11 Die Wahrheit über Mathàir

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Ich hatte oft Kugeln hier hinabfallen und dann wieder hoch schweben lassen. Das hatte ich gut drauf. Aber mich selbst, etwas so grosses davon abzuhalten, auf den Boden zu knallen und in tausend Fetzen zerrissen zu werden, dass hatte ich noch nie geübt.
Und viel Zeit dass jetzt zu üben blieb mir nicht, denn die Luft im freien Fall peitschte mir durch die Augen, und schien mir die Haut von den Knochen zu schälen. In meinen Ohren dröhnte es und ich hatte mühe, meinenMund geschlossen zu halten. Mühsam presste ich aus meinen Lungen die Luft heraus, was bei dem Druck der auf mich wirkte gar nicht so einfach war.
Ich hatte die spitzen Steine am Fusse des Berges bereits vor Augen, ich konnte mir bereits vorstellen wie sie benetzt mit meinem Blut in die Höhe ragten, nachdem sie mein Leben beendet hatten.
Das wars dann wohl.
Dann ertönte ein rauer Schrei, als würde etwas die Erde aufschaben, gellend, sodass die Luft erzitterte, unter kräftigen Flügelschlägen. (Der Schrei seht ihr im Video) Das war der Drache.
Aus den Augenwinkeln sah ich ihn weit über mir Kreisen, seinen schlanken Körper elegant durch die Luft kreisend; dann legte er die Flügel an und schoss in die Tiefe. Genau auf mich zu.
Erneut ertönte ein markerschütternder Schrei, dann spürte ich wieder die Hitze in mir. Sie war extrem. Und dann hörte ich ihn Atem. Keine Sekunde später schlossen sich Krallen so gross wie mein Unterarm um mich und dann bremste der Drache über mir plötzlich ab, sodass ich abrupt hochgerissen wurde.
Mir wurde die Luft rausgeschlagen, und ich öffnete keuchend den Mund, während über mir Kräftiges Flügelschlagen ertönte, und ich mich langsam immer weiter vom Boden entfernte. Das bemerkte ich mit Erleichterung und ich war froh, dass er gekommen war. Das heisst er wollte nicht dass ich starb und das war doch schon mal ein Anfang. Doch während meine Haare vom Wind herum gschleudert wurden, der durch die kräftigen Flügelschläge herumwirbelte, fiel mir auf dass er mich nicht zurück brachte. Viel eher entfernten wir uns vom Berg. Aus der Luft war es schwer zu bestimmen, wie weit ich weg war, doch zu Fuss hätte ich bestimmt einen halben Tagesmarsch gebraucht. So weit trug der schwarze Drache mich weg, bevor er langsam die Flügel gegen den Wind hielt, abbremste und mit den hinteren Füssen voraus zur Landung auf einer breiten Lichtung ansetzte.
Sie war umringt mit Bäumen, die nicht mehr als abgestorbene Rümpfe waren, zerstört durch Drachenfeuer und nie wieder lebendig geworden. Die Wiese auf die mich der Drache erstaunlich sanft absetzte, war weich, doch das spärliche Gras war vergilbt und gebogen.
Wasser hörte ich nirgends plätschern und auch sonst konnte ich keine Lebenszeichen von irgendwelchen Tieren ausmachen.
Erst als die Erde unter mir erzitterte und der Drache sich neben mir aufgestellt hatte, wagte ich es, mich zu bewegen und langsam aufzustehen. Ich klopfte die Erde von meiner beigen Hose aus Leinen und liess meinen Blick von seinen vier Beinen hinauf zu seiner hohen Brust gleiten, dann weiter über den Hals, den er langsam hin und her wiegte bis hinüber zu seinem Kopf.
Die Hörner glitzerten im Mondschein und auch sanfte helle strahlen erhellten das tiefe Schwarz seiner Schuppen. Nur seine gelben Augen waren stechend klar. Seine Pupillen waren grösser als bei Tag, etwas, dass er mit Katzen wohl gemeinsam hatte. Sein Atem blies mir die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Diese würde ich wohl nie wieder entknoten können, nach meinem kleinen nächtlichen Abenteuer. „Danke dir." meinte ich und er schüttelte den Kopf von rechts nach links, wie ein nasser Hund der sich schüttelte.
Seine Schuppen an seinem Hals bewegten sich dabei und brachen das schwache Mondlicht, es sah wunderschön aus.
Ein leiser krächzender Laut kam aus seiner Kehle und er senkte den Kopf bis er auf meiner Höhe war.
„Ich weiss dass du mich verstehst, aber wieso hast du dich mir nicht mehr gezeigt?"
Er hatte nicht erwartet, jemals einen Reiter zu finden, erst Recht nicht in diesem trostlosen Land.
Er war genauso verwirrt vor den neuen Gefühlen wie ich es gewesen war. Es kam mir immer noch komisch vor, diese Art von Kommunikation zwischen uns. Dass ich seine Antwort in meinem Kopf aus meinen Eigenen Gedanken formte und sie trotzdem seine Worte waren, das hätte ich mir nicht mal zu erträumen gewagt.
„Und deine Verletzung, ist sie verheilt?"
Ich machte einen Schritt auf den grossen Drachen zu, ich reichte ihm gerade mal bis an die Hälfte seiner Beine, und musste mich streckten um seine Schulter halbwegs zu erahnen.
Er knurrte leise, es hörte sich an wie ein Bergsturz.
„Keine Angst, ich kann dich jetzt heilen, das habe ich im Unterricht gelernt!"
Ermutigte ich sowohl ihn als auch mich, während ich versuchte irgendwie an seinem Bein hoch zu klettern und die verschorfte Wunde zu erreichen.
Doch es funktionierte nicht wirklich.
Belustigt beobachtete mich der Drache. Und ja ich konnte seine Gefühle genau spüren, er machte sich über mich lustig, was mir gar nicht gefiel.
„Ich will dir doch nur helfen," jammerte ich entnervt und liess entmutigt die Arme sinken.
Ein leises Winseln wie das eines bettelnden Hundes, nur in tausendfacher Verstärkung, ertönte über mir und dann liess sich der kräftige Drache langsam auf die Knie sinken. Als er sich dann zu Boden plumpsen liess, hüpfte der Boden unter meinen Füssen.
„Wow."
Murmelte ich und versuchte mir nicht vorzustellen wie ein Kampf zwischen zwei so mächtigen Tieren funktionieren würde, wenn er bereits hier die Erde zum beben brachte.
Ich sollte es mir nicht vorstellen, es sei schrecklich. Na super auch. Ich hätte ihn gerne gefragt woher er das wusste, aber ich wollte nicht aufdringlich sein. Oder galt diese Regel nur für Menschen? Ich wusste nicht wie ich das mächtige Tier behandeln sollte, denn er war weder ein Mensch noch ein gedankenloses Reh. Ich machte das schon richtig.
Ah, gut zu wissen.
„Darf ich?"
Ich wies auf die etwa handbreite Wunde, an seiner Schulter, die wohl von der Klaue oder einem Zahn von Maries Drachen stammte.
Der andere Drache hatte schlimmer ausgesehen.
Ich grinste. „Das glaub ich dir gerne."
Ich näherte mich seiner breiten Schulter und da er nicht reagiere nahm ich an, dass ich sein Okay hatte.
Ich schloss fest die Augen und versuchte wieder dasselbe zu tun wie bei Gendryl, als er sich an einer Nadel gestochen hatte, und ich das hatte heilen müssen.
Ich begann in meinem Innern die Hitze zusammen zu sammeln und zu Bündeln, dann sandte ich sie durch meine Arme in meine Hände und bis in die Fingerspitzen. Ich hatte das Gefühl mich zu verbrennen, als ich spürte wie die Kratz mit der Hitze aus mir heraus floss.
Zögerlich öffnete ich die Augen. Ein weisser Strahl an blendendem Licht ergoss sich auf die Wunde und schien davon aufgesogen zu werden.
Erstaunt und fasziniert darüber, dass es tatsächlich klappte beobachtete ich, wie die Haut sich langsam schloss und dann der Strom an Energie aus meinem Innern langsam versiegte.
Sofort wurde mir schwindelig und ich stolpere, wurde aber sofort von einem Fuss meines Drachens gestützt.
Danke.
Ich freute mich, ihm geholfen zu haben und war auch ein bisschen stolz auf meine ausserordentlichen Heilkräfte. Soweit sie das waren.  Ich hatte noch niemand anderen heilen sehen bisher also konnte ich mich auch nicht wirklich vergleichen.
Du machst das gut für eine Anfängerin. Ertönte es in meinem Kopf und ich schnaubte. Was für aufstellende Worte aber auch.
„Wie heisst du eigentlich?"
Fragte ich dann, weil mir aufgefallen war dass ich das noch gar nicht wusste.
Dann musste ich lächeln.
„Dorcha, ein schöner Name. Ich heisse Quinn Hale."
Das wusste er schon, von dem Tag als ich die Fenster putzen musste. Auch gut.
Ich wollte gerade erneut zu einer meiner reichlich vorhandenen Fragen ansetzen, als Dorcha ruckartig den Kopf hob und gegen Himmel starrte.
Dann erhob er sich und breitete die Flügel aus.
Wir sind nicht allein.
Verwirrt darüber, dass sich sonst noch Jemand freiwillig hier rum trieb, begann ich den Himmel zu beobachten. Kurz darauf begann Dorcha zu grollen und aus der Dunkelheit löste sich ein grosser, zierlicher Körper der silbern glitzerte. Wie ein Stern der vom Himmel gefallen war, sah es aus.
Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich, dass eine Gestalt auf dem Drachen sass. Wie konnte das sein? Niemand aus dem Berg getraute sich auf diese Seite des Landes?  Also konnte es nur Jemand aus einem der drei Königreiche sein.
Ich spürte wie die Stimmung des Drachens über mir, ich stand zwischen seinen Beinen; von sanftmütigkeit zu Wut wechselte. Und diese Wut steckte mich an als wäre es meine eigene.
Was hatte Dorcha für einen Grund, so wütend zu sein? Kannte er den silbernen Drachen?
Ich blieb ganz ruhig und verfolgte genauso wachsam wie mein Drache, wie der silberne sich langsam zu Boden gleiten liess und dann aufsetzte, genau mir gegenüber, in einigen Meter Entfernung.
Dorcha grub die Krallen in die Erde und schabte sie auf. Das wäre bestimmt nützlich gewesen, beim Ackeranbau.
Seine Anspannung wurde noch grösser, als sich die Gestalt auf dem Rücken des Silbernen bewegte und die drei Meter hinab auf den Boden sprang.
Misstrauisch und mit gerunzelter Stirn beobachtete ich, wie sich ein, in braunes Leder gekleideter, Junge mit Haaren so schwarz wie die Schuppen meines Drachen, langsam aufrichtete. Er war gross und schlank gebaut, schien nicht all zu viele Muskeln zu haben. Zumindest im Gegensatz zu Finn. Schnell verdrängte ich den Gedanken aus meinem Kopf.
Als er aus dem Schatten seines Drachens trat, der ebenfalls nicht solche kleineren Missbildungen hatte wie die Drachen aus dem Berg, konnte ich sein Gesicht erkennen.
Er hatte eine gebräunte Haut, und über einer schmalen, etwas spitzigen Nase leuchteten mich zwei eisblaue Augen an, vergnügt und herablassend.
An seinem Gürtel hing ein Schwert und eine zusammengerollte Peitsche. Allein diesen Anblick brachte Dorcha zu bedrohlichem Knurren, dass der Silberne sofort erwiderte und sich schützend hinter seinen Reiter stellte.
„Haltet durch holde Maid, ich bin hier um euch vor diesem Vieh zu retten, keine Angst."
Er breitete grinsend die Arme aus deutete eine Verbeugung an, während seine Hand langsam zum Griff des Schwertes wanderte.
Ich kniff die Augen zusammen. Bereits als er vom Drachen gesprungen war; so makellos elegant, hätte ich ihm gerne eine reingehauen. Jetzt als ich sein provokantes Grinsen sah, wollte ich das noch mehr.
„Was soll das? Ich muss nicht gerettet werden?"
Er hob belustigt die Brauen und zog ein glänzendes metallenes Schwert aus der Scheide, dass im Mondlicht gefährlich aufblitzte.
Mit der Spitze deutete er auf meinen Drachen, der den Kopf schützend über mir senkte und die Zähne zeigte.
„Also willst du mir etwa erzählen dass du nicht im Begriff bist von diesem unmöglichen Biest gefressen zu werden?"
Ich schnaubte empört. Was bildete der junge Mann sich eigentlich ein.
„Ähm nein?"
Zickte ich und verschränkte die Arme.
„Das ist zufälligerweise mein Drache. Aber man kann dir ja nicht vorwerfen dass du das offensichtliche nicht erkannt hast."
Das lässige Lachen verschwand aus seinem Gesicht und er war plötzlich ganz ernst geworden.
„Du lügst."
Ich mahlte mit dem Kiefer, jetzt wurde es mir aber langsam zu blöd. Wieso musste ich allen immer alles beweisen.
„Von mir aus." meinte ich mürrisch und unterdrückte die Neugier zu fragen, was er hier zu suchen hatte.
Die Blicke des Jungen wanderten von mir zum schwarzen „Biest" wie er Dorcha nannte, und wieder zurück. Ein Hauch von Erstaunen schlich sich in seinen Blick, was mir aus unerfindbaren Gründen grosse Genugtuung verschaffte.
Auf einmal war seine spöttische Maske abgelegt und er blieb stehen, hatte er sich vorher noch stetig weiter angenähert, sein Drache ihm auf Schritt und Tritt folgend.
„Verzeihung. Das wusste nicht. Ich habe nicht erwartet dass Dorcha irgendwann noch eine Reiterin finden würde."
Meinte er dann und steckte das Schwert zurück.
Ich war aufgeschreckt.
„Du kennst seinen Namen?"
Seine Mundwinkel zuckten und er nickte langsam.
„Der Bursche stammt aus der Zucht meines Vaters, das einzige Ei dass geschlüpft ist."
Ich neigte den Kopf langsam zur Seite.
„Und dein Vater ist?" hakte ich nach, während er mich ansah als wären meine Hirnzellen verblödet.
„Mein Vater war Emanuel Varkan, Sohn von Varkan, dem Gründer meines Reiches. Naja genau genommen das meines Onkels."
Varkan, ich hatte genug aufgepasst um zu wissen dass das eines der drei Reiche im toten Land war. Er musste demfall der Prinz einer solchen Stadt sein und demnach kein guter Mensch, so wie Gendryl die Königsfamilien beschrieben hatte.
„Und wieso haben Dorcha und ich so hohen Besuch verdient?"
Meinte ich abweisend.
„Ich bin ursprünglich hergekommen im Auftrag meines Onkels, um Dorcha zurück zu holen und ihm einen Reiter zu suchen. Jetzt sieht die Sache aber anders aus."
„Ja. Denn du kannst es vergessen dass er dir auch nur einen Schritt folgt. Er gehört zu mir und nicht zu einem Tyrannen."
Entfuhr es mir.
Gelangweilt schnippte der Junge mann mit den Fingern.
„Ich heisse Ace, nicht Tyrann. Aber schön dass du dass so assoziierst."
Ich lächelte und hätte ihm gerne den Stinkefinger gezeigt.
Für einen Prinzen war er aber ziemlich unreif und eingebildet. Okay letzteres gehörte vielleicht dazu.
Ich schwieg und er seufzte.
„Darf ich auch deinen Namen erfahren?"
Mit überschwänglich gehobenen Augenbrauen wartete er auf meine Antwort.
„Quinn."
Er verzog die Lippen als wäre er enttäuscht über den Namen und nickte dann.
„Also fein, Quinn, was hast du denn jetzt vor, wo du deinen Drachen gefunden hast?"
Gerne hätte ich ihm eine schlagfertige Antwort ins Gesicht geschleudert, aber ich hatte keine Ahnung was ich jetzt tun sollte.
Ich wusste dass die anderen im Berg einen Drachen aus dem toten Land niemals akzeptieren und aufnehmen würden, und wenn ich versuchen würde, Dorcha über den Berg ins Drachentaal zu bringen, würde ich ew mit den Marcaiche zu tun bekommen.
Und Ace schien das auch genau zu wissen. All zu viele Perspektiven hatte ich also nicht.
Trotzdem wagte ich es, zu bluffen.
„Vieles. Aber nichts dass dich was angehen würde."
Er grinste verhalten, als würde er sich zurück nehmen müssen, weil er mit einem kleinen Kind redete.
„Nungut. Na dann werde ich mal zurück fliegen und meinem Onkel bericht erstatten."
Ich biss mir auf die Lippen und hätte sehr gerne meinen Stolz bewahrt und ihn weg fliegen lassen.
Aber dann würde ich nichts über Varkan und die aktuelle Situation dort erfahren, und zusätzlich wusste ich nicht, wie der dortige Herrscher reagieren würde, wenn er erfuhr dass ich ihm sein einziges Ei gestohlen hatte. Sozusagen.
Also sprang ich über meinen Schatten und machte einen Schritt vor.
„Okay warte."
Er hatte sich bereits umgedreht und blickte nun mit einem siegessichern Grinsen auf dem Gesicht über die Schulter zu mir zurück.
„Na also."
„Du musst mir mehr erzählen, von Varkan. Ich weiss nichts über all das."
Er zuckre die Schultern.
„Kein Wunder, euch da drüben wird ja auch immer eine heile Welt vorgegaukelt."
Ich runzelte die Stirn.
„Damit meine ich, dass euch niemand über die Gefahren aufklärt, die euch vom toten Land her drohen."
Welche Gefahren, wusste er etwa was darüber?
Doch ich kam nicht dazu ihn zu fragen, denn er redete bereits weiter.
„Schau; ich habe nichts dagegen, dass Dorcha bei dir bleibt. Ich würde nie einen Drachen von seinem Reiter trennen wollen, aber ich bin mir sicher mein Onkel sieht das anders und will sein Eigentum zurück."
Ich schnaubte wütend.
„Dorcha ist niemandes Eigentum!"
Genau! Stimmte er mir zu.
„Das sieht mein Onkel anders. Du musst verstehen dass er und ich die letzten meiner Blutlinie sind, die noch einen Drachen besitzen, der geschlüpft ist. Die meisten Eier schlüpfen entweder nicht, weil ihr Reiter nicht in der Nähe ist, oder sind tot.
Dorcha hätte der Drache meiner kleinen Cousine werden sollen."
Ekliges Biest, kommentierte mein Drache in meinem Kopf, als Ace seine Cousine erwähnte. Also war sie vermutlich nicht die charismatischste Persönlichkeit auf der Welt gewesen.
„Er war damals noch klein, nicht voll Ausgewachsen, doch man erkannte schnell, dass sie nicht seine Reiterin war. Mein Onkel wollte es aber erzwingen und so hat das schwarze Ungeheuer sie kurzerhand verbrannt.
Ich erschrak, und Dorcha schwieg dazu bloss. Es fiel mir schwer zu glauben, dass er das getan hatte. Doch ich erlaubte mir nicht, darüber zu urteilen, denn ich kannte ja die Umstände, unter denen das passiert war nicht.
„Aus Wut wollte ihn mein Onkel selbst zureiten, doch Dorcha ist entkommen. Ein Wunder dass er hier überlebt hat. Er hat sich gut gehalten."
Ich hatte genug von der Märchenstunde.
„also ist es wahr, dass Könige über ein versklavtes Volk herrschen?"
Ace schmunzelte.
„Eure alten Meister erzählen das wohl gerne. Aber ja, es sind die Reiter, die Menschen mit dem auserwählten Blut, die die Königreiche führen. Früher einst mit Gewalt, doch unterdessen ist zumindest Varkan wieder aufgeblüht. Die Natur hat sich vom Krieg erholt und das Volk lebt ein einfaches aber zufriedenes Leben. Niemand wird versklavt."
Es fiel mir schwer, ihm das zu glauben, aber vielleicht hatte er ja recht.
„Du sagtest Varkan hätte sich vom Krieg erholt. Doch was ist mit den anderen beiden Reichen?"
Ace kratzte Sich am Nacken.
Dann kraulte er die Schnauze seines Drachen, der sich unterdessen entspannt neben ihn gelegt hatte. Ein wirklich schönes Tier.
„Naja, Darfan wurde schon vor einigen Jahren zerstört, und seine Drachen und Bevölkerung von Krimurs Nachfahren versklavt. Dementsprechend ist Krimur auch gewachsen. Doch seit vielen Jahren ist der letzte Nachfahre des königlichen Bluts verschwunden. Die Soldaten hatten aber de Befehl erhalten, das Volk weiter zu unterdrücken und das Reich auszubauen. Varkan verteidigt sich beinahe jeden Mondzyklus gegen Angriffe."
Ich war geschockt von seinen Ausführungen. Das war ja schrecklicher als ich es mir ausgemalt hatte.
„und wieso unternehmt ihr nichts dagegen? Diese Menschen sind alle versklavt!"
Er verzog das Gesicht genervt.
„Hast du nicht zugehört? Varkan besitzt bloss noch zwei geschlüpfte und ausgewachsene Drachen, während ich keine Ahnung habe, wie viele von den Kampftieren Krimur bereit hält."
Ich schüttelte den Kopf.
„Das ist so falsch. Im Drachentaal leben die Menschen alle friedlich zusammen. Niemand hat es nötig, sich als König postieren zu müssen."
Er lachte leise.
„Und woran liegt das? Allein daran dass niemand etwas hat dass die anderen nicht haben. Niemand ist anders als alle anderen. Und wenn doch, wird er sofort von den Marcaiche verschleppt. Ob er will oder nicht. Ist doch so."
Ich schluckte. Da war was dran.
„Und wieso machst du dir die Mühe, mit mir zu reden, wenn du eigentlich in Varkan sein solltest, um dein Volk zu beschützen?"
Meinte ich misstrauisch, während Dorcha sich langsam über mir hin und her wiegte.
Er fand das eine gute Frage und hätte es lieber, wenn Ace endlich verschwinden würde.
„Ganz einfach. Weil Varkan eine zusätliche Reiterin gebrauchen könnte. Du hast zwar keine königsfamilie aber trotzdem kannst du nirgendwo anders hin."
„Doch, das kann ich sehr wohl."
Meinte ich trotzig und er hob eine Braue.
„ach ja? Wohin denn?"
Fragte er herablassend. Ich fühlte mich in allen Belangen gedemütigt.
Sehr freundlich und aufmerksam bot mir Dorcha an, ihm für mich den Kopf abzureissen. Ich war geneigt ja zu sagen, schüttelte dann aber trotzdem den Kopf.
„Ich kann zurück in mein Heimatdorf, wenn ich mit den Meistern rede lassen sie Dorcha bestimmt im Berg leben."
Mein Drache gab einen Schrillen Laut von sich und stampfte mit den Beinen auf den Boden.
„Er sieht nicht so aus, als wolle er sein Leben in Gefangenschaft leben, oder? Und selbst wenn Dorcha mit dir kommen würden, die Meister halten alle Drachen von nördlich des Berges für Monster ohne Verstand, sie würden dir niemals zustimmen, Dorcha mir dir zu nehmen. Also bleibt dir keine andere Wahl. Entweder du lässt Dorcha zurück oder du gehst an den einzigen Ort, der dich akzeptieren würde. Und das ist Varkan."
Er wartete kurz und als er sah dass ich nicht so begeistert aussah, fügte er noch hinzu.
„Ich kann dir dafür alles zeigen was du übers Kämpfen und über den Umgang mit Drachen wissen musst."
Ich schwieg und wusste, dass Dorcha eingesperrt in einem Berg genauso enden würde wie die anderen Drachen in der Drachenhöhle.
Das wollte ich ihm auch nicht antun. Aber ich musste zurück an meine Tante denken, ich konnte sie niemals zurück lassen.
„Tut mir leid, ich würde dir gerne helfen, aber so klein die Chance auch ist, muss ich versuchen zurück ins Drachentaal zu kommen, zu meiner Tante. Ich bin der einzige Mensch, den sie noch hat."
Er nickte bedächtig und verschränkte die Arme.
„Ich kann dich nicht zwingen. Aber Krimurs Armee wird sich nicht nur Varkan holen wollen. Sie werden auch das Drachentaal wollen. Und wenn sie kommen, dann hast du es besser über den Berg geschafft. Ansonsten sieht es schlecht für dich aus."
Er wandte sich ab und kletterte mit geschickten Zügen am Flügel seines Drachens hoch.
„Ich wünsche dir viel Glück Quinn."
Perplex blieb ich stehen.
„Warte! Wo willst du denn jetzt hin?"
Er hielt sich an einem Sattel auf dem Rücken seines Reittiers fest und der silberne Drache breitete die Flügel aus, während er die Schnauze öffnete und eine kleine Feuerflamme ausstiess.
„Ich gehe mein Reich verteidigen. Jetzt wo es bei zwei Drachen bleiben wird, wird mein Onkel das wissen wollen."
Ich nickte und das schlechte Gewissen nagte an mir, dass ich die Augen vor all den Schrecklichen Sachen verschloss, die in Krimur vor sich gingen.
Doch ich liebte Selene von Herzen, und sie würde nie erfahren wohin ich gegangen war und am Boden zerstört sein.
„Auf wiedersehen Ace. Ich wünsche dir viel Glück."
Er antwortete nicht.
Also liess ich ihn davon fliegen und sah ihm nach, wie sein Drache mit der flackernden Morgenröte verschwamm.
Also ging bereits die Sonne auf.
„Scheisse. Ich muss zurück bevor jemand bemerkt dass ich nicht da bin."
Ich stellte mich vor meinen Drachen, der den Kopf hoch hob und von oben aug mich hinunter sah.
Also lässt du mich allein.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein! Ich rede noch heute mit den Meistern und überzeuge sie, dass du ins Drachentaal gelassen wirst. Ich lasse dich nicht alleine, du musst dich nur bis morgen noch gedulden."
Na gut, stimmte er widerwillig zu und schüttelte den Kopf hin und her, während er seine Flügel ausschüttelte.
„Kannst du mich zurück fliegen? Ich denke nicht dass ich den ganzen Berg rauf klettern kann."
Schon wieder lachte er mich aus.
Na gut, aber du musst auf meinen Rücken klettern.
Ich hätte erwähnen sollen dass ich Höhenangst hatte. Ich schluckte und zerkaute meine Lippe.
„Muss das sein? Kannst du mich nicht wieder so fest halten wie vorhin?"
Bist du denn jetzt eine Reiterin oder nicht?
Empört verschränkte ich die Arme.
„Natürlich!"
Dann beweis es.
Autsch; das hatte gesessen. Er appelierte an meinen sehr übermässig vorhandenen Stolz.
„Na gut."
Presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich machs."
Mit schlotternden Beinen, die so weich waren wie Suppe, begann ich am Flügel meines Drachen hoch zu klettern, den er mir hilfsbereit hingehalten hatte.
Es dauerte verdammt lange und sah bestimmt nicht halb so elegant aus wie bei Ace, bis ich endlich auf dem Rücken des majestätischen Tieres angekommen war.
Verdammt war Dorcha riesig.
Ich befand mich ungefähr auf gleicher Höhe wie die Baumkronen der blattlosen Bäume.
Wenn ich jetzt runter fallen würde, würde ich mir doch alles brechen.
Schlotternd suchte ich nach Halt für meine Hände und fand ihn, indem ich sie zwischen seine Schuppen schob und mir dabei die halbe Handfläche aufriss, so scharf waren sie.
Bereit?
Ich atmete zitternd ein und hätte gerne einen Rückzieher gemacht. Aber so feige wollte ich nicht sein. Das wäre dann wirklich erbärmlich gewesen und ich hätte nur die Meinung aller im Berg bestätigt.
„ja."
Piepte ich leise und Dorchq hob den Kopf gegen Himmel und stellte sich auf die Hinterbeine.
Ich klammerte mich mit Händen und Füssen an ihm fest und von überall her stachen mich seine spitzen Schuppen. Er breitete die langen Flügel aus und schwang sich mit einem Ruck in die Luft.
Mir entfuhr ein erschrockener Aufschrei, und ich kniff die Augen zusammen, während ich spürte dass wir immer weiter hoch stiegen.
Mach die Augen auf.
Das konnte er ja wohl vergessen.
Na los!
„Verdammt!"
Rief ich in den Wind, der meine Stimme so schnell weg trug dass ich mich selbst beinahe nicht hörte.
Dann öffnete ich die Augen und schnappte nach Luft.
Die Aussicht war...wow.
Ich sah das Land, die schmalen Bäche die sich wie Adern durchw Gras zogen und die Anordnung der Bäume, bis sie sich im Horizon verdichteten und wieder zu grünen begannen.
„Das ist...wunderschön."
Murmelte ich und merkte, dass meine Angst weg war, vom Winde weg gepustet.
Es fühlte sich berauschend an, zu fliegen. Als gäbe es nichts, was mich aufhalten konnte, als wäre meine Macht unbeschränkt, hin zu gehen egal wo ich auch hin wollte.
Langsam löste ich die Hände von Dorchas Schuppen und streckte die Arme aus.
Der Wind riss an mir und zerrte verzweifelt, doch das konnte meine Angst nicht mehr zurück bringen. Viel mehr genoss ich dieses Gefühl der unbegrenzten Freiheit.
Von so einem Gefühl hatte ich nicht einmal zu träumen gewagt.
„Ich liebe es!"
Das ist gut. Mein Drache flog gleichmässig, segelte in der Luft und schnitt mit seinen Flügeln beinahe lautlos den Wind. Es war bemerkenswert wie sich so ein riesiges Tier besser unbemerkt annähern konnte als eine Katze.
Achtung festhalten.
Ich hatte kaum Zeit, mich wieder in Position zu bringen, da senkte sich Dorcha auch schon ab, und glitt dann entlang der Bergwand steil nach oben.
Der Wahnsinn, dachte ich mir und genoss es, wie der Wind mein Gesicht streichelte. Und noch mehr die Nähe meines Drachens. Den ich nun endlich gefunden hatte.
Die Hörner meines Reittierst ragten vor mir auf und bald schon konnte ich die Plattform über uns ausmachen.
Dorcha hielt sich genau so weit unter ihr, dass ich von seinem Rücken auf sie hinauf klettern konnte.
Als ich wieder festen Boden unter den Füssen hatte, bemerkte ich erst, wie Müde mein ganzer Körper von dem Ritt geworden war.
„Vielen Dank."
Flüsterte ich und streichelte vorsichtig die Stelle zwischen seinen Augen, die mich aufmerksam ansahen.
„Ich komme dich so bald wie möglich holen."
Pass auf dich auf, erwiderte er und dann tauchte er auch schon ab.

Was denkt ihr von Ace und der Situation? Hat sie sich richtig entschieden? Hoffe es gefällt euch! Und ab jetzt geht die Geschichte erst richtig los :)
Love

Stolen Secrets: Erbin der Drachen *beendet*Where stories live. Discover now