24-Die schwarze Königin

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Ich sass auf Dorchas Rücken und spürte die Luft an mir vorbei ziehen. Wir flogen weit über den Menschen, die unter mir in Kampfmontur aus ihrem geliebten Land in Richtung Krimur marschierten. Neben mir flog Ace, den Blick finster nach vorne gerichtet. Adira flog hinter uns. Misha hatten wir mit einigen Kindern und Greisen zurückgelassen, in einem Versteck im Wald. Aber ansonsten waren alle mitgekommen. All die Menschen, die mir bereitwillig in ihren baldigen Tod folgten.
Deswegen war es umso wichtiger, dass ich Krimur ausschaltete. Ohne ihn würde der Rest seiner Reiter auseinanderfallen und sie würden ihre Macht über die Drachen verlieren. Und ich war mir sicher, dass diese sich ihrer dann gerne selbst entledigten.
Es ging also nur darum, Krimur zu töten, bevor seine Reiter zu viele von meinem Volk töten konnten.
Ich hörte Ace die Luft scharf einziehen.
„Schau."
Ich drehte den Kopf nach Links und sah eine kleine Schar Drachen auf uns zufliegen. „Die Marcaiche!"
Ertönten unter uns Rufe und ich konnte spüren, wie die Menschen Hoffnung und Stärke aus unserer Unterstützung schöpften.
Sie kamen schnell näher und ich konnte sehen, dass sie alle dabei waren. Kira, Finn und sogar Caspar.
Als sie uns erreichten, gliederten sie sich in unsere Reihe ein.
Caspar flog schweigend neben mir. Finn sah mich nicht einmal an. Nur Kiara hatte einen fröhlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Ihr Drache mit seinen kleinen Flügeln flatterte wie wild.
„Du trägst eine Krone."
Stellte Caspar fest und ich reckte das Kinn. Ich wusste, dass er niemals ein Fan von mir gewesen war. Und das zurecht. Ich hatte die Fähigkeiten nie besessen, die man von einer Marcaiche gefordert hatte. Und er wusste sehr wohl um meine dunkle Magie, die ich stattdessen nutzte.
„Ja. Der König hat sie mir vermacht, bevor er wegen einem kürzlichen Angriff verstorben ist."
Meinte ich und spürte Ace Blicke. Er war auf meiner Seite. Er konnte keinen der Marcaiche ausstehen. Dorcha auch nicht.
„Es ist falsch, dass du sie trägst. Dein Herz ist verdorben. Du befreist die Welt von einem Tyrannen und wirst dann vielleicht selbst einer."
Ich wandte den Kopf zu Caspar.
„Das werde ich nicht. Und ohne mich hättet ihr keine Chance, gegen Krimur zu gewinnen."
„Ohne dich wäre es aber vielleicht gar nie zu so einem Kampf gekommen", erwiederte Caspar ruhig aber ich spürte die Verachtung, die er für mich und die Magie hegte.
„Sie ist eine Königinn. Zollt ihr diesen Respekt. Denn die Marcaiche unterstehen der Erbin der Drachen, wenn ich mich nicht irre."
Merkte Ace kalt an.
Caspar presste die hellen Lippen dest aufeinander und neigte dann langsam den Kopf.
„Natürlich."
Dann war es still. Doch Caspars Worte wollten mir nicht aus dem Sinn gehen. Ich, eine Tyrannin? Niemals. Wieso sollte ich sonst all dies tun, um Krimur auszuschalten?
Aus Rache. Rache für meine Familie. Für meinen Vater, meine Mom und für Selene. Und für Mishas Mutter. Aber ich wollte auch all die Menschen befreien, die unter dem Tyrannen litten.
„Wir sind da, Majestät." Schrie ein Mann von unten zu uns hinauf. Er trug eine Rüstung und ritt auf einem der verbliebenen Pferde. Die lange Schlange aus Menschen hinter ihm stoppte.
Vor mir erstreckten sich die ausgetrockneten Steppen von Krimur. Weit hinten erhoben sich die Türme der Hauptstadt. Es war ruhig. Nichts war zu hören.
Nur das Geklappere der Waffen meiner Untertanen.
Dann ertönten die Schreie. Schreie von Drachen. Und dann tauchten sie am Himmel auf. Erhoben sich aus der Stadt wie Racheengel auf ihrem Feldzug.
Raunen und ängstliche Rufe gingen durch die Menge unter mir.
Ich hielt Dorcha ruhig, der ganz begierig darauf war, sich auf die Drachen zu stürzen.
„Habt keine Angst. Wir kämpfen vereint und für die Freiheit! Nichts wird uns aufhalten."
Schrie ich zu den Menschen hinunter und sah, wir sie sich an meinen Worten festklammerten. Viele von ihnen würden nicht mehr miterleben, wie die Sonne am Morgen wieder aufging. Denn jetzt tauchte sie den Himmel in rotes Licht. Rot wie das Blut, welches bald auch die erde Färben würde.
„Kämpft! Kämpft bis in den Tod und sterbt als freie Menschen!"
Schrie Ace und streckte sein Schwert in die Luft. Kampfgeschrei ertönte. Er wusste, was er sagen musste, um sie dazu zu bringen, ihre Waffen zu hebend und schreiend loszustürmen.
Das war auch mein Zeichen.
Ich nickte Caspar hinter mir zu.
„Kümmert euch um die Reiter. Versucht sie und nicht ihre Drachen zu töten."
„Und was tust du?"
Fragte Finn, der plötzlich neben mir auftauchte. Es schmerzte, in seine schönen, blauen Augen zu sehen.
Aber dann erfüllte Wut und Rachegelüste mein Herz.
Ich verzog die Lippen hasserfüllt.
„Ich? Ich kümmere mich um Krimur."
„Alleine?"
„Ich bin nicht alleine."
Ich legte die Hand auf die schwarz glänzenden Schuppen meines Drachen. Dank ihm war ich nie wieder alleine gewesen. Und ich spürte, dass er bereit war, heute Nacht mit mir zu sterben.
Und er war bereit, seinen Gegner zu zerfetzen. Er öffnete das Maul und stiess ein lautes, markerschütterndes Brüllen aus.
Ich blickte nochmals zu Ace, der mir bloss zunickte. Wir waren in solchen Augenblicken beide keine Menschen grosser Worte.
Dann liess ich Dorcha freien Lauf und mit kräftigen, wütenden Flügelschlägen schoss er auf die sich nähernden Reiter zu.
Dicht hinter uns Adira und Ace. Die Marcaiche folgten.
Ich spürte den peitschenden Wind in meinen Haaren und hörte, wir er gegen meine Krone krachte. Als wäre sie ein unüberwindbares Hindernis.
Ich flog höher, immer höher. Dann sah ich hinunter. Unter mir krachten die Marcaiche mit Krimurs Reitern zusammen. Ihre Drachen schlugen mit Pranken und ihren Schwänzen aufeinander ein, während die Marcaiche und die Reiter versuchten, sich gegenseitig zu erstechen oder mit Magie zu fall zu bringen.
Einige von ihnen stürzten in die Tiefe und landeten krachend neben dem Menschen, die sich tapfer gegen die wenigen gelandeten Drachen wehrten. Diese schnappten sich ganze Mäuler voller schreiender Krieger, warfen sie herum und zerfetzten sie in der Luft. Doch wie unerbittliche Ameisen umzingelten sie meine Untertanen, rammten ihnen ihre Speere in die Beine und zerrten an den Reitern.
Dann hatte ich keine Zeit mehr, dem brutalen und tödlichen Geschehen zuzusehen.
Denn Dorcha knurrte und sein ganzer, riesiger Körper vibrierte.
Ich suchte mit meinen Augen aufmerksam den Himmel ab.
Eine dunkle Gestalt näherte sich zwischen den Wolken, nur die Strahlen der untergehenden Sonne durchleuchteten sie.
„Krimur."
Flüsterte ich. Ich erkannte seinen roten, grossen Drachen sofort. Er schien zu glühen.
Und Gendryl, er sass gerader auf seinem Drachen als ich ihn jemals zuvor gesehen hatte.
Es war ein komisches Gefühl, den alten Meister als das zu sehen, was er war.
„Quinn. Wie ich sehe, trägst du nun auch eine Krone."
Ich verzog die Lippen. Ich konnte ihn gut hören, selbst aus dieser Entfernung. Es war Magie.
„Und bald werde ich die Einzige sein, die eine Trägt. Ich werde dir deine höchst persönlich von deinem abgetrennten Kopf reissen."
Zischte ich und ich hörte, dass er lachte. Fröhlich, unbeschwert.
„Die Dunkelheit zerfrisst dich innerlich, Quinn. Aber du bist stark. So stark wie ich es bin. Und das war alles was ich immer wollte. Ich wollte dich immer als meine Nachfolgerin."
Ich schnaubte.
„Ich werde nicht so wie du. Ich werde die Menschen von deiner Herrschaft befreien!"
Er nickte und war uns ganz nah. Ich spürte, wie sich Dorchas kräftige Muskeln anspannten. Er war bereit. Und ich auch. Heute würde alles enden.
„Dann tu es! Lass dein Herz sich mit dunkler Magie füllen! Denn anders wirst du es nicht schaffen, gegen much zu bestehen."
Er lächelte hämisch. Und das war der Moment, in dem Dorcha vorschnellte.
Er knallte gegen den roten Drachen, der wütend aufschrie. Dorcha schlug seine Zähne in seinen Hals und ihre Beine verknoteten sich in dem Versuch, sich gegenseitig die Bäuche aufzukratzen.
Ich versuchte, mich auf Dorchas Rücken zu halten, während die beiden Drachen wie Steine in Richtung des Erdboden sausten.
Gendryl....Krimur stiess seine Hände vor und dunkle Pfeile schossen auf mich zu.
Ich liess zu, dass die dunkle und mächtige, kalte Kraft in mir aufstieg. Ich liess es zu, wie ich es noch nie getan hatte. Ich spürte, wie ich erfüllt wurde von dieser unglaublichen Macht. Und ich liess die Pfeile mit einem einzigen Wink meiner Hand zersplittern.
Dann hob ich die Arme und liess eine wand aus Dunkeln, kalten Feuer auf den alten Meister nieder.
Doch er tauchte unversehrt daraus hervor. Seine Augen waren schwarz. Gänzlich schwarz. Doch ich hatte keine Angst mehr. Ich wollte ihn nur noch töten.
Also stand ich auf, auf dem Rücken meines Drachens und versuchte, den alten Mann zu erreichen.
„Du wirst sterben, alter Mann."
Knurrte ich und er lachte. Es war ein verrücktes Lachen.
„Nicht heute."
Ich sah, wie wir uns langsam dem Erdboden näherten, die Menschen unter uns deuteten auf uns, schrien erschrocken auf. Sie wussten ja nicht, was vor sich ging.
„Doch. Du stirbst und zwar jetzt."
Ich machte einen Satz und warf mich auf den alten Mann. Meine Wucht traf ihn und seine Beine lösten sich aus dem Sattel.
Seine Augen blitzten schwarz und ich stiess einen wütenden Schrei aus, als er mich mit dunkeln Schatten fesselte und mir jegliche Bewegung verweigerte. „Ich bin der König! Ich!"
Schrie Krimur und lachte wirr, während er die Hände hob und in den Himmel hinauf sah. Die Blitze zuckten um ihn herum und ich spürte Dorchas Wut.
Spürte meine Wut. Mit einer ruckartigen Bewegung riss ich mich los, sprengte die dunkeln Ketten um mich herum und brüllte. Dann warf ich mich auf den alten Mann und stiess ihm aus dem Sattel.
Ich spürte, wie wir den sicheren Halt unserer Drachen verliessen. Wir wir fielen.
Krimurs Augen weiteten sich.
„Quinn..."
Ich legte all meine Kraft in den Fall. Ich spürte, wie die Schatten um mich herum schwebten und uns folgten wie einer Sternschnuppe. Ich spürte die Dunkelheit, die uns umhüllte wie ein Ball aus Feuer. Ich stiess meine Hände in seine schmale Brust und so rasten wir auf die Erde zu. Er mit dem Rücken und flatterndem Gewand und ich über ihm.
„Ich bringe es zu Ende."
Ich hörte über mir Dorcha brüllen, spürte dass er von dem taumelnden roten Drachen abliess um uns nachzustürzen. Doch er würde nicht schnell genug sein.
Ich erinnerte mich an mein Versprechen. Ich würde Krimur töten. Selbst wenn es das Letzte war, was ich tun würde. Ich war entschlossen und legte noch mehr Kraft in meine Hände. Wir schossen auf die Erde zu wie Magneten.
„Du wirst sterben, Quinn."
Flüsterte Gendryl und breitete seine Arme aus.
„Dann sterben wir eben beide."
Er lächelte leicht und nickte dann.
„Deine Augen. Wunderschön."
Flüsterte er und ich konnte sie in den seinen wieder spiegeln sehen. Sie waren schwarz. Schwarze Augen. Leblose Augen. In diesem Moment erfüllte mich Angst. Das war das letzte was ich spürte, bevor wir aufprallten. Wir ein Meteorit schlugen wir in die Erde ein und Dreck und Staub flogen um uns herum. Alles wurde überdeckt von den zischenden und zitternden dunkeln Schattenfetzen, die um uns herum flogen.
Dann war es ganz still.

Ich öffnete die Augen. Und ich war überzeugt, dass ich tot war. Denn ich spürte nichts. Keine Angst, keinen Schmerz, nichts. Ich sah Staubkörner, die im schwarzen Wirbel der Macht um mich herum gedreht wurden.
Dann richtete ich den Blick nach unten. Unter mir lag Krimur. Seine Augen waten geöffnet und färbten sich langsam zu einem tiefen schwarz. Aus seinem Mund lief Blut. Als ich mich von seinem Körper erhob sah ich seine verrenkten Gliedmassen und die gebrochenen Rippen, die aus der blau verfärbten Haut hinaus stachen.
Ich lebte also noch.
Dann richtete ich mich ganz auf und wie auf Befehl lichtete sich der dunkle Nebel um mich herum langsam.
Ich atmete langsam, wie in Trance.
Dann sah ich sie. Die Menschen, die mit ungläubigen, ehrfürchtigen Augen zu mir starrten.
Langsam trat ich aus der Grube, die unser Aufprall hinterlassen hatte und machte einige Schritte auf sie zu. Langsam. Ich konnte noch immer nicht spüren, was los war. Ich spürte ihre Gefühle, aber meine nicht.
Sie waren wie weggefegt. Nein, sie waren noch da. Tief in meinem Herzen verborgen. Das fühlte ich, als ich Dorcha neben mir landen hörte. Ich spürte, wie er triumphierte und wie glücklich er war, neben mir stehen zu können. Lebend. Wir hatten überlebt.
Dann wanderte mein Blick über die Menschen. Ihre Haut war verschmiert mit Dreck, ihre Rüstungen mit Blut getränkt.
Viele lagen am Boden und regten sich nicht. Viele.
Aber die die noch standen, die begannen zu jubeln. Ein ehrlicher, erleichterter Jubel. Es waren die Rufe der Überlebenden, für die nun ein neues Zeitalter beginnen sollte.
Ich sah die Marcaiche landen und entdeckte Finn, der finster zu mir hinüber starrte. Und ich sah Caspars traurigen Blick. Ich sah die Drachen, die sich von ihren Reitern befreit hatten und in Dorchas lautes Gebrüll miteinstimmten.
Ich sah Ace landen und jubelnd seine Faut hoch halten.
Ich hörte sie alle Jubeln. Doch das alles kümmerte mich nicht.
Ich hob langsam den Kopf und setzte mir die Krone wieder auf, die im Sand neben mir gelandet war.
„Krimur ist tot!"
Verkündete ich und meine Stimme hallte über die ganze Weite. Dann hob ich die Arme und genoss den Jubel, das glückliche Geschrei um mich herum. Als die Menschen die Arme hoch warfen und eine Welle der Erleichterung sie erfasste.
„Und jetzt werden wir eure Freunde und Familie aus der Stadt des toten Königs befreien. Und dann werden wir alle frei sein."
Ich genoss die Bewunderung und die Freudenschreie, die tief in mich hinein griffen und irgendwo einen kleinen warmen Teil in mir berührten.
„Lang lebe die Königin!"
Ertönten dann die ersten Rufe. Ich erschauderte und liess meinen Blick über die Massen an Menschen und Marcaiche wandern.
„Lang lebe die Königin!"
Ertönte es aus hunderten von Mündern und ein feines Lächeln zierte meine Lippen, während sich feine schwarze Adern durch meine Augen zogen.
Ich formte es mit meinen Lippen, als sie es das nächste mal riefen.
„Lang lebe die Königin..."

~End~

Liebe Sternchen das Buch geht hier zuende und es ist vorerst eurer Fantasie überlassen, euch auszumalen was Quinn wohl für eine Herrscherin werden wird. Lasst mich eure Vermutungen in den Kommis wissen!
Ich danke euch für die Reise durch das Buch und die fortwährende Unterstützung!
Jetzt werde ich mich erstmals auf andere Bücher konzentrieren, es kann aber gut sein, dass ich mich irgendwann mal zu einem 2. Band imspiriere :)
Bis dahin, auf wiedersehen und hoffentlich treffen wir uns in einem meiner anderen Bücher wieder!
Angora77

Stolen Secrets: Erbin der Drachen *beendet*Where stories live. Discover now