullover, als der kalte Wind durch die Halle strich. Dann machte ich mich geradewegs auf zu den Kofferbändern, um mein Gepäck zu holen. Ich hatte einen großen Koffer und eine Reisetasche dabei, weil ich vorhatte die nächste Zeit erstmal hier zu bleiben. Damit konnte ich nämlich meiner Familie erfolgreich aus dem Weg gehen, die eh alle gerade darauf versessen waren meine Schwester Stacy unter die Haube zu bringen. Mit meinem Gepäck im Schlepptau lief ich in die Haupthalle und zückte mein Handy. Reece hatte mir vor einer halben Stunde geschrieben, dass sie gegen 18:00 Uhr hier wären. Bis dahin waren es noch knapp zwanzig Minuten, die ich totschlagen musste. Dabei wollte ich heute eigentlich nichts weiter als eine heiße Dusche und ein gemütliches Bett.

Ich ließ meinen Blick durch die Halle schweifen. Durch die Glasfront sah ich etliche Gebäude, die im Gegensatz zu Detroit eher flach und nicht so modern waren. Und doch war dieser Anblick wahrscheinlich das, was einer Stadt hier am nächsten kam. Denn Burlington war mit seinen rund 55.000 Einwohnern die größte Stadt in Vermont. Hieß mit anderen Worten. Reece hatte sich einen der wohl ländlichsten Bundesstaaten in der ganzen USA ausgesucht. Und trotzdem würde ich hier die nächsten Wochen verbringen. Weil ich ein guter Freund war und wir uns schon viel zu lange nicht mehr gesehen hatten. Was mich allerdings am meisten überzeugte. Das ich hier meine Ruhe hatte und mich nicht mit meiner Familie rumschlagen musste.

Ich wandte meinen Blick von der Stadt ab und inspizierte die Menschen, die sich mit mir in dem Flughafen tummelten. Es waren nicht besonders viele. Denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass hier jeden Tag so viele Flugzeuge starteten und landeten, wie in Detroit. Wohl kaum. Die Leute, die sich im Foyer umsahen, saßen wahrscheinlich alle mit in meiner Maschine. Meine Blick glitt weiter, bis er an einer jungen Frau hängen blieb. Sie hatte feuerrote Haare und ihr wohlgeformter Körper steckte in einem schwarzen Minikleid, dass nichts der Fantasie überließ. Zudem zierte ihr Gesicht ein verwegenes Grinsen und sie starrte mich unverblümt an. Es war klar, was sie von mir wollte.

Ich sah abermals auf mein Handy, stellte jedoch enttäuscht fest, dass ich gerade mal drei Minuten geschafft hatte. Mit anderen Worten. Für eine schnelle Nummer auf der Toilette würde es reichen. Außerdem hatte ich keinen blassen Schimmer, wie das Durchschnittsalter in Stowe aussah. Geschweige denn, ob es, bis auf Reece und seine Schwester, überhaupt andere Leute in unserem Alter gab. Ich sah zu der Frau, die ihrem Aussehen nach zu urteilen, wahrscheinlich gerade mal die zwanzig überschritten hatte, rüber. Sie starrte mich noch immer ungeniert an. Mit ihrem Kopf deutete sie in einen der Gänge, aus dem ich vorhin gekommen war. Da ich mein Gepäck nicht einfach rumstehen lassen wollte, nahm ich es kurzerhand mit. Als ich um die Ecke bog, wartete sie bereits auf mich.

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