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Wir brachen am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang auf. Während die beiden Männer noch unser kleines Lager zusammenpackte und auf die Pferde verteilten, starrte ich gedankenverloren in den Wald. Kleine Dampfwolken sammelten sich vor meinem Mund als ich die Luft aus meinen Lunge stieß.

Es war meine erste Chance zur Flucht. Der erste unbeobachtete Moment. Meine erste wirkliche Chance umzukehren und nach Adrianne und Xavian zu sehen. Und doch. Ich zögerte.

"Ruelle, wir müssen los", riss Arden mich aus meiner Starre.

Noch immer hätte ich fliehen können. Aber die Worte von gestern hingen noch immer in der Luft. Die Bestimmtheit, mit der Arden von meiner Schwester gesprochen hatte. Es hatte Hoffnung entfacht, dass er vielleicht doch die Wahrheit sagte. Und im Moment klammerte ich mich an diese Hoffnung wie eine Ertrinkende. Denn ich wusste, dass meine Welt im Begriff war in sich zusammenzustürzen. Dass die Rebellen, der König von Cardum, Arden, Adrianne und Xavian sie zum Einstürzen gebracht hatten.

Doch die Hoffnung gab mir Halt, während ich nicht hinterherkam die Fragmente meiner Welt zusammen zu halten.

"Ruelle?" Arden hatte eine Hand auf meinen Arm gelegt.

Ich dreht mich zu ihm um, blinzelte rasch die Tränen weg, doch wusste, dass er sie sehen konnte.

Einen Wimpernschlag später stand er vor mir. Hob seine Hand vorsichtig zu meinem Gesicht, um die Tränen fortzuwischen. Ich ließ es geschehen. Genauso, wie ich es vor einigen Tagen hatte geschehen lassen. Vielleicht hätte ich damals anders handeln sollen. Vielleicht wäre ich dann jetzt nicht an diesem Punkt. Würde nicht schon wieder von Schuldgefühlen geplagt, die mich mit zu reißen drohten, wenn ich mich ihnen zu lang hingab.

"Brauchst du noch einen Moment?"

Ich schüttelte den Kopf und wandte mich ab, stapfte durch die dünne Schneeschicht zu den Pferden, wo ich mich auf das von Arden schwang. Kale wartete bereits ungeduldig und schaute missmutig in die Ferne.

Ich hatte ihn aufgehalten. Ihn und Arden. Wir mussten los. Mussten der Gefahr die im Südwesten lauerte den Rücken kehren. Der Gefahr. Den Rebellen.

Der Alpha war mir wortlos gefolgt und ließ sich hinter mich in den Sattel fallen.

"Worüber hast du nachgedacht?"
Er schlang einen Arm um mich, während der mit der anderen nach den Zügeln griff. Im nächsten Moment setzten wir uns in Bewegung, Kale mit einigem Abstand hinter uns.

Worüber hatte ich nachgedacht.

Einen Moment zögerte ich, bevor ich mich entschieden die Wahrheit zu sagen.

"An meine Flucht."

Arden hinter mir versteifte sich.

"Wohin?", fragte er schließlich. Nicht Warum. Nicht wertend. So als hätte er es erwartet, aber war dennoch nicht bereit es ausgesprochen zu hören. Die Worte aus meinem Mund. Die Wahrheit. Dass ich ihn noch immer nicht wollte. Nicht wollen konnte.

Ich zögerte erneut.

„Zurück zum Palast", antwortet ich knapp. Ich wusste nicht genau was es war, aber es brachte mich dazu Arden die Wahrheit zu sagen. Vielleicht war es die Endgültigkeit. Die Einsicht, dass ich nicht fliehen würde. Oder die Tatsache, dass er mein Seelengefährte war.

„Wieso das? Um dich selbst den Rebellen auszuliefern?"

Ich schluckte. Ausliefern. Als wären die Rebellen meine Feinde. Vielleicht waren sie das. Waren es in dem Moment geworden in dem ich versagt hatte ihn zu töten. Aber ich hatte nie gedacht, dass ich sie jemals als Feind betrachten würde.

„Um zu schauen, wie es meinen Freunden geht." Um meine Schuldgefühle zu besänftigen. Damit nicht immer und immer wieder das Wort Verräterin durch meinen Kopf hämmerte. Als hätte dieses Wort mich nicht schon die letzten Wochen verfolgt. Als würde mich dieses Wort nicht mehr loslassen. Vielleicht würde es das nie. Selbst, wenn meine Schwester noch lebte. Ich würde immer eine Verräterin sein.

„Xavian, ich", ich zögerte, suchte nach Worten die ich niemals finden konnte. „Ich weiß nicht, ob er überlebt hat", fuhr ich fort und räusperte mich.

„Ich habe Kale geholfen und meinen Freund verraten." Ich wusste nicht woran es lag, dass mir die Wahrheit erneut so leicht von den Lippen glitt. Vielleicht war es seine Nähe, die mich einlullet. Das Versprechen von Geborgenheit, das mich umfing.

„Du bist keine Gefangene Ruelle", erklärte Arden schließlich.

Ich wand mich in seinen Armen.

„Wieso nicht?"

Arden lachte trocken.

„Du bist meine Gefährtin", antwortet er schlicht. Als wäre keine weitere Erklärung nötig.

Die Fesseln um meine Hände als ich aufgewacht war und die ständige Überwachung sagten etwas anderes.

„Ich habe versucht dich umzubringen, Arden", erwiderte ich.

Ardens Griff um mich wurde fester.

„Ich weiß. Aber du hast es nicht."

Nicht mit Absicht. Ich war bereit gewesen ihn zu töten. Hatte alles zusammengenommen und zugestoßen.

„Du hättest es nicht getan Ruelle."

Ich war kurz davor gewesen. Hatte Jahre auf diesen Moment gewartet. Es war Wunschdenken, dass er davon ausging, dass ich ihn nicht getötet hätte.

„Was macht dich so sicher?", wollte ich von ihm wissen.

Seine Finger strichen über meine Seite, während er sich Zeit ließ zu antworten. Ich erschauderte leicht bei seine Berührung. Lehnte mich unwillkürlich seinem Körper entgegen. Seiner Wärme. Dieser Geborgenheit, die seine Anwesenheit versprach.

„Weil ich weiß, wie dein Körper auf mich reagiert. Wie du auf mich reagierst. Du kannst es leugnen Ruelle, aber ich sehe, was meine Anwesenheit mit dir macht. Was meine Nähe mit dir macht. Und egal wie sehr du dir einredest, dass es nicht so ist, die Wahrheit lässt sich nicht leugnen", erklärte er.

Und wie um seine Worte zu bestätigen entzog er mir die Berührung.

Ich presste die Zähne zusammen. Er hatte Recht. Und er wusste es. Und er hatte auf erkannt, dass ich alles gab, um mich gegen diese Verbindung zu wehren. Gegen die Gefühle, die er in mir auslöste.

„Und nichts daran ist schlimm. Wir sind Seelengefährten. Wir wurden dafür geschaffen uns zu ergänzen", fuhr er fort.

„Wir ergänzen uns nicht Arden. Du bist Alpha und ich bin alles, aber keine Luna. Ich bin nicht dein Gegenstück." ich spuckte ihm die Worte förmlich entgegen.

„Du musst keine Luna sein, damit wir füreinander geschaffen sind."

„Aber genau das ist es, was Seelengefährtinnen von Alphas sein sollten, Arden", setzte ich dagegen.

„Aber du müsstest es nicht sein, wenn du das nicht willst."

„Ich werde nicht an deiner Seite stehen, also steht es ohnehin nicht zur Debatte."

„Aber wieso nicht?"

„Weil..." er meine Schwester getötet hatte. Aber das hatte er nicht. Vielleicht nicht. Weil ich mich an die Hoffnung klammerte, dass sie noch lebte.

Arden hakte nicht weiter nach, als ich meinen Satz nicht beendete.

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Die beiden Reden endlich mal :D Zumindest so ein bisschen. Aber trotzdem sind noch viele Fragen offen. Keine Sorgen, sie werden bald geklärt. :)

Hoffe euch hat das Kapitel gefallen.

Fated GamesWhere stories live. Discover now