Special 2

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Das Kronendach schirmte sie von den Strahlen der Sonneab. Ein dichter Dschungel aus Sträuchern und Lianen raubte ihr das Blickfeld,doch dafür hatte sie immer noch ihr gutes Gehör und ihren Geruchssinn. 

Dasfeuchtwarme Klima ließ ihre Kleidung an ihrer Haut kleben und sie hattedringend das Bedürfnis, in einen Teich oder ähnliches zu springen, um sichabzukühlen. Zum Glück hatte sie gerade das Plätschern eines Flusseswahrgenommen, während sie durch den Regenwald stapfte.

 Sie änderte ihreRichtung, direkt auf das Geräusch zu. Nachdem sie sich durch das Gestrüppgekämpft hatte, waren es nur noch wenige Meter bis zum Wasser. Wenn sie sich erfrischthatte, musste sie schnell wieder zurück, ansonsten würde sich ihre Familiebestimmt bald Sorgen machen. 

Nur weil ihre Großmutter ihre Eltern überzeugenkonnte, hatte sie alleine die Gegend erkunden dürfen. Ihre Oma war hier aufgewachsen, warwegen der Liebe jedoch umgezogen. Doch mehrmals im Jahr kam sie her, um ihreVerwandten zu besuchen. 

Obwohl ihre Wandlergene stark waren, bekamen ihr beidenTöchter die Gestalt ihres Ehemanns vererbt, trotzdem hatte sie sich immergewünscht, dass ihre Enkel auch eine Verbindung zum Regenwald aufbauen, was beiFaiths Cousine auch geklappt hatte, denn diese war wie ihre Oma in zweiter Gestaltein Hyazinth-Ara . 

Sie selbst fühlte sich, anders als ihr Bruder Levi, auch denWald verbunden, doch ihre Tiergestalt passte nicht besonders gut hinein,weshalb ihre Eltern auch besorgt waren, als sie alleine losziehen wollte. 

Völlig in ihre Gedanken vertieft, bemerkte sie erst, dass sie am Flussuferangekommen war, nachdem sie fast nasse Füße bekommen hätte. Langsam kniete siesich nieder trank einen Schluck des Wassers, welches laut ihrer Oma trinkbarwar, und befeuchtete ihre Arme und Beine damit. 

Sie bemerkte die Anwesenheitder anderen Person erst, als diese sie ansprach. „Deine Haut fühlst sich hierziemlich ausgetrocknet an oder?" 

Erschrocken blickte sie nach oben. Auf einerkleinen Insel, mitten im Fluss, stand eine ältere Frau mit langen grauenHaaren, die ihr bis zur Hüfte reichten. Diese trug mehrere Piercings im Ohr undüber ihren Arm ragten seltsame Tätowierungen bis zu ihrer Hand, in der sie einaltes, leicht zerfledertes Buch festhielt. 

Sollte sie besser verschwinden? Beidieser Frau spürte sie keine Wandlerpräsenz, aber was wollte ein Mensch so tiefim Wald? 

„Keine Sorge du brauchst keine Angst vor mir haben, ich werde dirnichts tun." Ein sanftes Lächeln tauchte auf ihren geschwungenen Lippen auf.„Ich habe dich schon längere Zeit beobachtet. Du bist eine von Ivanis Enkelinnenstimmts?" 

Woher wusste sie das? Kannte sie ihre Großmutter? Sie hatte sie nochnie in deren Siedlung gesehen. „Ja das ist richtig, warum hast du michbeobachtet?" Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. 

„Ich habe dich schonbemerkt, als du noch ein Kind warst. Schon dort waren deine Gedanken- undVerwandlungsfähigkeiten überragen, doch nun hast du noch mehr gelernt." Wartemal, sie hatte ihr über einen so langen Zeitraum hinterherspioniert? „Es tutmir leid, dass ich dich beobachtet habe, jedoch war das für mich sehr wichtig." 

Hatte sie gerade ihre Gedanken gelesen? Aber sie war keine Wandlerin, oder? Undselbst wenn, hätte sie das doch nicht so leicht machen können! Zu ihrenErstaunen lachte die Frau ihr gegenüber auf und sagte: „Du kannst deineGedanken gut verbergen, trotzdem kann ich sie lesen." 

Wie zur Salzsäureerstarrt blickte Faith ihrem gegenüber in die Augen. Nein, sie hatte keinezweite Gestalt. Aber wie sollte es anders funktionieren? 

„Ich weiß es istgerade viel auf einmal, aber lass es mich dir erklären." Gespannt über ihreAntwort lauschte sie der seltsamen Frau. 

„Das Buch, welches ich bei mir habe, ist von unsagbaren Wert. Es wurde von einem Wandler der ersten Generationenverfasst. Ich habe es mein ganzes Leben lang beschützt, genau wie die Personvor mir, doch nun bin ich alt und langsam naht mein Ende. Bevor ich jedochdiese Welt verlasse, muss ich dieses Buch jemanden anvertrauen, der sich alswürdig erweist." 

Verblüfft hörte sie weiter zu, obwohl sie ihre Wortanzweifelte. 

„Schon als ich dich das erste Mal gesehen habe, hatte ichüberlegt, dir das Buch weiterzugeben. Du hast ein reines Herz, bist mutig,freundlich und stark. Doch trotzdem möchte ich mit meiner Wahl sichergehen unddeshalb habe ich dich hier getroffen. Ich werde dich nun einer Probeunterstellen und bei unserem nächsten Treffen werde ich entscheiden, ob dudiejenige sein wirst, die über das Buch wacht." 

Welche Probe meinte sie? Es gabnicht mal ansatzweiße Sinn. Sollte sie besser verschwinden? Als hätte die Frauihre Gedanken gelesen, lächelte sie Faith erneut an. 

„Keine Sorge, du musstnichts Besonderes tun. Entspann dich einfach." 

Sekunden später kribbelte ihrganzer Körper, es war ein eigenartiges Gefühl, irgendwie ähnlich zu einerVerwandlung aber auch ganz fremd. Es dauerte nicht lange, bis dieses Gefühlwieder verschwand. 

Als sie sich genauer umsah, bemerkte sie, dass siezusammengeschrumpft war. Verblüfft schaute sie ihr Spiegelbild im Wasser an undkonnte kaum fassen, was sie dort sah. 

„Das hätte ich mir fast denken können."Sie blickte zur alten Frau auf, die schmunzelte. „Keine Angst, du wirst keinenSchaden dadurch erleiden. Ich habe dieses Ritual auch an mir selbst angewandt,um das Buch im Notfall besser beschützen zu können." 

Die Frau drehte sich umund ging ein paar Schritte, wandte sich aber nochmal zu ihr. 

„Wie vorher schongesagt: Bei unseren nächsten Treffen werde ich meine Entscheidung fällen. Passauf dich auf und sei vorsichtig, wem du alles von unserem Treffen erzählst." 

Damit löste sie sich anscheinend in Luft auf und lies Faith hier alleine.

Seawalker FanfictionWhere stories live. Discover now