9 Der Berg der Drachen

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Man konnte nicht sagen ich sei nervös.
Das war die Übertreibung des...keine Ahnung ob es einen Ausdruck dafür gab.
Ich schlotterte nur so vor Angst.
Es war nicht schön, zu wissen dass man sowieso verkackte, egal wie gut man geübt hatte oder wie gut man die Forderungen sonst erfüllen konnte.
Das Schulzimmer war völlig leergeräumt worden, nur der Wasserfleck von Vorgestern war noch zu sehen. Ja, Holz vertrug sich nicht so mit Wasser.
An einem langen Tisch sassen die drei Meister und ich stand wunderbar vor ihnen wie auf dem Präsentierteller.
Meine Hände hatte ich verkrampft ineinander verhakt und glaubte auch nicht, sie in nächster Zeit bewegen zu können. Es tat nämlich langsam weh.
„Also Quinn Hale, bist du bereit für die Prüfung?"
Meinte Gendryl freundlich und mit warmer Stimme.
Ich öffnete meinen Mund zu einem heftigen nein, brachte dann aber keinen Ton hervor.
Das brachte mir einen zweifelnden Blick von Caspar ein.
Scheisse.
„Ja gut, dann beginnen wir mal mit dem Test.
Ich möchte von dir dass du eine Flamme herauf beschwörst."
Ermutigend nickend beobachtete mich Meister Kiesel, die anderen zwei waren immer noch nicht sonderlich überzeugt.
Wer konnte es ihnen verdenken, ich sah erbärmlicher aus als ein Sack voller Kartoffeln.
Die waren wenigstens zu etwas gut.
Ich nickte langsam und starrte einfach nur den alten Meister an, von dem ich so hoffte dass er diese Bitte wieder zurück nahm.
„Bist du soweit?"
Fragte Master Emmet nach und seufzte dann.
Ich atmete rief ein und versuchte, die Kraft aus meinem Innern herauf zu beschwören.
Doch es passierte natürlich nichts. Wie voraussehbar.
Zuerst hielten sie ihren Mund, doch als ich nach fünf Minuten mit Tränen in den Augen und mit vor Frust gerauften Haaren immer noch ohne Ergebnis dastand, schob sich Caspar auf seinem Stuhl zurück.
„Ich kann das nicht mehr länger mitansehen. Ich will dass sie geht. Dieses Mädchen ist keine Reiterin, das sieht man doch."
Er wies auf mich und schüttelte das schüttere Haar.
Ich biss mir auf die Lippe um ihn nicht anzuschreien.
Aber der Moment hatte ja sowieso kommen müssen.
„Ich muss Caspar leider beipflichten, ich habe die Mängel bereits im Unterricht bemerkt.
Vielleicht gehört sie einfach nicht hierhin."
Wagte sich nun auch der Pergamentschreiber vor und ich blitzte ihn verzweifelt an.
Er war doch mein Lehrer, es war doch seine Aufgabe mir zu helfen. Nicht mich raus zu schmeissen.
Gendryl nickte nachdenklich, man sah ihm nicht wirklich an wie er davon dachte.
Dann wandte er sich mir zu. Der Erste der mich ansprach und nicht tat als wäre ich nicht hier.
„Möchtest du etwas dazu sagen, Quinn?"
Ich nickte heftig.
Jetzt war es scheiss egal, ich würde fliegen wenn ich nicht endlich mit der Wahrheit heraus rückte, also schlimmer konnte es sowieso nicht werden.
„Ja! Ich schwöre euch ich kann es! Ich kann alles bewegen oder verbrennen was auch immer! Aber ich weiss nicht wieso, es geht nur an einem einzigen Ort."
Caspar schnaufte höhnisch ein und Gendryl lehnte sich vor.
„Wo denn?"
Ich schluckte. Jetzt würde er mich wahrscheinlich gleich eigenhändig raus schmeissen.
Ich wusste ja selbst wie dumm es sich anhörte.
„Nur bei meinem Fenster im Zimmer. Dort wo man auf das verbrannte Land sehen kann."
Meine Stimme wurde immer leiser und ich kam mir immer dümmer vor.
Ich hätte meinen letzten Staubfetzen Ehre zusammenkratzen und gehen sollen, aber ich fand es einfach nicht fair.
„Es ist ja wirklich schon traurig deinen Leistungen eine Beurteilung geben zu müssen Quinn, aber diese Ausrede ist wirklich schlecht. Darüber stehst du doch."
Caspar massierte seine Schläfe und ich presste die trockenen Lippen zusammen.
Ich wusste ja dass sie es lächerlich finden würden.
Emmet seufzte nur und hielt sich raus; während der alte Mann mit den Gletschersee Augen sich langsam vorbeugte.
„Sprichst du die Wahrheit Quinn?"
Fragte er dann und ich setzte an um zu antworten.
„das ist doch völlig belanglos! Wir müssen ihre Abreise planen, so eine Schülerin können wir nicht brauchen. So leid es mir auch tut."
Ja als ob, der Sack war doch froh, mich los zu werden.
Ich schenkte Caspar einen herzlich bösen Blick.
„Nein."
Gendryl schüttelte nachdenklich den Kopf und tippte sich mit den Fingern an seinen kurzen und schneeweissen Bart.
„Nein?"
Kam es aus meinem, Emmets und Caspars Mund wie auf die Sekunde genau.
Ich war zwar positiv überrascht, aber eben...überrascht.
„Nein. Ich möchte dass Quinn hier bleibt."
Caspar schüttelte energisch den Kopf.
„Und wie soll man sie bitte unterrichten? Gendryl bitte lass diese Nummer, es bringt nichts."
Doch der alte Mann liess sich zu meinem Glück nicht abhalten.
Erwartungsvoll schlug ich die Hände vor meiner Brust zusammen und wartete drauf, was er sagte.
„Ich werde sie persönlich unterrichten.
Sie wird dir nicht in die Quere kommen Caspar, falls es das ist was dich stört."
Mit dunkeln Blick krachten die langen Nägel des Angesprochenen auf den Holztisch.
„Es stört mich dass du lieber eine Unwürdige unterrichtest anstatt deine Zeit den echten Reitern zuzuwenden."
Gendryl zuckte nur die gebrechlichen Schultern.
„Ich übernehme die Verantwortung für sie.
Den Rest geht dich nichts mehr an."
Ich spitzte die Lippen ab seinem, plötzlich harschen, Ton.
Auch Caspar liess sich langsam in seinem Stuhl zurück sinken und schüttelte missmutig den Kopf.
„Das Leben straft dich irgendwann für deine Gutgläubigkeit Mein Lieber."
Doch der alte Mann lächelte mich nur verschmitzt an und nickte.
„Hoffentlich doch."
Ich musste leise lächeln und mir wurde warm ums Herz.
Ich würde ihm nie vergessen was er jetzt gerade für mich getan hatte.
„Also darf ich bleiben?"
Fragte ich ganz ausser Atem und Gendryl nickte mir zu.
„Ja, ich informiere dich wann wir den Unterricht starten."
Ich sprang in die Luft zu springen und mich so oft zu bedanken, dass Caspar stöhnend aufstand und mit den Worten „ich brauche eine Pause" den Raum verliess.
Aber Gendryl lächelte mich warm an.
Er glaubte mir, dafür war ich ihm so dankbar.
„Geh jetzt Quinn Hale. Und freue dich darauf, deinen Drachen kennen zu lernen."
Ich nickte und huschte schnell aus dem Raum, bevor er es sich doch noch anders überlegen konnte.
Ich würde meinen Drachen bekommen, ich war wirklich drinnen.
Doch als ich das erzählte erntete ich nur fragende und etwas misstrauische Blicke.
„Wie hat die bitte bestanden?"
War die meist gestellte Frage.
Weil ich es nicht mehr ertragen konnte, verschwand ich irgendwann in meinem Zimmer und widmete mich wieder meinem besten Freund.
Dem Fenster.

Stolen Secrets: Erbin der Drachen *beendet*Where stories live. Discover now