12. Wissen ist Macht?

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"Every morning is a new arrival."

"Gerade einmal zehn Uhr in der Früh und wir finden uns bereits inmitten einer einsam und verlassenen Pampa vor!", beschwerte sich Charlotte lautstarken Tonfalls, während diese zur gleichen Zeit ihre Fahrtür, gefolgt von einem laut ertönenden Knall, wieder in die metallenen Angeln zurück schnellen ließ.

"Wunderbar, ganz wunderbar! Und wo bleibt überhaupt dieser verdammte Kurator ab, Fräulein Louisa?"

Besagte Frau, die nun gleichfalls wieder festen Boden unter den Füßen verspürte, warf unwillkürlich wie ein Supermodel in Aktion mit einer geflissentlich anmutenden Kopfbewegung ihre blonde Haare auf den Rücken herab.

"Ach, mach dir doch nicht gleich ins Hemd. Immerhin bist du ja auch freiwillig mitgekommen! Aber um deine eigentliche Frage zu beantworten. Keine Ahnung, wo sich unserer mürrischer Zeitgenosse gerade aufhält ... Menschenskinder, ihr hättet diesen griesgrämigen Kauz einmal am Telefon hören sollen! Am Ende hat er aber doch gemeint, dass wir uns am vorderen Eingang der Finsterbrucher Bibliothek treffen sollten!"

Während die redseligen Zwei also rasch in leises Geplauder verfielen, bedachte die gerade eben ausgestiegene Victoria hingegen das umliegende Landschafsbild mit einem durch und durch prüfenden Blick, so als wäre sich die junge Frau im Insgeheimen nicht sicher, ob es sich bei diesem herunter gekommenen und ziemlich abgelegenen Gemäuer tatsächlich um die gesuchte Bücherei handelte.

Ungefähr hundert Meter von dem Platz entfernt, auf dessen leicht kieselige Stelle sich gerade das geparkte Auto wähnte, ragte das alte Büchereigebäude wie ein schlummernder Riese in die Luft empor, schien schon vor langer Zeit vom Leben verlassen. Nach eingehender Betrachtung musste die Schwarzhaarige mit eigenen Iriden feststellen, dass das wettergegerbte Aussehen schon längst seine besten Tage hinter sich gelassen hatte.

Denn die abbröckelnde Fassade des zweistöckigen, aus steinernen Mauern aufgestellten Baus sprach wahrlich eine eher weniger schöne Sprache. An zahlreichen Stellen klafften größere Löcher, die ehemalige weiße Wandfarbe schien bereits vor langer Zeit herabgebröselt und buchstäblich zu Staub zerfallen. Selbst die wenig vorhandenen Fenster gaben kein besseres Bild ab, alle Scheiben wiesen gefühlt meterdicke Schichten an angesammelten Schmutz und tierischem Unrat auf. Insgesamt ein eher weniger angenehmer Augenschmaus.

Umzingelt wähnte sich das zerfallene Gebäude von mehreren brach liegenden Feldern. Feingliedrige Nebelschwaden spukten wabernden Willens über die feucht glänzenden Wiesen hinweg, es war Victoria, als hätte sich buchstäblich eine Grabesstimmung wie ein gefaltetes Totentuch auf die dargebotene Szenerie gelegt. Zum Teile erinnerte die Beschaffenheit der gedeihenden Gräser an einen Schweizer Käse, an so manchen Stellen kluftige Erdlöcher aufweisend. Zudem lag auch die unverkennbare Duftmischung aus wucherndem Gras und verwesender Fäulnis in der Luft, die übel riechende Intensität kitzelte unentwegt ihre aufmerksame Nase.

Das Herrenhaus von DunkelmoorWhere stories live. Discover now