15. Das Moor

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"I will show your fear in a handful of dust."

„Und ich sage euch, dass sich die gestrige Nacht haargenau so zugetragen hat", beendete Victoria sogleich in einem Atemzug ihre ausführliche Erzählung über die gespenstischen Vorkommnisse, die sich des Abends zuvor in diesem ehewürdigen Anwesen wo...

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Und ich sage euch, dass sich die gestrige Nacht haargenau so zugetragen hat", beendete Victoria sogleich in einem Atemzug ihre ausführliche Erzählung über die gespenstischen Vorkommnisse, die sich des Abends zuvor in diesem ehewürdigen Anwesen wohl oder übel abgespielt haben musste.

Sowohl Louisa als auch Charlottes starrten die junge Frau nun in einer Tour und mit weit aufgerissenen Augen an, so als hätte sie den Zwei gerade in brühwarmer Manier die Beichte aufgetischt, in naher Zukunft einen flotten Dreier mit zwei frommen Priester schieben zu wollen.

"Da fresse ich doch einen Besen...", murmelte eine leichenblasse Charlotte in die darauf folgende Stille hinein, während Louisa zur gleichen Zeit breit von Ohr zu Ohr lächelte, so als schien, wie oh Wunder, Weihnachten bereits auf den heutigen Tag vorverlegt.

"Wie cool ist das denn, bitteschön? Ein echter Geist? Warte, ich schnapp mir noch schnell meinen Laptop, dann schreib ich mir gleich alles auf. Ne echt super tolle Inspiration für meine Storyline ..."

Aus vollem Halse gähnend, so räkelte sich Louisa just wie ein ermüdetes Supermodel auf der adretten Couch im Wohnsalon, scheinbar von keinem einzig trüben Gedanken geplagt. Nein, die hocherfreute Buchautorin wähnte sich bezüglich der jüngsten Ereignisse scheinbar vollkommen außer Häuschen, ganz im Gegenzug zu ihren beiden anderen besten Freundinnen. Denn Charlotte und Victoria, die ihrerseits mit ausgestreckten Beinen auf den freiliegenden Plätzen lümmelten, stellten hierbei deutlich besorgter dreinblickende Mienen unverhohlen zur Schau.

Obgleich sich der frühe Morgen langsam aber sicher der frühmittaglichen Stunde annäherte, so hüllte sich der kühle Empfangssaal weierhin in den aufgetragenen Mantel dusterer Schatten und verlassener Einsamkeit ein.

Lediglich das strahlend herabfallende Licht von der Decke wusste die betagte Stube mit ausreichend Leben und Helligkeit zu versorgen, die kristallenen Fangarme des Kronleuchters hingen wie spitz geschliffene Damoklesschwerte über den drei hier versammelten Häuptern hinweg. Jederzeit dazu in der Lage, bei einem möglichen Fall ihre gewetzten Klingen auf Fleisch und Blut niedersausen zu lassen.

Victorias umher huschender Blick verfing sich unweigerlich in den duster gepinselten Farben des aufhängten Gemäldes und blieb natürlich am Ende bei den malerischen Konturen einer gewissen Person hängen, deren offizielle Bekanntschaft sie erst vor ein paar Stunden und auf höchst unfreiwillige Art und Weise geschlossen hatte.

Unwillkürlich flogen ihre Gedanken wie vom Wind getriebene Laubblätter in Richtung ihrer letzten wachen Erinnerungen und rief sich abermals das unnatürlich blasse Gesicht von Fabian direkt vor Augen. Trotz seiner leicht verschwommenen Züge ließ sich die Ähnlichkeit zwischen Abbild und akuter Realität wahrlich nicht von der Hand zu weisen.

"Sag einmal, was läuft eigentlich falsch bei dir? Victoria hat uns gerade eben erst ihre ausgestandenen Ängste geschildert und du denkst nur über dein vermaledeites Buch nach? Dein literarisches Ego kennt wohl keine Grenzen des Anstands mehr!", zürnte Charlotte auf einmal wie aus dem Nichts, ihr säuerlicher Blick troff vor unverhohlenen Missmut und Enttäuschung.

Das Herrenhaus von DunkelmoorWhere stories live. Discover now