Kapitel #13

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Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich sie entsetzt an. Was war das denn für eine Frage? Und nicht nur, dass man sie nicht einfach so stellen sollte; ich wusste auch immer noch keine Antwort darauf.

"Dass du nicht direkt antwortest, ist für mich Antwort genug. Was machst du da nur Charlie?", stöhnte sie laut auf. Meine erste Reaktion darauf war Wut. Ich wollte sie zusammen schreien und ihr klar machen, wie frech das von ihr war, doch dann wurde mir klar, dass sie eigentlich nur die Wahrheit gesagt hatte. Denn wenn ich ganz ehrlich war, fühlte ich mich mit Shawn nicht wohl. Zumindenst nicht auf die Art. Als wir noch wie Freunde abgehangen haben, war es toll, doch mehr war da einfach nicht.

Niedergeschlagen setzte ich mich auf eine kleine Mauer neben uns, die wir schon seit Jahren benutzten, und verbarg den Kopf in meinen Flächen Händen.
"Du hast Recht", gab ich schließlich zu. "Ich weiß ja selber nicht, wie das passiert ist. Er hat einfach plötzlich gesagt, dass ich seine Freundin bin und da konnte ich ja schlecht sowas wie 'spinnst du' oder 'am Arsch' antworten. Er wird immerhin mein Stiefbruder." Besorgt sah Scarlett mich an und schien dabei geradewegs in meine Seele blicken zu können.
"Vielleicht kann das die Situation retten. Sag einfach, dass du nicht mit deinem Stiefbruder...Nun ja...du weißt schon."
Schnell schüttelte ich meinen Kopf.
"Das tue ich Mum nicht an! Außerdem, wenn ich dann doch in ein paar Wochen was von ihm will? Er ist genau die Art von Junge, die ich mir immer gewünscht habe.", gab ich sofort zu bedenken.

Seufzend setzte Scarlett sich zu mir und legte beschützend einen Arm um mich, was mich sofort besser fühlen ließ.
"Weißt du, viele finden am Anfang heraus, was genau los ist. Solange du ihm nicht sagst, du würdest ihn lieben, kannst du alles so lassen und es dem Schicksal in die Hand legen!", ermutigte sie mich sanft. Lachend drückte ich mich ihrer Umarmung entgegen und genoss es einfach, dass sie für mich da war.
Es stimmte schon irgendwie. Deswegen waren die drei Worte doch so besonders! Was ich tue ist ihm gegenüber gar nicht so unfair, wie ich dachte. Ok, vielleicht ein bisschen unfair, aber damit konnte ich leben!

Zufrieden lächelte ich Scarlett entgegen, was sie sofort erwiderte. Das komische Gefühl in meinem Bauch, das einem schlechten Gewissen ähnelte, verschwand langsam und ich entspannte mich endlich komplett, seit diese ganze Sache begonnen hatte. Es hatte gutgetan mit ihr über alles zu reden. Einfach mal meinen ganzen Gedanken freien Lauf zu lassen.

Wenige Minuten später machten wir uns schließlich langsam auf den Weg zur ersten Stunde. Vor dem Klassenraum, in dem diese stattfinden würde, standen bereits alle möglichen Schüler und warteten darauf, dass Frau Marle den Raum aufschließen würde, doch diese ließ wie immer noch auf sich warten. Ich und Scarlett stellten uns entkräftet zu Maria und Sophia, die sich gerade über einen neuen Lehrer unterhielten, der anscheinend ziemlich heiß sein sollte; noch so ein Fetisch, den nur sie unterstützten. Doch bevor ich mich in das Gespräch hätte integrieren können, wurde ich gewalttätig am Arm gepackt und herumgerissen wie in einer Achterbahn. Kurz darauf blickte ich direkt in Ashleys vor Wut verzerrten, blau-grauen Augen.
"Lass. deine.  Dreckspfoten von Justin, Schätzchen", sagte sie mit einem gespielten Lächeln auf den dünnen Lippen, wobei sie die erste Hllfte des Satzes besonders betonte. Nicht fähig sie direkt zu verstehen, sah ich sie nur fragend an und versuchte gleichzeitig meine eigenen Gedanken zu sortieren.

"Ich glaube, du verwechselst da was 'Schätzchen..." Das letzte Wort sprach ich mit purer Ironie aus. "Ich bin mit Shawn zusammen, nicht mit Justin!"
"Dann ging das mit dem Fremdgehen aber ziemlich schnell. Pack ihn noch ein einziges Mal an und ich werde dich vernichten!", spuckte sie nicht minder aggressiv aus. Das Dinge war nur; sie war nicht Justin. Wenn sie diese Worte aussprach, packte mich keine Panik. Im Gegenteil, sie belustigten mich in erster Linie.

Ich schüttelte nur lachend den Kopf und drehte mich ohne ein weiteres Wort wieder von ihr weg. Es wäre fast schon verführerisch, mich jetzt Justin an den Hals zu werfen. Einfach alleine, um ihr eins auszuwischen, aber ich hatte Sebastian versprochen es nicht zu tun und so leicht wäre es nun mal auch nicht. Warum sollte Justin sich mit jemandem wie mir treffen? Er war mehr so der Typ für One-Night-Stands und die würde ich ihm nicht geben können.

Bevor Ashley mich einer weiteren Aktion wieder zu sich wenden lassen konnte, kam auch schon Frau Merle und schloss die Tür zu meiner persönlichen Hölle auf.

X

Als ich endlich aus dem Gebäude in die frische Luft trat, war es bereits halb 5 am Nachmittag. Lange Schultage gingen mir inzwischen wirklich verdammt auf die Nerven und die frühere Motivation sie durchzustehen ließ Tag für Tag mehr nach. Müde taumelte ich zur Bushaltestelle und atmete die schwüle Sommerluft ein, die meine Umgebung durchzog. Es war inzwischen etwas frisch, aber außer Justins Jacke, die ich ganz sicher nicht wieder anziehen würde, hatte ich nichts dabei, also ließ ich zu, dass der Wind meine Haut zum Erzittern brachte und kleine Gänsehäute über meinen Körper jagte. Ungeduldig tappste ich vom einen Fuß auf den Anderen und wartete zitternd auf die Ankunft meines Busses, der einfach auf sich warten ließ.

Aufeinmal schlang jemand sanft seinen Arm um meine Hüfte und zerrte mich so an sich, dass mein Körper gegen seine muskulöse Brust gepresst wurde. Blitzschnell wandte ich meinen Kopf um und sah wie erwartet in Shawns inzwischen so vertrauten Augen, die mich freudig begrüßten.
"Hey Schatz", strahlte er mich überglücklich an. Mein Magen drehte sich bei dem Kosenamen angewidert um und das schlechte Gewissen darüber stieg wieder in mir auf.

Zu meinem Glück fuhr der Bus just in diesem Moment ein und erbarmte es mir, diese Begrüßung zu erwidern oder ein weiteres Gespräch führen zu müssen. Sobald die Türen sich öffneten sprintete ich ins Innere und ließ mich auf einen Platz in der letzten Reihe nieder, der zu meiner großen Freude noch frei war. Ich spürte wie Shawn sich neben mich setzte und atmete tief durch um mir neue Krfat anzusammeln. Scarlett hatte leicht reden, doch das hier war nicht in Ordnung! Der Typ ging mir gewaltig auf die Nerven und das nach nur einem Tag der Zweisamkeit.

Niedergeschmettert drehte ich mich um und sah aus der großen Scheibe, die sich hinter unseren Rücken befand.  Sofort fiel mir ein schwarzes Motorrad, das direkt hinter uns fuhr, ins Auge, dass mir merkwürdig vertraut vorkam. Auf dem Ding saß Justin und rauchte völlig entspannt eine Zigarette. Wie abhängig konnte ein Mensch sein, dass er sogar beim Motorrad fahren die Kippe im Mund hat? Selbst aus dieser Entfernung fixierten mich seine Auen und selbst, als ich mich wieder umdrehte, spürte ich seinen Blick in meinem Nacken brennen.

Shawn redete die ganze Fahrt über durch, doch ich hörte ihm nicht wirklich zu. Mich beunruhigte Justin zu sehr. Immer noch fuhr er hinter dem Bus her wie bei einer Verfolgungsjagd. Er versuchte nicht mal mehr ihn zu umfahren oder bog an einer Kreuzung anders ab als wir es taten. Es war beinah so, als würde er den Bus beabsichtigt folgen. War es Zufall oder war er mir-wie heute Morgen-schon wieder gefolgt?

Blanke Panik packte mich. Was, wenn er darauf aus war, mich dieses Mal. alleine zu erwischen? Er war heute Morgen ziemlich sauer gewesen; wollte er mir etwas antun? Zutrauen würde ich es ihm alle Male!

Der Bus blieb stockend an meiner Haltestelle stehen und Shawn küsste mich zum Abschied sanft auf die Stirn. Scarlett hatte recht, altmodischer als er es war, ging es wirklich nicht.

Mit einem letzten Blick über die Schulter suchte ich nach Justins breiter Gestalt. Er saß immer noch auf seinem Motorrad und ließ die Augen nicht eine Sekunde von dem Bus, aus dem ich nun notgedrungen aussteigen musste.

Mit klopfendem Herzen tat ich schließlich genau das und lief schnell die Straße, die zu unserem Haus führte, entlang, doch besonder weit kam ich nicht, ehe meine Befürchtungen sich bestätigen und der Klang von schweren Schritten hinter mir erklang.

"Warum so eilig?", fragte eine amüsierte Stimme, von der ich so sehr gehofft hatte, sie würde es nicht sein. Wie angewurzelt blieb ich stehen und starrte Justin mit aufgerissenen Augen an, die pure Panik ausdrückten. Er war von seinem Motorrad abgestiegen und die letzten Meter zu mir zu Fuß gegangen, sodass seine Machien etwas hinter unser aktuellen Position  stand. Seine Augen durchbohrten mich wie Messerstiche und er nahm einen letzten Zug aus der Kippe, bevor er sie unter seinem Fuß erlöschen ließ.

frightening, completedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt