8 Die Attacke

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Ich hörte nicht sonderlich viel, nur das rum Geschrei von einigen Mitmenschen.
Konnte gut sein dass es einfach ein Streit war, der etwas aus den Fugen geraten war.
Doch dann öffnete sich die Türe, von der ich mich unterdessen ein ganz schönes Stück entfernt hatte und Finn streckte gehetzt den Kopf aus der Türe.
"Quinn!"
Schrie er gegen den Wind an.
Eine starke Böe war aufgekommen und das was er als nächstes Rief ging im Windzug unter.
"Was? Ich versteh dich nicht!"
Brüllte ich und hoffte dass ich keine Scheibe zerkratzt hatte oder so.
Er schrie erneut etwas und ich strengte mich an, irgendetwas zu verstehen.
Aber vor allem der Singsang des Windes drang in meine Ohrmuscheln ein.
Alles was ich von seinem Geschrei mitbekam waren zwei Wörter.
Ausgebrochen und...
Ich drehte mich langsam und mit angehaltenem Atem um, als ich schwere Flügelschläge hörte, und ein lautes Atmen dass die Fensterscheiben zum Zittern brachte.
Und mir durch Mark und Bein ging.
Meine Augen weiteten sich, denn nur wenige Meter vor mir schwebte die Kreatur in der Luft.
"Drache..."
Wisperte ich.
Jetzt war völlig klar was mir Finn hatte mitteilen wollen.
Ein Drache war aus irgend einem unerfindlichen Grund ausgebrochen.
Genau dann wenn ich ungeschützt draussen war und die Fenster putzte.
Was für ein Zufall...
Das passte doch wirklich perfekt zu meiner Glücksfee, die wohl Ferien im hintersten Winkel dieser Welt machte.
Ich starrte das Tier an.
In meinem alten Dorf waren Geschichten erzählt worden, Bilder gemalt und herum gezeigt worden.
Ich hatte immer gewusst dass diese Tiere imposant waren; mächtige Lebewesen.
Doch jetzt tatsächlich einem Gegenüber zu stehen war ganz anders.
Ich konnte spüren wie der Himmel und die Erde erzitterten als seine Füsse auf der Plattform aufsetzten und als er seine riesigen Flügel anlegte und den langen Hals in meine Richtung streckte, erschauderte ich.
Dieses Vieh strahlte eine Macht aus die so alt war dass ich mir am liebsten in die Hosen gemacht hätte.
Aber sein grosser, feuerroter Körper interessierte mich gar nicht, ich konnte auch gar nicht auf die winzigen Schuppen achten, die seinen Panzer beinahe wie eine glitzernde Feuerhaut wirken liess.
Ich konnte nur sein Gesicht anstarren.
Flach gedrückt, zwei Schnurrhaare und zwei Hörner.
Eine schmale Zunge, wie die einer Schlange schob sich zwischen seinen Nüstern hervor als müsste sie kosten ob ich Angst hatte.
"Nicht.Bewegen."
Mahnte mich Finn und stand wie versteinert am Eingang.
Das hatte ich ehrlich gesagt auch nicht vorgehabt.
Und wohin sollte ich auch rennen? Einfach von der Plattform springen?
Hm, vielleicht gar keine schlechte Idee.
Die Augen des Tieres waren braun.
Jeder Drache sah anders aus, ja, aber dieser hier war nicht einfach so ausgebrochen.
Ich hatte das Gefühl dass er ganz genau wusste wer ich war.
Er kannte mich, obwohl ich ihn noch nie gesehen hatte.
Und er war wütend, verdammt wütend.
Vielleicht war Nachtragend das bessere Wort.
Ich spürte es, doch wie bitte sollte ich das Tier verärgert haben?
Ich schluckte leer und mein Hals wurde trocken.
Dann öffnete er einen mit riesigen Zähnen besetzten Mund und brüllte.
Es war Ohrenbetäubend und ich hörte für eine kurze Zeit nur noch das Piepen und das Rauschen des Windes in meinen Ohren.
Kleine Speichel Tropfen flogen mir ins Gesicht und ich ballte die Hände vor Angst zu Fäusten und presste sie eng an meinen Körper.
Ich konnte spüren wie sich hinter mir die anderen Schüler die Nasen an dem frisch geputzten und nun wieder schmutzigen Fenster platt drückten.
Danke dass ihr alle an mich denkt, die hier ohne Schutz vor einem wütenden Drachen steht!
Seine Krallen schabten über den Stein und Funken sprühten, wenn er sie darüber zog.
Ich drückte mich mehr an das Fenster, es war so kalt dass ich am liebsten zu einem Teil von ihm erstarrt wäre.
"Finn. Ich glaube er ist wütend auf mich."
Flüsterte ich, während ich den Blick nicht von den alten, intelligenten und Hassgetränkten Augen abwandte.
"Das glaube ich gerne...wenn man Maries Zustand bedenkt."
Murmelte Finn.
Wahrscheinlich hätte ich das nicht hören sollen, doch jetzt ergab alles einen super Sinn.
Das war Maries Drache.
Und weil ich seiner Herrin weh gemacht hatte, wollte er sich jetzt rächen.
Krass dass diese Verbindung so tiefgreifend war. Irgendwie doch ganz süss von dem Drachen.
Und eher schlecht für mich.
Ich drehte den Kopf in Schneckentempo zu Finn.
"Marie? Sie hat doch noch gar keinen..."
Mit Rauer stimme kämpfte ich gegen den Wind an.
"Doch! Ihr Onkel Caspar hat ihr ihren schon früher zugeteilt, sie ist somit die Erste mit einem Drachen!"
Ganz toll.
Wunderbar.
Ich stiess mich von der Wand ab, das Gesicht des Drachen war nur noch wenige Meter von mir entfernt.
Abgesehen davon dass es der Wahnsinn war so ein majestätisches Tier wirklich in echt zu sehen, hatte ich Angst dass mir die Beine zitterten.
"Es tut mir leid."
Sagte ich und sah dem Tier fest in die Augen.
Es atmete ruhig und hob den Kopf etwas an, bevor es die Schnauze leicht öffnete.
Ich will ja nicht angeben, aber ich machte mich doch ganz gut als Drachenflüstererin.
"Achtung! quinn!"
Schrie dann Finn auf einmal und ich riss erschrocken die Augen auf.
Der Drache holte tief Luft, dann hörte ich das Sprühen von Funken.
Ein Feuer, tief in seinem Innern entfacht und glühend heiss.
Ich hatte vielleicht einen Kommunikationsfehler gemacht. Eventuell.
"Oh nein..."
Entfuhr es mir, dann spie der Drache eine Wolke an Feuer aus.
Die Flammen waren orange und riesig.
Sie griffen in die Luft als wollten sie sich alle Luft angeln um noch daran zu wachsen, und noch gefährlicher zu werden.
Sie rasten auf mich zu wie ein unheilvolles Gewitter voller knisternder Flammen.
Es waren nur wenige Sekunden, doch in diesen Spürte ich plötzlich die Magie, die sich in mir regte.
Von alleine, als hätte sie etwas weit entferntes angeregt.
Ich hob die Arme, den nach mir leckenden Flammen entgegen und biss die Zähne zusammen.
Ich vertraute nicht auf mein Gefühl, ich tat einfach was meine Intuition war, ohne nachzudenken, ohne mich selbst zu steuern.
Und als die Flammen mich eigentlich erreichen und schmerzhaft verbrennen sollten, teilten sie sich um mich herum als würde ich wie Moses das Wasser spalten.
Mit grossen Augen sah och auf das Flammenmeer um mich herum.
Es wurde etwas warm und die Luft die gerade noch um mich war erwärmte sich etwas, aber ansonsten blieb ich unversehrt.
Als der Flammenstrom abbrach, stand ich noch immer da.
Geschockt und nicht mehr fähig mich zu rühren.
Finn hatte gesehen was los war und hielt sich bereit um mir zu helfen.
Der Drache beäugte mich, dann holte er erneut Luft.
Er war hartnäckig, aber ich wusste nicht ob ich das nochmals hinbekam, denn meine Glieder fühlten sich schwerer an als die Steine des Berges.
Magieverlust.
Ich schwankte und malte mir aus wie es wohl war, von Drachenfeuer gegrillt zu werden und ob es wohl so weh tat wie bei normalen Feuer.
Aber dann, kurz bevor die Glut mich treffen konnte, donnerte es als würde der Himmel über uns zusammenbrechen.
Plötzlich krachte irgendetwas von der Seite mit einer riesigen Geschwindigkeit in Maries Drachen hinein. Wie ein verschwommener schwarzer Pfeil rammte es den roten Drachen.
Die beiden Kreaturen verschwanden im Flammenmeer und dieses färbte sich mal blau mal rot.
Entgeistert duckte ich mich als ein gigantischer Flügel in die Mauer krachte und fiel auf die Plattform, an der ich mich so gut es ging festklammerte.
"Oh gott was ist das?"
Wisperte ich und entdeckte hinter dem Fenster noch andere Schüler, die aufgetaucht waren und mit grossen Augen auf die Flammenverhüllten Kreaturen starrten.
Ich sah nichts ausser Feuer überall und vereinzelten Krallen die aufeinander einhieben, und lautes erzürntes Brüllen und versuchte irgendwie blind zurück zu kriechen, denn jetzt brannte die Hitze kn meinen Augen und trieb die Tränen hinein.
Dann war Finn bei mir und hievte mich hoch, bevor er mich zum Eingang schleppte.
Alles war verschwommen, aber ich meinte zwischen den Flammen und dem flimmernden Himmel etwas dunkles zu sehen.
Bevor ich durch die Türe gestossen wurde, und die Türe knallend hinter mir zufiel, leuchtete es mir ein.
Was auch immer das war, es war gekommen weil es mich beschützt hatte.
Ich hustete und stand taumelnd auf, während Finn mich schon besorgt abtastete.
"Alles okay bei dir? Bist du verletzt?"
Ich schüttelte nur stumm den Kopf und versuchte meine Gedanken zu ordnen.
Es klappt nicht, stattdessen wischte ich mir über die Augen.
Gendryl kam daher gehumpelt und betrachtete mich ebenfalls nochmals, bevor er erzürnt fragte wer für die Freilassung des Drachen verantwortlich war.
Das hätte ich ihm zwar auch sagen können, aber ich schwieg einfach und liess mich in meinen Schlafsaal bringen, nachdem eine Pflegerin kurz alles untersucht hatte.
"Die hat aber Glück gehabt..."
"Ja ich dachte schon der Drache grillt sie. Da hat er wohl schlecht gezielt."
Ich presste die Lippen zusammen und war froh, endlich die Türe zuschlagen zu können. Sie wussten nicht dass ich mich erfolgreich hatte verteidigen können.
Ausserhalb des Berges, auf der Schattenseite war ich stärker...nur wieso?
Kira und Ida halfen mir ins Bett und wollten einfach nicht weg gehen.
"Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht."
Kira nickte bestätigend und flocht Ida einen Zopf aus ihren perfekten Haaren.
"Ja, ich dachte der Drache macht dich kaputt."
Klärte sie mich auf.
Ich starrte nur aus dem Fenster auf den Wald aus toten Bäumen und fragte mich was das gewesen war was ich gesehen hatte.
Der Schock sass noch immer in meinen Gliedern, aber viel mehr musste ich an meinen Retter denken.
Und dass ich ausserhalb dieser Mauern, auf der schlechten Seite stärker war.
Das war nicht logisch.
Und erst recht nichts was man erstreben sollte.

Stolen Secrets: Erbin der Drachen *beendet*Where stories live. Discover now